Die Schweiz steht vor einer der umfassendsten Reformen der Zollorganisation seit Jahrzehnten. Mit dem Programm Dazit wurde ein Mammutprojekt initiert, das aus verschiedenen Teilprojekten besteht.  Ziel ist die Harmonisierung und Digitalisierung sämtlicher Abläufe zum Wohl von Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft. Nachfolgend Analysieren wir die Grundlagen als auch kritische Stimmen.
Vollständige Digitalisierung, mehr Sicherheit und die Vereinfachung der Abgabeverfahren: Die Ziele und Auswirkungen der neuen Zollgesetzgebung
Totalrevision des Zollgesetzes – Wie die Schweiz ihren Grenzverkehr und die Zollprozesse neu erfindet
 

Die Ausgangslage: Herausforderungen und Reformbedarf

Das stetige Wachstum des internationalen Handels, der Boom im Onlinehandel sowie sicherheitspolitische Entwicklungen – wie Pandemie oder geopolitische Krisen – haben die Anforderungen an  Zoll erhöht, genauso wie die Digitalisierung. Die bisherigen Prozesse sollen modernisiert werden. Die täglichen Systemausfälle durch Überlastung der bestehenden Infrastuktur des Zolls waren Grund dazu genug - doch jetzt ist gleich ein Mamutprojekt daraus entstanden, dass eine ganze Reform der Zollverwaltung ausgelöst hat - von neuem Namen BAZG bis hin zu neuer Organisationsaufstellung, neuen Technologien, Zukunftsvisionen, neuen Gesetzen. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass es zu viel auf einmal ist in der sonst eher beständigen Verwaltung. Die Schnittstellen wurden unterschätzt. Zugleich ist unschwer zu erkennen, dass die Intereressen und Absichten einzelner Wirtschaftsbeteiligten unterschiedlich sind. Dies macht es dem BAZG besonders schwer, Prioritäten und Rückmeldungen abzuwägen. Auch die Schnittstellen mit über 50 weiteren Ämtern lassen sich kaum einheitlich gestalten, wo die eigentliche Vereinfachung liegen würde. Dazit wird in mehrere Teilprojekte eingeteilt, insbesondere: die Reorganisation der Zollverwaltung, die Restukturierung von Zollabläufen (u.a. Passar) und  die Totalrevision des Zollgesetzes. Letzteres ist für Dazit nicht zwingend notwendig, wir durchleuchten die Ausgangslage, Kritikpunkte und Timeline in diesem Artikel genauer. Als neue Rahmengesetz soll das Zusammenspiel von Warenverkehr, Personenströmen und Zollabgaben komplett neu gestaltet werden.
Die weiterführende Digitalisierung und Vereinfachung der Zollprozesse ist ein entscheidender Schritt, um den Wirtschaftsstandort Schweiz zu stärken und den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden. Die Totalrevision des Zollgesetzes jedoch eine zusätzliche stark umstrittene Thematik.

Strategie DaziT: Der Weg zur Digitalisierung und Vereinfachung

Das Transformationsprogramm DaziT bildet das Herzstück der Zollreform. Bis spätestens Ende 2026 soll der gesamte Abgabenerhebungs- und Kontrollprozess des BAZG vollständig digitalisiert werden. DaziT vereinfacht nicht nur Formalitäten, sondern ermöglicht meldefreie Grenzübertritte, automatisierte Risikoanalysen und ortsunabhängige digitale Einreichung von Warenanmeldungen inkl. Begleitdokumenten. Das Ziel: Reduzierter administrativer Aufwand, mehr Transparenz und effizientere Prozesse für Unternehmen wie auch Privatpersonen. Passar ist ein Schlüsselbegriff, der nur ein Teilbereich von Dazit aufgreift.
Mehr Informationen zur Gesetzesrevision

Neue Gesetzesstruktur: BAZG-VG und Zollabgabengesetz (ZoG)

Die Reform im Bereich "neues Zollrecht" teilt das Zollrecht in zwei zentrale Normen: Das neue Rahmengesetz (BAZG-VG) regelt alle prozessualen Aufgaben und Kontrolltätigkeiten des BAZG, während das ZoG ausschliesslich die Abgabenerhebung, Bemessung und Sanktionen umfasst. Damit wird das materielle Recht stark vereinfacht, wobei insbesondere die Vereinheitlichung aller vom BAZG geführten Abgabeverfahren und die Schaffung eines digital unterstützten Standardprozesses im Fokus stehen. Die Höhe der Abgaben und die Abgabepflicht bleiben davon unberührt.
Vereinfachte Darstellung der neuen Gesetzesstruktur
Die vollständige Botschaft zur Gesetzesrevision kann in der offiziellen Publikation (PDF) eingesehen werden.

Risikobasierte Kontrollen, Datenschutz und neue Befugnisse

Ein zentrales Anliegen der Gesetzesnovelle ist die risikobasierte Gewichtung bei Kontrollen. Mittels moderner Datenbearbeitung und risikoorientierter Analysen können gezielte Überprüfungen von Waren, Personen und Transportmitteln erfolgen, ohne den Grenzübertritt unnötig zu verzögern. Gleichzeitig werden die Grundsätze der Datenbearbeitung an das revidierte Datenschutzgesetz angepasst. Das BAZG möchte dazu neue Kompetenzen, etwa zur Durchführung von DNA-Proben bei bestimmten Personenkontrollen – aber auch weiteren Kompetenzen, die Schnittstellen mit Kantonen und anderen Ämtern verursachte. Ein Thema, das politisch kontrovers diskutiert un fast zum Scheitern des Projekts führte.
Die Balance zwischen Sicherheit und Privatsphäre bleibt eine der grössten Herausforderungen der modernen Grenzkontrolle.
Die parlamentarischen Debatten zu diesem Thema können auf Douana nachgelesen werden.

Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft: gemäss Angaben des BAZG

Die Revision durch Dazit insgesamt bringt laut Versprechen des BAGZ weitreichende Vorteile für Unternehmen: Die elektronische Abwicklung von Zollformalitäten, Wegfall bestimmter Meldepflichten und die Möglichkeit, Anmeldungen unabhängig vom Grenzübertrittsort einzureichen, reduzieren Kosten und beschleunigen Lieferketten. Konsumentinnen und Konsumenten profitieren von einer flexibleren, zeitgemässen Zollabwicklung. Gleichzeitig stärken die neuen Rahmenbedingungen die innere Sicherheit, da das BAZG effizienter und mit modernen Mitteln auf neue Bedrohungen reagieren kann. Das alles unter dem Hut Dazit.
Erwartete Effizienzgewinne durch die Zollreform

Auwirkungen in der Realität: Kontroversen, Kompromisse und Kritikpunkte

Dazit, aber insbesondere das Gesetzgebungsverfahren, war bisher von höchst intensiven Debatten geprägt. Während die Mehrheit im Parlament die Notwendigkeit der Vereinfachung und Digitalisierung betonte, äusserten Kritiker zahlreiche Bedenken hinsichtlich föderalistischer Kompetenzen, Datenschutz und der Übertragung polizeilicher Aufgaben an den Zoll. Besonders umstritten waren die Kompetenzerweiterungen beim BAZG (z. B. Waffenbefugnisse und DNA-Proben) sowie die geplante Lockerung der Anmeldepflicht für nicht abgabepflichtige Waren, die schliesslich nach erneuter Prüfung verworfen wurde. Die neuen Rechtsgrunlagen beruhen auf zahlreichen Kompromissen. Auch wurde im Vorfeld der Umgangston  und das Vorgehen des ehemaligen Direktors stark gerügt, was zu einer Neubesetzung durch Herr Pascal Lüthi führte, der versucht, das Projekt in ruhigere Bahnen zu lenken.

Es wird auch bemängelt, dass bis heute keine nachvollziehbare Begründung dafür vorliegt, dass für die angestrebte vollständige Digitalisierung der Zollprozesse ein komplett neues Gesetz erforderlich ist. Zudem liegen aktuell die Ausführungsbestimmungen (Verordnungen, Dienstvorschriften), die es wahrscheinlich in sich haben werden, noch nicht vor. Dies gilt vor allem für den Vollzug der nichtzollrechtlichen Erlasse (NZE bzw. neu nichtabgabenrechtliche Erlasse NAE). Der Nachweis, dass die neuen Verfahren tatsächlich einfacher und kostengünstiger sein werden, fehlt aktuell. In einigen Bereichen könnte es sogar komplizierter werden.

Beispiele:

  • Referenzierung: Die automatische Aktivierung mit der dafĂĽr vorgesehenen Referenzierung kann zu WidersprĂĽchen und Ungereimtheiten im grenzĂĽberschreitenden Warenverkehr fĂĽhren. Alle Beteiligten mĂĽssen vorerst mit Mehraufwand rechnen.
  • Provisorische Verzollung: Diese ist nicht mehr vorgesehen. AnsprĂĽhe mĂĽssen nachträglich auf dem Weg der Einsprache geltend gemacht werden.
  • Abgaben und NZE: Gemäss bisherigem Recht sind die eigentlichen Zollaufgaben und die anderen Steuern und Abgaben sowie der Vollzug der NZE zwar in allgemeiner Form miteinander verknĂĽpft. Die Vollzugsvorschriften sind aber nicht im Zollgesetz und den entsprechenden Verordnungen, sondern in den Spezialerlassen enthalten. Neu  werden viele Verfahren und Aufgaben aus den Spezialerlassen gestrichen. Die Aufnahme dieser Bestimmungen macht das Gesetz schwerfällig, unĂĽbersichtlich und in letztendlich unberechenbar. Dazu werden neue Verantwortlichkeiten geschaffen (fĂĽr Transport, Waren und Daten).
  • Vereinfachungen: Die Details mĂĽssen auf Verordnungsstufe geregelt werden. Der Mehraufwand fĂĽr Administration und Kontrollen kann noch nicht bestimmt werden.

Ziel der Gesetzesrevision war nicht nur die vielgepriesene Digitalisierung, sondern auch die Transformationen des BAZG. An der Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen im Polizeibereich  ändert sich faktisch jedoch nichts. Gemäss Botschaft kostet DaziT den Bund ca. 400 Mio CHF. Darin nicht enthalten sind die Kosten für Immobilien, die mehrere hundert Millionen Franken ausmachen werden. Es dürfte immer wieder Thema werden, ob diese Kosten eingehalten und die versprochenen Vereinfachungen und Einsparungen erzielt werden können.

      Detaillierte Informationen zu den parlamentarischen Geschäften finden Sie in der Curia Vista Datenbank.

Ein neuer Rahmen fĂĽr die Zukunft des Schweizer Zolls

Neben der Neudefinition von Zuständigkeiten und Prozessen wurde die organisatorischen Strukturen verändert; die bisherigen zivilen Zollfachleute und Grenzschutzbeamten übernehmen künftig einheitliche Ausbildungen wahr. Diese Aspekte wurden zollintern stark kritisiert. Ein nachvollziehbarer Kritikpunkt ist  beispielsweise die fehlende Trennung zwei komplett unterschiedlicher Berufsfelder mit unterschiedlichen Anwärter:Innen, Aufgabenbreichen und Anforderungen. Die Modernisierung soll letzlich dazu dienen, internationale Standards zu erfüllen und die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Standorts zu sichern. Dies kann nur gewährleistet werden, wenn fachkundige Zöllner:Innen im Einsatz bleiben. Die Freude an der Reform bleibt daher zurückhaltend.
Das Projekt Passar ist dabei bereits im vollen Gange, der Zeitplan wirkt für die Wirtschaftsbeteiligten hektisch, weil die Vereinfachungen nicht greifbar sind. Zuerst hätten die gesetzlichen Rahmenbedingungen sauber abgeschlossen werden müssen. Für Passar selbst wären nur minimale Anpassungen im bestehenden Zollrecht nötig. 
Kantone mit Grenzübergängen in der Schweiz
 
Die Zollreform könnte ein Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen, effizienten und zukunftsfähigen Verwaltung werden, die den Bedürfnissen von Wirtschaft und Gesellschaft gerecht wird. Dieses Ziel ist aktuell noch nicht greifbar, aber eine lobenswerte Vision. Die Stakeholder des BAZG haben unterschiedliche Vorstellungen und es ist schwierig, diese alle unter den Hut zu bringen. 
 
Letzte Aktualisierung: 28. Mai 2025, Autorin: Claudia Feusi 
Fazit: Mehr Effizienz und Sicherheit fĂĽr die Zukunft
Dazit markiert einen Wendepunkt und besteht aus mehreren Teilprojekten. Die Umsetzung bleibt ein Kraftakt, doch die Idee stimmt. In der Praxis muss sie sich noch deutlich bewähren. Mit dem Mammutprojekt hat sich das BAZG übernommen, nun muss es zu Ende geführt werden. Das Zollgesetz ist dabei eine eigene Thematik.