Einleitung: Wachgerüttelt – und jetzt?
Strafzölle müssen nicht das Ende sein – sondern der Anfang einer strategischen Neuaufstellung. Mögliche Strategien der Schweiz im Umgang mit den angekündigten reziproken US-Zöllen von 39 %. Eine persönliche und lösungsorientierte Stellungnahme von Claudia Feusi.Die Schweiz wurde durch die Ankündigung reziproker US-Zölle von 39 % kalt erwischt. Trotz aller wirtschaftlichen Vernunft trifft ein machtpolitisches Signal den Werkplatz hart – gerade weil die Schweiz zu den offensten Volkswirtschaften der Welt gehört. Mit einem durchschnittlichen Zollsatz von nur 1,7 % und einem dichten Netz an Freihandelsabkommen steht sie für regelbasierten Welthandel. Doch diese Offenheit wird zur Verletzlichkeit. Die ungerechtfertigten Zölle bedrohen mehrere 10'000 Jobs in der Exportindustrie. Und doch: Dieser Moment birgt auch eine Chance.
Strategien für Unternehmen haben wir die letzten Monate zahlreiche erarbeitet, zum Beispiel:- https://douana.ch/strategien-von-unternehmen-zur-umgehung-von-strafzoellen/
- https://douana.ch/warenursprungsfestlegung-im-us-zollrecht-detaillierte-analyse-der-regelungen-nach-19-cfr-%c2%a7-102-20/
- https://douana.ch/ursprungsbestimmung-im-us-zollrecht-analyse-des-cbp-rulings-hq-h302821-am-beispiel-volvo/
- https://douana.ch/handelsabkommen-zwischen-den-usa-und-der-schweiz-sowie-circumvention-geschaefte/
- https://douana.ch/leitfaden-section-232-zoelle-auf-stahl-und-aluminium-derivate-und-kapitel-73-76-unterschiede/
- https://douana.ch/anteil-von-stahl-und-aluminium-berechnen-strafzoelle-usa/
- https://douana.ch/fachtagung-export-import-themen/
- https://douana.ch/first-sale-rule-wie-unternehmen-beim-export-in-die-usa-zoll-sparen-koennen/
- Ursprungsland im Export und Import korrekt angeben
Für Unternehmen stellen wir hier unser E-Learning zu Strafzöllen bereit. Unser FAQ_Strafzoelle_040525.
Heute möchte ich mich lösungsorientiert zu den politischen Möglichkeiten äussern.Denn was als einseitige Strafmassnahme beginnt, kann die Schweiz zu einer strategischen Neuaufstellung zwingen – mutiger, diversifizierter, souveräner. Jetzt geht es darum, Verluste nicht nur zu verwalten, sondern Zukunft zu gestalten: Wie kann die Schweiz unter geopolitischem Druck neu denken – ohne ihre Prinzipien preiszugeben.
Analyse der Ausgangslage
Die wirtschaftliche Relevanz der Schweiz mit den USA ist beachtlich: Über 300 Mrd. CHF an Direktinvestitionen, rund 500'000 geschaffene US-Arbeitsplätze, höchste Löhne aller ausländischen Arbeitgeber, und ein struktureller US-Überschuss im Dienstleistungshandel von über 20 Mrd. CHF jährlich.
Hinzu kommt: 17,3 % des Schweizer BIP stammen aus dem Warenexport. 2023 waren die USA mit 6,1 % des BIP der wichtigste Absatzmarkt für Schweizer Produkte – dreimal so bedeutend wie China. Der Wohlstand der Schweiz hängt also überdurchschnittlich stark vom regelbasierten Welthandel ab – und genau dieser wird nun zur Machtfrage.
Besonders betroffen vom Zollkonflikt ist die chemisch-pharmazeutische Industrie, die mehr als die Hälfte aller Schweizer Warenexporte trägt. Dahinter folgen Maschinenbau und Elektronik mit rund 11 %. Auch im Dienstleistungsbereich ist die Schweiz stark: Softwarelizenzen, Markenrechte und Engineering-Leistungen machen sie zu einem gefragten globalen Anbieter. Vieles ist noch unklar, aber der Grundton ist gesetzt. Auch wenn der Wind seine Richtung jederzeit drehen kann, sollte man vom Worst Case ausgehen.
Ein erhebliches Risiko - die grösste Gefahr für die Schweiz- ergibt sich somit in den erst noch angedrohten hohen Zöllen auf Pharmaprodukte.Die wichtige Pharmaindustrie steht unter einer Section 232-Untersuchung. (Trump sprach von 200% Zollansatz innerhalb den nächsten Jahren, Indien bezahlt bereits seit 1.8 bereits 40% u.a für Generika, auch bei der EU sind 15% im Fokus). Gleichzeitig stehen Drohungen im Raum, dass die Preise für Pharmaprodukte in den USA auch von Schweizer Herstellern gesenkt werden sollten.KOF veröffentlicht dazu, ich zitiere:
- Würde insgesamt der 39% Zollansatz zur Anwendung kommen, müsste mit einem scharfen Rückgang des BIPs von mindestens 0.7% gerechnet werden und damit Einkommensverluste im Durchschnitt von gegen 700 CHF pro Person und Jahr.
- Pharma mit 10%-Zoll:mindestens 0.3% Rückgang des BIPs zu erwarten, was jeden Schweizer und jede Schweizerin im Durchschnitt fast 300 CHF pro Jahr kosten würden.
Kurzfristige Reaktionen: Nicht Vergeltung, sondern Profil schärfen
WTO-konforme Retorsionsmassnahmen wie spezifische Dienstleistungssteuern oder Abgaben auf US-Produkte wären theoretisch denkbar. Doch sie passen nicht zur aussenwirtschaftlichen Identität der Schweiz. Sie erzeugen weder in Washington Druck noch verbessern sie das strategische Umfeld. Einerseits sind im Pharmabereich daher deutlich Investitionsversprechungen in den USA notwendig, aber was noch?
Standort Schweiz im zukunftsträchtigen Tech-Markt ausbauen und Innovationen lokal sichern
Die Schweiz sollte jetzt nicht nur an Exportförderung denken, sondern ihre strukturellen Standortvorteile proaktiv kommunizieren: attraktive Unternehmenssteuern, stabile Rahmenbedingungen, zentrale Lage, Innovationskraft. Auch US-Investoren und Unternehmen lassen sich nicht mit Gegendruck, sondern mit positiven Anreizen halten und anlocken.Beispiel: Unser Forschungsstandort und unsere Innovationskraft gehören weltweit zur Spitze: Die Schweiz investiert pro Kopf mit am meisten in Forschung und Entwicklung (über 3 % des BIP), zählt über 20 Universitäten und Hochschulen mit internationaler Ausstrahlung und führt regelmäßig die Rankings der Innovationsfähigkeit an.
Die Schweiz steht unbestritten an der Spitze der Deep-Tech-Nation: Innovatoren aus ETH, EPFL und anderen Institutionen haben Unternehmen hervorgebracht wie Climeworks, ID Quantique, Oxyle oder LatticeFlow, die globale Beachtung und massive internationale Finanzierung erhalten. Ihr globaler Unternehmenswert liegt bei über 100 Mrd. USD. Doch viele Exits – wie bei Calypso Biotech oder Viventis Microscopy – fanden im Ausland statt. Häufig wurden sie von internationalen Konzernen übernommen.
Zwischen 2019 und 2025 flossen 60 % des gesamten Venture-Kapitals in Deep Tech, bis zu 96 % der späteren Finanzierungsrunden wurden von Investor:innen aus dem Ausland – mehrheitlich aus den USA – angeführt.
Es geht heute nicht mehr nur um Exportförderung. Viel entscheidender ist die Frage: Wie behalten wir diese zukunftsbestimmenden Produkte im Land, die aus unserer Spitzenforschung entstehen? Denn genau diese technologischen Durchbrüche sind unsere wirtschaftliche Zukunft – in einer Welt, die sich technologisch gerade radikal neu sortiert. In Dübendorf sollen zukünftig Chips hergestellt werden - ein wichtiger Schauplatz der Zukunft der Schweiz.
Damit diese Produkte und Firmen in der Schweiz wachsen können, braucht es zudem schlanke, innovationsfreundliche Rahmenbedingungen. Die EU arbeitet sich aktuell an detaillierten KI-Gesetzen und Regulierungswerken ab – wir dürfen dies nicht zu restriktiv nachahmen. Der Schweizer Vorteil war meines Erachtens schon immer Pragmatismus und Agilität – und genau das ist jetzt gefragt: Denn wer zuerst die Autobahn plant, bevor es Autos gibt, verpasst den Anschluss. Wir müssen zuerst Bewegung ermöglichen – dann kommt die Richtung. Unser regulatorischer Vorsprung ist genauso unser Standortvorteil. Den müssen wir jetzt aktiv nutzen.
Diversifizieren und breit denken
Wichtiger denn je ist die strategische Diversifikation der Exportmärkte. Neue Märke erschliessen. Die Schweiz steht mit mehreren neuen Freihandelsabkommen bereit:- Indien (EFTA-TEPA) tritt im Herbst 2025 in Kraft – mit Potenzial für Milliardeninvestitionen und tiefere Zölle.
- Auch Thailand (unterzeichnet), Mercosur und Malaysia (bereit zur Ratifizierung) bieten neue Exportkanäle.
- Weitere Marktpotentiale ergeben sich anhand der aktuellsten Übersicht der Freihandelsabkommen.
CPTPP und Schweiz als strategischer Hebel
Ganz besonders betonen möchte ich auch den möglichen Zugang zur CPTPP: Bereits mit etlichen Ländern der Zone haben wir Freihandelsabkommen. Eine Vereinheitlichung mit Mut zur Lücke könnte den Handlungsspielraum der Schweiz im pazifischen Raum deutlich erweitern. Dieses Thema erachte ich als besonders wichtig,
Neue und modernisierte Freihandelsabkommen sind kein Selbstzweck, sondern strategische Schutzmechanismen. Sie reduzieren Abhängigkeiten und öffnen Zugänge zu wachstumsstarken Märkten:
Ein Blick auf bestehende Abkommen zeigt, wie wirksam Freihandel sein kann: Die Schweiz und Japan steigerten ihren bilateralen Warenverkehr seit dem Inkrafttreten ihres Freihandelsabkommens im Jahr 2009 um insgesamt 51 %. Im ersten Halbjahr 2025 belief sich das Handelsvolumen auf 8,0 Mrd. Franken – Japan ist heute der zehntwichtigste Handelspartner der Schweiz.
Diese Entwicklung zeigt: Gezielte Abkommen bringen echten wirtschaftlichen Nutzen – nicht nur symbolisch, sondern substanziell.
EU: Schwäche als Risiko, Nähe als Pflicht
Die EU ist der wichtigste Wirtschaftspartner der Schweiz – trotz blockierter institutioneller Beziehungen. Die Stagnation birgt Risiken: regulatorische Erosion, ungleiche Marktzugänge, Isolation in Forschungsprogrammen.
Gerade deshalb ist es essenziell, die bilateralen Verträge auf den Punkt zu bringen. Die EU mag politisch und wirtschaftlich schwächeln – sie bleibt systemrelevant. Doch die EU alleine wird uns nicht retten. Auffallend ist, dass wir auf EU-Anliegen in Verhandlungen gegenüber USA und China Rücksicht nehmen, aber dadurch oft ein schlechteres Resultat erzielen. Vielleicht ist es Zeit, diesbezüglich erwachsen zu werden:
Ich frage mich, ob wir nicht gewisse Dogmen überdenken müssen. Einerseits ist es wichtiger denn je, dass wir schlanke Rechtssysteme beibehalten und unabhängig agieren können. Andererseits sind wir keine Insel inmitten Europas – Europa ist unser wichtigster Kunde und Lieferant, und ein geeintes Europa mit ähnlichen Rahmenbedingungen ist unabdingbar.
Beachtet muss auch die indirekte Exportdynamik werden: Einerseits leiden wir durch den Markteinbruch der EU, andererseits verlieren wir als Zulieferant der EU-Industrie durch potenzielle Strafzölle an Attraktivität. Es geht also nicht nur um Exporte in die USA, sondern auch um Lieferungen an die EU-Industrie, die die USA beliefern.
Der China-Faktor: Chancen nutzen – aber mit Kompass
Das Freihandelsabkommen mit China von 2014 machte die Schweiz zum Vorreiter in Europa. Heute ist China unser drittwichtigster Handelspartner – besonders für Maschinen, Uhren und Pharma. Gleichzeitig ist das Verhältnis politisch aufgeladen: Zwischen den geopolitischen Spannungen der USA und Chinas braucht die Schweiz einen prinzipienfesten, aber pragmatischen Kurs.
Auch die EU verfolgt teilweise klare Vorstellungen, wie wir uns in diesem Spannungsfeld zu verhalten haben. Doch Kooperation mit China muss weder naiv noch ideologisch geführt werden – sondern strategisch, sachlich und eigenständig. Gerade im Bereich Technologie, Fertigung und KI ist Chinas Innovationskraft gewaltig – es wäre falsch, sich dieser Dynamik reflexhaft zu verschliessen.
Anstatt in ein Nullsummenspiel zu verfallen, kann eine proaktive, kluge Zusammenarbeit sinnvoller denn je sein – wirtschaftlich wie geopolitisch.
Die eigentliche Herausforderung: Wie können wir gleichzeitig den USA, der EU und China gerecht werden? Es fühlt sich an wie eine offene Partnerschaft, in der jeder vorgibt, was man mit dem anderen tun darf – und was nicht. Die Schweiz braucht hier keine Lautstärke, sondern strategische Souveränität – einen klaren, selbstbestimmten Kurs zwischen den Blöcken.
Wirtschaftliche Offenheit braucht heute ein aussenpolitisches Rückgrat – und eine klare Kommunikation gegenüber beiden Seiten.
Exportförderung geht auch anders
Parallel zur strategischen Standortpolitik sollte auch die Exportförderung mittels Fördergelder an die Privatwirtschaft anstatt Organisationen erweitert werden. Gerade in volatilen Zeiten kürzen Unternehmen beispielsweise Innovationen, Weiterbildung und Beratung – mit spürbaren Auswirkungen auf den Exporterfolg.Genau hier braucht es nicht nur Informationen, sondern die Verbreitung und Förderung von bestehenden Angeboten. Statt sich primär auf Eigenleistungen von Organisationen zu konzentrieren und die Organisation noch mehr zu belasten, sollte die Exportförderung offener werden für etablierte, privatwirtschaftlich erfahrene, agile, spezialisierte Anbieter wie wir, die praxisnahe Tools, Handlungsempfehlungen und innovative Formate wie kostenlose E-Learnings anbieten und können nicht nur informieren wie Organisationen, sondern zielgerichtete, konkrete und praxisnahe Handlungsempfehlungen bereitstellen. Innovative Ideen und Konzepte zur Exportförderung sollten finanziell unterstützt und geteilt werden. Wer sich beispielsweise vorstellt, dass man hierzulande als Zollberater mit Strafzöllen das grosse Kapital schlägt, hat weit verfehlt, wir stellen die Informationen kostenlos zur Verfügung.
- Derzeit tragen Unternehmen das Innovationsrisiko allein – obwohl der Nutzen für die Exportwirtschaft direkt spürbar ist. Eine gezielte Wiedereinführung öffentlicher Fördermittel für externe, innovative Exportinitiativen würde nicht nur wirtschaftsnahes Know-how stärken, sondern auch neue Wege der Zusammenarbeit eröffnen – schneller, branchenspezifischer und näher an den Unternehmen.
Unternehmen sollen im Bereich Bildung, Support und Beratung finanziell entlastet werden, innovative Projekte mitfinanziert werden. Vor ungefähr 10 Jahren gab es ein solches Förderprogramm bereits, diese sind jetzt zu reaktivieren.
Rechtlichkeit der US-Strafzölle als Hebel für multilaterale Solidarität
Die internationale Reaktion ist laut.
Die Transparenz und Legitimität der US-Strafzölle stehen zunehmend zur Diskussion – nicht nur weltweit, sondern auch innerhalb der Vereinigten Staaten selbst. Mehrere WTO-Mitglieder, darunter China, Kanada und die EU, haben bereits Verfahren eingeleitet, in denen sie Verstöße gegen zentrale WTO-Prinzipien wie die Meistbegünstigungspflicht (MFN) oder die Bindung an maximal zulässige Zollsätze geltend machen.
Auch in den USA regt sich juristischer Widerstand: Im Mai 2025 erklärte der U.S. Court of International Trade in einem Grundsatzurteil (z. B. V.O.S. Selections, Inc. v. United States) bestimmte Exekutivmaßnahmen im Zollbereich für unrechtmässig. Die Anwendung des International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) wurde als unzulässig bewertet – Handelsungleichgewichte seien kein „aussergewöhnlicher nationaler Notstand“. Das Gesetz, so das Gericht, enthalte keine Rechtsgrundlage für pauschale Zollerhebungen. Auch der U.S. Court of Appeals für den Federal Circuit zeigte sich zuletzt in einer Anhörung skeptisch gegenüber der Auslegung des Gesetzes durch die Exekutive.
Diese Entwicklungen untergraben das weit verbreitete Narrativ, US-Sanktionen seien unangreifbar oder durch nationale Sicherheitsinteressen stets gedeckt.
Was folgt daraus für die Schweiz?
- Rechtliche Beobachtung intensivieren Die Schweiz sollte die laufenden Verfahren in den USA und bei der WTO aufmerksam beobachten und daraus eigene strategische Schlüsse ziehen – etwa zur Formulierung einer eigenen rechtlich fundierten Position.
- Multilaterale Druckstrategien stärken Gemeinsam mit gleichgesinnten Staaten (z. B. EU, EFTA, Kanada, Australien) könnte ein koordiniertes Vorgehen geprüft werden – etwa durch kollektive WTO-Konsultationen, gemeinsame Erklärungen oder abgestimmte diplomatische Initiativen.
- Narrativ setzen: Recht statt Retorsiom Öffentlichkeitswirksam kann die Schweiz auf ihre Haltung pochen: keine Vergeltung, sondern internationale Rechtsstaatlichkeit. Damit stiftet sie Glaubwürdigkeit, die über den konkreten Konflikt hinausreicht – gerade im geopolitischen Wettbewerb der Systeme.
- Ein „Gentlemen’s Club“ für regelbasierten Handel? Mittelfristig könnte die Schweiz zur Gründung eines informellen Bündnisses wirtschaftlich offener und regelorientierter Staaten beitragen – etwa im erweiterten Kreis der G21, EFTA, ASEAN, Chile, Südkorea oder Singapur. Ziel wäre es, im Sinne multilateraler Handelsarchitektur für Stabilität, gegenseitige Unterstützung und gemeinsame Positionierung gegenüber exterritorialem Handelsdruck zu sorgen. Ein solcher „Gentlemen’s Club“ wäre kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zu WTO und CPTPP – mit Fokus auf Solidarität, Transparenz und Rechtsbindung.
Trumps Executive Order vom 12. Mai 2025 – das Ende der Geduld mit Big Pharma
Mit der Executive Order „Delivering Most-Favored-Nation Prescription Drug Pricing to American Patients“ erhöht Trump den Druck massiv – nach monatelang ergebnislosen Gesprächen mit der Industrie. Er fordert keine Absichtserklärungen mehr, sondern sofortige Preissenkungen.
Trump-Zitat: „Unsere Bürger zahlen massiv höhere Preise für dieselbe Pille, aus derselben Fabrik… Wir finanzieren günstige Medikamente im Ausland und zahlen zuhause Wucherpreise.“ Trumps Ziel ist klar:
• Schluss mit den Preisunterschieden zwischen den USA und Europa/Japan/Kanada
• Faire Preise für amerikanische Patienten
• Weniger Profite auf Kosten der US-Steuerzahler
• Direkter Druck auf Unternehmen, die global differenziert kalkulieren
Goldexporte – ein statistisches Missverständnis mit politischem Risiko
Die massiven Goldexporte der Schweiz in die USA sind in erster Linie ein Finanz- und Logistikkonstrukt – kein Ausdruck eines echten Handels. Sie verzerren die offiziellen Handelsstatistiken und lassen den Schweizer Warenhandelsüberschuss künstlich höher erscheinen – ein gefundenes Fressen für die US-Seite. Die Sorge des Goldverbands vor Zöllen ist nicht unbegründet: Auch wenn Gold aktuell ausgenommen ist, bleibt das politische Risiko real.
Ein strategisch sinnvoller Weg wäre eine bilaterale Vereinbarung – idealerweise unter Einbezug von SNB, dass Goldtransfers statistisch gesondert behandelt werden und nicht als handelsrelevantes Defizit gewertet werden.
Langfristige Antworten: Standort, Resilienz, Selbstvertrauen
Die Schweiz muss ihr wirtschaftliches Fundament stärken – nicht nur durch Steuerpolitik und Bildung, sondern auch durch resilientere Lieferketten, strategische Infrastruktur und gezielte Innovationsförderung. Aussenwirtschaftlich bedeutet das: Strategisches Selbstvertrauen statt reaktiver Anpassung.Die Schweiz darf offen bleiben, ohne naiv zu sein – und Prinzipien wahren, ohne unflexibel zu wirken.
USA als "Vater"? – Vielleicht sind wir längst erwachsen
Muss die USA wirklich unser „Vater“ sein – oder sind wir als souveräner Standort endlich erwachsen?
Die wirtschaftliche Verflechtung mit den USA ist unbestritten: Allein 2023 erreichten die Schweizer Warenausfuhren in die USA über 56 Mrd. USD; der bilaterale Handelsumfang liegt bei knapp 186 Mrd. USD.
Doch viele dieser Abhängigkeiten sind historisch gewachsen – nicht strategisch gestaltet. Wenn Finanzmärkte, Währungsmarkt und selbst Staatsanleihekäufe über Jahrzehnte hinweg durch dieses Gefüge getragen werden, ist das eher eine Last der Geschichte als ein Zukunftsmodell.
Jetzt ist der Moment, erwachsen zu werden – für Europa, mit der Schweiz als Vorreiterin: Ein eigenständiger, souveräner Kurs würde uns widerstandsfähiger machen – auch gegenüber politischen Überraschungen wie Strafzöllen.
Auch wenn diese Zölle wirtschaftlich schmerzhaft sind - Ich trage sie lieber mit Würde als mit unterwürfigem Appeasement. Es gibt immer Lösungen. Pragmatismus und strategische Diversifizierung sind gefragt – Europa, Asien, neue Märkte. Unsere Unabhängigkeit darf nicht länger gutes Benehmen sein, sondern muss zur strategischen Stärke werden. Im Pharmabereich wird uns die Lösung so oder so teuer zu stehen kommen. Denn sind Investionen mal getätigt, gibt es kein zurück. Es gilt nun, im Pharmabereich alle Mittel auszuloten.
Fazit: Souveränität durch strategische Offenheit
Die Schweiz ist durch US-Zölle hart getroffen – doch sie hat auch Instrumente in der Hand. Jetzt geht es darum, souverän zu agieren statt reflexhaft zu reagieren:
- Neue Märkte aktiv erschliessen, ohne alte zu verlieren
- Standort Schweiz stärken – technologisch, rechtlich, steuerlich
- Exportförderung öffnen – für neue Ideen, neue Partner und Finanzierung guter Projekte
- China als Markt gestalten – nicht als Risiko blockieren
- Mit der EU modernisieren – auch ohne institutionellen Rahmen
- Und: Den US-Markt nicht aufgeben – sondern durch Standortattraktivität lokal neu Tech-Firmen binden
- Eingeständnisse im Pharmabereich.
Die Schweiz betreibt keine Machtpolitik – aber sie kann kluge Politik machen. Jetzt muss sie zeigen, dass wirtschaftliche Offenheit und strategische Stärke keine Gegensätze sind. Im Gegenteil: Sie sind zwei Seiten derselben souveränen Antwort auf eine neue Weltlage.