Unser Fazit: Rechtlich zweifelhaft und wirtschaftlich unwirksam

Einleitung: Strafzölle unter Trump 1.0 und 2.0

Donald Trump hat während seiner ersten Amtszeit (oft als Trump 1.0 bezeichnet) eine aggressive Zollpolitik verfolgt: 2018 führte er Sonderzölle von 25 % auf Stahlimporte und 10 % auf Aluminiumimporte ein, gefolgt von umfassenden Strafzöllen auf chinesische Waren. Diese Massnahmen sollten laut Trump Amerikas dauerhaftes Handelsbilanzdefizit reduzieren, das er für den Verlust von Industriejobs verantwortlich machte. Exporte galten ihm als Gewinn, Importe als Verlust – ein eindeutig merkantilistisches Weltbild. Für seine mögliche zweite Amtszeit (Trump 2.0) hat er sogar pauschale Importzölle von 10–20 % angekündigt. Im April 2025 könnte es nun, in seiner zweiten Amtszeit, soweit sein. Doch wie rechtmässig sind diese Zölle im Rahmen der WTO-Regeln, und welche wirtschaftlichen Wirkungen haben sie wirklich?

Handelsbilanzdefizite: Mythen und Realität

Ein zentrales Motiv für Trumps Zölle war das hohe Handelsbilanzdefizit der USA. Trump bezeichnete das Defizit als Beleg dafür, dass die USA im Handel verlieren. Dieses Denken folgt einem überholten Muster.

Der ehemalige Schweizer Handelsdiplomat Didier Chambovey stellt in seinem Essay „Blame it on the trade deficit!“ klar, dass ein Handelsbilanzdefizit weder per se gut noch schlecht ist. Es ist das Resultat eines Ungleichgewichts zwischen Ersparnissen und Investitionen – eine grundsätzliche makroökonomische Identität. Die USA verzeichnen Defizite, weil sie mehr investieren als sie sparen und das durch Kapitalimporte finanzieren können. Solange diese Mittel in produktive Investitionen fliessen, ist ein Defizit sogar wachstumsfördernd. Problematisch wird es nur, wenn es auf Konsum basiert oder eine kritische Grösse erreicht.

„Warum diese fixe Idee, dass Handelsbilanzdefizite schädlich sind? Es ist ein Rückgriff auf eine alte diskreditierte Idee namens Merkantilismus. Sie besagt: Eine positive Handelsbilanz ist gleichbedeutend mit einer starken Wirtschaft – Ende der Geschichte! Doch bekanntlich entspricht die Handelsbilanz – beziehungsweise die Leistungsbilanz – auch der Differenz zwischen Investitionen und Ersparnissen. Wenn Trump etwas tut, was die Investitionen einbrechen lässt, würde dies die Handelsbilanz der USA verbessern. Doch das wäre fatal für die US-Wirtschaft.“

– Barry Eichgreen

Barry Eichengreen, Ökonom an der University of California in Berkeley, beschreibt in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung Trumps Sichtweise als merkantilistisch: Eine Vorstellung, wonach nur ein Exportüberschuss eine starke Wirtschaft beweise. Diese sei ökonomisch diskreditiert. Eichengreen betont, dass die Handelsbilanz vielmehr ein Spiegel der heimischen Spar- und Investitionstätigkeit sei. Wenn Trump Investitionen durch wirtschaftspolitische Unsicherheiten senke, könne dies die Handelsbilanz verbessern – aber nur durch einen volkswirtschaftlichen Schaden.

Wirkung der Strafzölle: Kein Heilmittel gegen Defizite

Tatsächlich haben die Strafzölle in Trumps erster Amtszeit das Gesamtdefizit nicht reduziert. Zwar sank das bilaterale Defizit mit China, jedoch stiegen die Defizite mit anderen Ländern wie Vietnam oder Mexiko. Das Importvolumen wurde lediglich verlagert.

Chambovey stellt klar: Zölle können ein Handelsdefizit nur dann reduzieren, wenn sie die nationale Spar- und Investitionsbilanz verändern – was selten der Fall ist.

Zudem verteuerten die Zölle für viele US-Unternehmen die Produktion, da Vorprodukte aus dem Ausland plötzlich zusätzlich verzollt wurden. Konsumentenpreise stiegen, ohne dass sich das industrielle Gleichgewicht entscheidend verschob. Die Strafzölle lösten in vielen Fällen Vergeltungszölle aus, was Exportbranchen der USA traf und die Unsicherheit auf globalen Märkten erhöhte.

WTO-rechtliche Bewertung

Die rechtliche Grundlage für Trumps Zölle war oft die sogenannte nationale Sicherheitsausnahme gemäss Artikel XXI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT). Die WTO hat diese Argumentation jedoch in mehreren Verfahren zur Trump-Politik abgelehnt.

Im Fall DS544, bei dem es um die Zölle auf Stahl und Aluminium ging, urteilte ein WTO-Schiedsgericht 2022, dass die Massnahmen nicht durch Artikel XXI GATT gedeckt seien. Die Berufung auf nationale Sicherheit sei im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt gewesen. Auch führten diskriminierende Ausnahmen für bestimmte Länder und Überschreitungen vereinbarter Zollsätze zu eindeutigen WTO-Rechtsverstössen.

Ein weiteres Urteil zu den China-Zöllen, gestützt auf die Section 301 des US-Rechts, bestätigte 2020 die WTO-Widrigkeit der Massnahme. Die USA argumentierten, China habe durch Technologietransfers WTO-Recht verletzt. Die WTO erkannte zwar an, dass es wirtschaftliche Spannungen gebe, verwarf aber die Zölle als nicht rechtskonform.

Besonders kritisch ist, dass die USA diese Entscheidungen nicht akzeptierten und teilweise Berufung einlegten, obwohl das Berufungsgremium der WTO seit 2019 wegen US-Blockade nicht mehr arbeitsfähig ist. Dadurch entzieht sich Washington effektiv der Kontrolle durch das WTO-System. Dies schwächt die internationale Rechtsordnung im Handel erheblich.

Fazit

Trumps Zollpolitik basiert auf ökonomisch überholten Vorstellungen des Merkantilismus und hat sich weder als wirksam noch als WTO-konform erwiesen. Die Zölle verfehlten ihr Ziel, das Handelsdefizit zu verringern, und fügten sowohl der US-Wirtschaft als auch dem multilateralen Handelssystem Schaden zu. Die WTO hat mehrfach klar festgestellt, dass diese Massnahmen gegen das geltende Handelsrecht verstossen.

„Es ist erstaunlich, dass selbst an der WTO kaum offen über die WTO-Widrigkeit der Trumpschen Zollpolitik gesprochen wird – obwohl das eigentlich offensichtlich ist. Schon unter Trump 1.0 wurden die Zölle mehrfach für rechtswidrig erklärt, und unter Trump 2.0 bemüht man sich nicht einmal mehr um eine ernsthafte Rechtfertigung. Die vorgebrachten Argumente wirken zunehmend absurd – etwa der Vergleich von Mehrwertsteuer mit Zöllen.“

– Claudia Feusi, Gesellschafterin ZFEB Customs & Trade Consultants

Wir können uns beim besten Willen nicht vorstellen, dass so eine Politik langfristig Bestand haben kann. Auch für Schweizer Unternehmen ist diese Entwicklung relevant: Die USA zeigen sich als unberechenbarer Handelspartner, der das regelbasierte System gezielt untergräbt. Die WTO als Garant für fairen Handel wird dadurch geschwächt. Es bleibt zu hoffen, dass andere Staaten, darunter auch die Schweiz, sich weiter für regelbasierten Handel und funktionierende Streitschlichtung einsetzen.

Quellen:

  • Didier Chambovey: «Blame it on the trade deficit! Misconceptions about a complex macroeconomic concept», Telos, 2025.
  • Barry Eichengreen: «Liberation Day, Trump und der Dollar», Interview mit der NZZ, 31.03.2025.
  • WTO Dispute DS544: United States – Certain Measures on Steel and Aluminium Products.
  • WTO Dispute DS543: United States – Tariff Measures on Certain Goods from China.
  • Project Syndicate / Maurice Obstfeld: „America’s Deficit Attention Disorder“, 2024.
  • USTR / White House Policy Statements 2025.
  • Eigene Analyse auf Basis der WTO-Datenbank