Listenregeln bestimmen, welche Be- oder Verarbeitung genügt, damit Waren mit Präferenznachweis zollbegünstigt gehandelt werden dürfen. Dieser Leitfaden erklärt, wie Sie die für Ihre Zolltarifnummer geltenden Kriterien finden, prüfen und dokumentieren – und wie die R‑30-Richtlinie des BAZG, die Toleranzregel sowie Wert- und Positionswechselkriterien in der Praxis zusammenwirken.
Wie Unternehmen Listenregeln korrekt prüfen, dokumentieren und nutzen – inklusive Richtlinie R‑30 des BAZG, Toleranzregel und Kombinationskriterien
Listenregeln in Freihandelsabkommen: System, Anwendung und Praxisleitfaden 2020–2025

Listenregeln und Ursprungskriterien in Freihandelsabkommen (R‑30, Schweiz)

– Quelle R‑30 BAZG und offizielle Abkommen
 

Begriff und Bedeutung der Listenregeln

Listenregeln – auch Listenkriterien genannt – definieren die Mindestbe- oder -verarbeitung, die ein Erzeugnis erfüllen muss, damit es als präferenzberechtigt gilt und mit Präferenznachweis zollbegünstigt importiert oder exportiert werden kann.Sie sind nach Zolltarifnummern (HS/KN) strukturiert und werden für jedes Freihandelsabkommen individuell festgelegt.Wichtig ist die Abgrenzung zu Ursprungsregeln im weiteren Sinn: Diese umfassen neben den Listenregeln auch allgemeine Bestimmungen zur Ursprungsermittlung, etwa Definitionen von Ab-Werk-Preis oder zur Bewertung von Vormaterialien.In der Praxis arbeiten Unternehmen mit zwei Ebenen: den allgemeinen Ursprungsbestimmungen eines Abkommens und den konkret anwendbaren Listenregeln pro Produktnummer. Der Präferenznachweis (z. B. ursprüngliches Warenverkehrsdokument oder Ursprungserklärung) darf nur ausgestellt werden, wenn das konkrete Listenmerkmal erfüllt ist – andernfalls drohen Nachbelastungen oder Sanktionen bei Prüfungen. Moderne Datenservices und Fachsysteme bilden die Listenregeln als logisch interpretierbare Bausteine (z. B. Wertregel, Positionswechsel) ab und verknüpfen sie mit den offiziellen Regeltexten, um Entscheidungen nachvollziehbar und auditfest zu machen.

Wann die Listenregeln verbindlich sind

Sobald ein Unternehmen Präferenzzölle nutzen möchte, werden die Listenregeln verbindlich: Sie entscheiden, ob ein Produkt präferenzursprünglich ist und mit Präferenznachweis in die Partnerländer eingeführt werden darf.Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein EFTA-, EU- oder bilaterales Abkommen handelt – in jedem Fall sind die listenbasierten Kriterien massgeblich.Eine Besonderheit ergibt sich, wenn ein Abkommen für bestimmte Kapitel keine eigene Zeilenregel ausweist: Dann greifen die allgemeinen, im Abkommenskörper festgelegten Alternativregeln (z. B. Wahlrecht zwischen Wertkriterium und Positionswechsel).Das gilt beispielsweise im Abkommen Schweiz–Japan für verschiedene Kapitel, für die die allgemeinen Regeln an den Anfang gestellt sind. Ein Präferenznachweis darf nur ausgestellt werden, wenn die anwendbare Listenregel – einschliesslich etwaiger Alternativen – erfüllt ist. Fehlt die Erfüllung, ist ein nichtpräferenzieler Ursprung anzuwenden und der Zollvorteil entfällt.

So recherchieren Sie die richtige Regel in R‑30

Die Schweizer Richtlinie R‑30 der Zollverwaltung (heute BAZG) ist die zentrale Arbeitsgrundlage: Sie enthält Erläuterungen, Verfahrensbestimmungen, nationale Rechtsgrundlagen und den wortgetreuen Auszug der Abkommen mit navigierbaren Listenregeln.In Teil 3 der Richtlinie sind die relevanten Abkommensabschnitte – inklusive Listenregeln – tabellarisch nach Abkommen und Kapiteln aufbereitet; farbliche Markierungen unterscheiden EFTA- von bilateralen Abkommen.Praktisch gehen Exporteure so vor: Identifikation der exakten Zolltarifnummer, Öffnen des passenden Abkommens in R‑30, Navigieren zum Kapitel/der Position und Prüfen, ob eine spezifische Zeilenregel existiert oder ob generelle Alternativen greifen.
Praxis-Tipp R‑30 Navigation
Fachbeiträge empfehlen zudem die Arbeit mit der Suchfunktion nach HS-Nummer, um die passende Regel schnell zu finden; wird keine spezifische Regel angezeigt, ist von allgemeinen Alternativen auszugehen und deren Voraussetzungen sind präzise zu prüfen.
Die Richtlinie wird fortlaufend um vereinfachende Bestimmungen aktualisiert (u. a. Übergangslösungen innerhalb der PEM-Zone mit alternativen Ursprungsregeln, die die bisherigen Regeln ablösen sollen). Offizielle R‑30 Richtlinie (BAZG)

Verständnis der Spalten und Schlüsselbegriffe

Die tabellarischen Listenregeln enthalten je nach Abkommen Typen von Kriterien und technische Schlüsselbegriffe.Zu den häufigsten Anforderungen zählen: Wertkriterium (begrenzter Anteil nichtursprünglicher Vormaterialien am Ab-Werk-Preis), Positionswechsel/Positionssprung (Change in Tariff Heading, meist auf 4-stelliger Ebene), kombinierte Regeln (z. B. Wertkriterium plus Positionswechsel) sowie spezifische Herstellungsprozesse.Im Abkommen Schweiz–Japan können für bestimmte Kapitel wahlweise eine Wertregel mit maximal 60 % Drittlandsanteil oder ein Positionswechsel auf 4-stelliger Ebene erfüllt werden.Die Tabellen enthalten ausserdem Fussnoten und Anmerkungen, die Ausnahmen oder Eingrenzungen definieren (z. B. Toleranzen, Ausschlüsse bestimmter Materialien oder Mindestverarbeitungen). Die richtige Interpretation setzt eine konsistente Definition von Ab-Werk-Preis und Vormaterialpreisen nach den allgemeinen Ursprungsbestimmungen des jeweiligen Abkommens voraus, die in R‑30 referenziert sind. Ab-Werk-Preis, Vormaterialbewertung und Verlinkung zum Regeltext sind zentrale Bausteine moderner Prüfsysteme.

Toleranzregel: Spielraum und Grenzen

Die Toleranzregel erlaubt in vielen Abkommen eine begrenzte Verwendung nichtursprünglicher Vormaterialien, die eigentlich gegen die Listenregel verstossen würden, solange definierte Prozentsätze oder Wertgrenzen nicht überschritten werden. Ihre genaue Ausgestaltung und Höhe hängt vom jeweiligen Abkommen ab und ist in R‑30 sowie den Abkommensanhängen ausgewiesen.Toleranzen greifen häufig nicht für Textilien bestimmter Kapitel oder für einzelne sensible Warengruppen und dürfen nicht dazu dienen, explizit ausgeschlossene Behandlungen zu kompensieren. Sie sind stets auf Basis des korrekt definierten Ab-Werk-Preises bzw. des einschlägigen Bewertungsmassstabs anzuwenden, wie in den allgemeinen Ursprungsbestimmungen vorgesehen.In der Praxis bedeutet dies: Zuerst die Primärregel prüfen (z. B. Positionswechsel), dann prüfen, ob einzelne nicht konforme Materialien innerhalb der zulässigen Toleranz liegen. Ausserdem sind Wechselwirkungen mit kumulativen Ursprungsregeln, Minimalbehandlungen und produktgruppenspezifischen Ausschlüssen zu beachten, wie sie in den jeweiligen Abkommen dargestellt sind.

Wertkriterium professionell anwenden

Das Wertkriterium begrenzt den Anteil nichtursprünglicher Vormaterialien am Ab-Werk-Preis oder fordert alternativ einen Mindestwert ursprünglicher Fertigung. Im Abkommen Schweiz–Japan ist für bestimmte Kapitel ein maximaler Drittland-Anteil von 60 % zugelassen, wenn statt des Positionswechsels die Wertregel gewählt wird.Methodisch entscheidend ist die korrekte Ermittlung des Ab-Werk-Preises, die Bewertung der Vormaterialien (mit und ohne Ursprung) sowie die lückenlose Beleglage. Viele Unternehmen stützen sich hier auf Systeme, die die originäre Regel in logische Prüfungen übersetzen und gleichzeitig den Regeltext dokumentieren.Typische Fehlerquellen sind die unklare Abgrenzung interner Kostenbestandteile, falsche Währungs- oder Stichtagslogik sowie Vermischung mit Nicht-Ursprungsrelevanz (z. B. Lieferantenerklärungen mit falschem Gültigkeitszeitraum). Best Practice: Periodische Aktualisierung der Kalkulationen, Sicherstellung der Lieferantenursprüngsnachweise, Szenario-Prüfungen für Materialänderungen und Audit-Trail, der auf R‑30 und den konkreten Abkommensanhang verweist.

Positionswechsel als Strukturregel

Der Positionswechsel (Change in Tariff Heading) verlangt, dass alle verwendeten nichtursprünglichen Vormaterialien eine andere 4-stellige HS-Position aufweisen als das Enderzeugnis. Diese Strukturregel vermeidet detaillierte Wertrechnungen und ist in vielen Abkommen eine Alternativ- oder Kombinationsanforderung.Im Schweiz–Japan-Abkommen besteht für bestimmte Kapiteln die Wahlfreiheit: Entweder Wertregel (z. B. 60 % Drittland-Anteil maximal) oder Positionswechsel auf 4-stelliger Ebene.Praxistipp: Prüfen Sie zuerst, ob alle Nichtursprungs-Vormaterialien bereits positionsmässig abweichen. Falls einzelne Materialien auf derselben 4-stelligen Ebene liegen, kann eine Toleranz (sofern zulässig) oder die alternative Wertregel die Lösung sein. Achten Sie auf Fussnoten in der Regelzeile: Bestimmte Materialgruppen sind ggf. vom Positionswechsel ausgenommen oder erfordern zustätzlich Mindestverarbeitungen. Dokumentieren Sie Ihre Tarifklassifikation und HS-Entscheidungen revisionssicher, da der Positionswechsel unmittelbar von korrekten Einreihungen abhängt.

Kombinationskriterien, PEM-Entwicklungen und Übergang 2020–2025

Viele Abkommen verwenden kombinierte Kriterien, etwa Wertregel plus spezifische Verarbeitung oder Positionswechsel plus Ausschlüsse bestimmter Vormaterialien. Die Richtlinie R‑30 navigiert durch diese Besonderheiten und verweist auf Entscheidungen gemischter Ausschüsse, die in der Praxis massgeblich sind.Innerhalb der PEM-Zone wurden seit 2020 schrittweise alternative Ursprungsregeln als Übergangslösung eingeführt, um die Anwendung zu vereinfachen; sie sollen die bisherigen Regeln zum 1.1.2026 ablösen, wobei bereits ab 2025 wesentliche Vereinfachungen möglich sind.Für Exporteure bedeutet das: Abkommensspezifische Wahlrechte prüfen, die aktuell gültige Regelversion gegen R‑30 abgleichen und Änderungen zeitnah in internen Kalkulationen und Lieferantenkommunikation nachziehen. Wo Abkommen Kapitel ohne spezifische Zeilenregeln belassen (wie beim Schweiz–Japan-Abkommen für bestimmte Bögen), gelten die vorn stehenden Alternativkriterien und müssen explizit gewählt und dokumentiert werden.Unternehmen, die auf datenbasierte Ursprungslogiken zurückgreifen, können Übergänge versionssicher abbilden und gleichzeitig den Regeltext zur Referenz einfrieren – ein Vorteil bei Prüfungen und Lieferantenanfragen.

Arbeitsschritte, Dokumentation und Fallbeispiele

  1. HS-Nummer des Enderzeugnisses validieren.
  2. Relevantes Abkommen ermitteln.
  3. In R‑30 zum Kapitel/der Position navigieren und die einschlägige Listenregel lesen; Prüfen, ob wahlweise Alternativregeln bestehen.
  4. Materialstückliste in Ursprungs- und Nicht-Ursprungsmaterialien trennen, Lieferantenerklärungen prüfen, Ab-Werk-Preis definieren.
  5. Primärregel prüfen (Positionswechsel oder Wertkriterium).
  6. Toleranzregel und Fussnoten beachten.
  7. Entscheidung dokumentieren, inkl. Regeltext-Referenz und Berechnungsscreenshots.
  8. Präferenznachweis nur ausstellen, wenn alle Bedingungen erfüllt sind.
Beispiel Suche nach Regeln: Fachbeiträge empfehlen, im PEM-Regelwerk mit der Suchfunktion nach der HS-Nummer zu arbeiten; findet sich keine spezifische Zeile, gilt die allgemeine Alternativregel, die entsprechend anzuwenden ist. Beispiel Schweiz–Japan: Für bestimmte Kapitel können Sie entweder die 60 %-Wertgrenze für Drittlandsanteile einhalten oder den 4-stelligen Positionswechsel nachweisen – beides ist zulässig, aber sauber zu begründen. Typische Pitfalls: Fehlende Aktualisierung bei Regeländerungen (PEM Übergang), falsche Einreihung von Vormaterialien, unvollständige Lieferantenerklärungen, Toleranzregel ohne Prüfung der Ausschlüsse. Empfehlung: Regelmässige R‑30-Checks, Systemunterstützung für Kalkulation und Dokumentation, interne Vier-Augen-Prüfungen.

Drei Visualisierungen für den schnellen Überblick

 
Hinweis: Inhalte basieren auf R‑30 und anerkannten Fachquellen. Für verbindliche Auslegung gilt der offizielle Regeltext.
Kernaussagen für die Praxis
Listenregeln sind der operative Kern jedes Freihandelsabkommens und werden über die Zolltarifnummer angewendet. R‑30 des BAZG liefert die verbindliche Referenz und Navigationshilfe. Wer Wert- und Positionswechselkriterien sowie die Toleranzregel systematisch prüft, kann Präferenzvorteile rechtssicher nutzen und Risiken bei Prüfungen minimieren.

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