Stand: März 2025
Überblick über die Massnahme
Am 24. März 2025 unterzeichnete Präsident Donald J. Trump eine Executive Order, mit der die Vereinigten Staaten sogenannte „Sekundärzölle“ in Höhe von 25 % auf alle Importe aus Ländern verhängen können, die direkt oder indirekt Rohöl oder Erdölerzeugnisse aus Venezuela beziehen. Die Massnahme tritt am 2. April 2025 in Kraft. Ziel ist es, den internationalen Handel mit venezolanischem Öl so weit wie möglich einzudämmen und damit die wirtschaftlichen Grundlagen des Nicolás-Maduro-Regimes weiter zu schwächen.
Die Executive Order erlaubt es, den betroffenen Ländern Handelszölle aufzuerlegen, die zusätzlich zu bestehenden Zöllen (etwa aus früheren Handelskonflikten oder Sanktionsmassnahmen) Anwendung finden. Dies kann – je nach betroffenen Produkten – zu einer kombinierten Zollbelastung von bis zu 70 % oder mehr führen.
Charakter der Massnahme: Zwischen Zollpolitik und Sanktion
Die Massnahme ist juristisch als Erweiterung bestehender Sanktionsmassnahmen gegen Venezuela zu verstehen, wird aber formal über das Zollregime abgewickelt. Sie kombiniert Elemente klassischer Importzölle mit dem Druckmechanismus sogenannter sekundärer Sanktionen – also Massnahmen gegen Drittländer, die mit einem sanktionierten Staat Handel treiben. Im Gegensatz zu gezielten Finanzsanktionen gegen Einzelunternehmen betrifft der neue Zollsatz alle Importe eines Landes, unabhängig davon, welches Unternehmen die Transaktionen durchführt.
Ein zentrales Element ist die Möglichkeit, die Zölle flexibel auf einzelne Länder anzuwenden oder auch auszusetzen. Diese Entscheidung liegt im Ermessen des US-Aussenministers, der ab dem Inkrafttreten der Executive Order befugt ist, die Massnahme individuell auf betroffene Staaten zu übertragen. Damit wird ein hoher politischer und diplomatischer Handlungsspielraum geschaffen, der potenziell auch als Verhandlungsinstrument genutzt werden kann.
Laufzeit und Bedingungen zur Aufhebung
Die Verordnung sieht eine automatische Ausserkraftsetzung der Strafzölle ein Jahr nach dem letzten Import venezolanischen Öls durch das betroffene Land vor. Wird der Handel mit venezolanischem Öl also vollständig eingestellt, endet die Zollpflicht ein Jahr später automatisch – oder früher, wenn der Handelsminister gemeinsam mit dem Aussenminister dies beschliesst. Damit wird eine gezielte Anreizstruktur geschaffen: Der wirtschaftliche Druck soll zum Verzicht auf venezolanisches Öl führen, ohne dass ein dauerhaftes Embargo erforderlich ist.
Juristische Grundlage
Die Massnahme stützt sich auf den International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) in Verbindung mit einem fortbestehenden nationalen Notstand bezüglich Venezuela, der ursprünglich 2015 ausgerufen und seither regelmässig verlängert wurde. Dieser nationale Notstand gestattet es dem Präsidenten, weitreichende wirtschaftliche Zwangsmassnahmen gegen Staaten oder Unternehmen zu ergreifen, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit oder Aussenpolitik der Vereinigten Staaten eingestuft werden.
Die Executive Order nennt ausdrücklich den IEEPA sowie weitere handelsrechtliche Befugnisse, insbesondere die Sektionen 232 (Trade Expansion Act von 1962) und 301 (Trade Act von 1974), als Grundlage. Eine neue gesetzliche Grundlage durch den Kongress war nicht erforderlich.
Betroffene Länder
Hauptziel der Massnahme ist der wichtigste internationale Abnehmer venezolanischen Öls: China. Nach US-Schätzungen werden derzeit mehr als die Hälfte der venezolanischen Ölexporte – direkt oder über Drittländer – in die Volksrepublik geliefert. Die Executive Order erfasst daher auch Importe über Sonderverwaltungszonen wie Hongkong oder Macau, sofern der Zoll gegen China angewendet wird.
Weitere potenziell betroffene Länder sind insbesondere Spanien, Indien, Russland, Singapur und Vietnam, die laut US-Angaben entweder direkt venezolanisches Öl importieren oder über Tauschgeschäfte an diesem Handel beteiligt sind. Die Verordnung eröffnet ausdrücklich die Möglichkeit, auch verbündete Staaten mit der Massnahme zu belegen – der Entscheidungsspielraum der US-Regierung ermöglicht jedoch, Ausnahmen oder Aufschübe für befreundete Nationen zu gewähren.
Durchsetzung und praktische Hürden
Die Herausforderung der Umsetzung liegt vor allem in der Nachweisbarkeit des Herkunftslands importierten Öls. Die Executive Order bezieht sich ausdrücklich auch auf indirekte Importe, etwa über Drittstaaten, Handelspartner oder vermischte Tankladungen. Die Verantwortung für die Feststellung, ob ein Land venezolanisches Öl importiert hat, liegt beim US-Handelsminister, der dabei auch externe Quellen und Geheimdienstinformationen heranziehen kann.
Eine wirksame Durchsetzung setzt umfangreiche Kontrollmechanismen und Nachverfolgung der internationalen Rohölströme voraus. Diese ist technisch möglich, jedoch aufwendig und in vielen Fällen nur mit Verzögerung oder Unsicherheit umsetzbar.
Internationale Reaktionen
Die Reaktion der venezolanischen Regierung war erwartungsgemäss ablehnend. Offizielle Stellen bezeichneten die Massnahme als völkerrechtswidrig, willkürlich und als weiteres Beispiel für die extraterritoriale Anwendung von US-Recht. Auch aus betroffenen Staaten werden in den kommenden Wochen diplomatische Schritte erwartet – insbesondere dann, wenn die Massnahmen tatsächlich zur Anwendung kommen und wirtschaftliche Folgen eintreten.
Die US-Regierung verweist in der Executive Order auf die Bedeutung der Massnahme zur Wahrung der nationalen Sicherheit und betrachtet die Strafzölle nicht als Verletzung internationalen Handelsrechts, sondern als Teil eines wirtschaftlichen Druckmittels im Rahmen aussenpolitischer Interessen.
Bewertung und Ausblick
Die „Sekundärzölle“ markieren eine neue Stufe der wirtschaftspolitischen Instrumente im US-amerikanischen Sanktionsregime. Durch ihre Kopplung an bestehende Notstandsgesetzgebung sind sie formell rechtsgültig, auch wenn eine gerichtliche Überprüfung durch betroffene Unternehmen oder Staaten nicht ausgeschlossen ist.
In der Praxis hängt die Wirksamkeit der Massnahme entscheidend von der Bereitschaft anderer Staaten ab, sich dem Druck zu beugen – und von der Fähigkeit der USA, die Einhaltung glaubwürdig zu überprüfen. Auch aus wirtschaftspolitischer Sicht könnte die Massnahme Folgekonflikte hervorrufen – etwa in Form von Gegenmassnahmen, Lieferengpässen oder steigenden Rohölpreisen.
Gleichzeitig bietet die flexible Gestaltung der Massnahme der US-Regierung zahlreiche diplomatische Steuerungsoptionen. So kann der Zoll sowohl als Sanktionsinstrument als auch als Anreiz zur Kooperation eingesetzt werden. Politisch betrachtet stärkt die Massnahme die Position Washingtons gegenüber China und anderen strategischen Akteuren – bleibt jedoch in ihrer Durchsetzung mit Unsicherheiten behaftet.
Offizielle Quellen (USA):
Executive Order zur Einführung von Sekundärzöllen (Volltext):
Präsidentenerklärung zum Notstand in Bezug auf Venezuela (Verlängerung 2025):
Gesetzliche Grundlage IEEPA (International Emergency Economic Powers Act):
https://uscode.house.gov/view.xhtml?req=granuleid:USC-prelim-title50-section1701
US Department of State – Pressemitteilung zur Massnahme:
https://www.state.gov/additional-sanctions-on-imports-linked-to-the-maduro-regime