Die Kumulation in den Schweizer Freihandelsabkommen erlaubt es, bestimmte Vormaterialien aus Partnerländern als ursprungsberechtigt einzusetzen. Dies begünstigt den Export von Fertigungswaren, erhöht jedoch die Komplexität beim Nachweis der Ursprungseigenschaft. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie sich Ursprungsregeln, Kumulationsarten und die Auswahl der Vormaterialien auf Unternehmen und Exportchancen auswirken.
Vom Begriff zur Praxis: Eine praxisnahe Erklärung der Ursprungskumulation bei Fertigungswaren
Kumulation in Schweizer Freihandelsabkommen: Komplexität und Chancen im internationalen Warenverkehr
 

Grundlagen der Kumulation

Die Kumulation im Kontext der Schweizer Freihandelsabkommen (bilateral oder im Rahmen der EFTA) beschreibt die Möglichkeit, dass Materialien, die in einem Partnerstaat mit Ursprung hergestellt wurden, so behandelt werden, als ob sie im eigenen Land hergestellt wurden. Diese Ergänzung zum ursprungsrechtlichen Grundsatz, dass alle relevanten Verarbeitungen im Exportland stattgefunden haben müssen, ist von zentraler Bedeutung für die Praxis des Exports, da sie Flexibilität bei der Beschaffung internationaler Komponenten gestattet. Der Begriff umfasst verschiedene Kumulationsformen, darunter die bilaterale und diagonale Kumulation. Ziel ist stets, den Marktzugang zu erleichtern – etwa in der Europäischen Union – indem Produkte durch die Anrechnung geeigneter Vormaterialien den Ursprungsanforderungen genügen können. Die korrekte Anwendung ist jedoch an komplexe zollrechtliche und dokumentarische Vorgaben gebunden.
Mehr zur Kumulation⚠ Informationen dazu finden Sie auch im Dokument von SECO PDF.

Arten der Kumulation: Bilateral, Diagonal und Vollkumulation

Es lassen sich grundsätzlich drei Kumulationsarten unterscheiden:
  • Die bilaterale Kumulation greift bei Handelsabkommen zwischen zwei Partnerländern, beispielsweise zwischen der Schweiz und der EU. Hier können Vormaterialien beider Länder als ursprungsberechtigt angerechnet werden.
  • Die diagonale Kumulation umfasst mehrere Länder, die jeweils untereinander identische Ursprungsregeln anwenden: Waren mit Ursprung aus einem beliebigen Partnerstaat dürfen in allen beteiligten Ländern wie heimische Vormaterialien genutzt werden.
  • Die vollständige Kumulation wiederum erlaubt es, jede Verarbeitungsstufe in den beteiligten Ländern als relevant zu betrachten, sodass die Wertschöpfungskette flexibler aufgeteilt werden kann.
Jede Kumulationsart setzt voraus, dass zwischen den betroffenen Ländern kompatible Freihandelsabkommen bestehen, die beteiligten Staaten in einer Kumulationszone verbunden sind und  dass die nötigen Vorbelege (formal korrekt ausgestellt!) vorhanden sind.
Praxisbeispiele sind im offiziellen Dokument zur Kumulation des BAZG erläutert.

Der Ursprung von Fertigungsware und seine Bestimmung

Für Fertigungswaren, die aus verschiedenen internationalen Komponenten bestehen, ist die korrekte Bestimmung des Ursprungs entscheidend. Die Ursprungsregeln orientieren sich an minimal notwendigen Verarbeitungsprozessen in der Schweiz (sogenannte Minimalbearbeitungsregeln) sowie zusätzlichen Regeln, die nach Zolltarifnummern festgelegt sind (sogenannte Listenkriterien). Dabei unterscheiden sich die Regeln von Abkommen zu Abkommen.
Dabei wird geprüft, ob ausreichende Bearbeitungsschritte  in der Schweiz und in Staaten mit Kumulationsberechtigung erbracht wurden. Der Einsatz der Kumulation von Vormaterialien (solche mit Präferenz im Sinne des jeweiligen Abkommens) ermöglicht, diese in die Ursprungsberechnung einzubeziehen, während nicht kumulierbare Vormaterialien (solche ohne Präferenz) typischerweise wie Drittlandsware behandelt werden. Die Festlegung des Ursprungs wirkt sich unmittelbar auf die Zollprivilegien bei der Ausfuhr aus.  

Kumulation am Beispiel: Fertigungsware, Export in die EU

Ein exportorientiertes Schweizer Unternehmen fertigt Maschinen und nutzt dabei Vormaterialien aus der Schweiz, der EU sowie aus China. Für den Export in die EU kann exemplarisch wie folgt kumuliert werden:
  • präferenzberechtige Vormaterialien aus der EU (sprich solche, die über einen gültigen Präferenznachweis bei der Einfuhr in der Schweiz verfügen) gelten für die Ursprungsprüfung wie Schweizer Vormaterialien.
  • Vormaterialien aus der Schweiz, die ohnehin den Ursprungsregeln entsprechen, können ebenfalls berücksichtigt werden, wenn seitens des CH Lieferanten ein gültiger Ursprungsnachweis vorliegt, der die Präferenz im Sinne des Abkommens mit der EU formal korrekt bestätigt.
  • Komponenten aus China jedoch werden als Drittlandsware behandelt.
Der Gesamtnachweis des Ursprungs geschieht über eine präzise Berechnung und dokumentierte Ursprungsnachweise für alle relevanten Komponenten. Eine Missachtung dieser Regeln kann zum Verlust von Zollpräferenzen führen. Dabei sind auch Ausnahme und Besonderheiten zu berücksichtigen, beispielsweise im Lebensmittelbereich. Ebenso ermöglicht die paneuropäische Kumulationszone eine erweiterte Kumulation. Alle Belege müssen den Vorgaben entsprechen.

Praktische Umsetzung: Dokumentation und Nachweispflicht

Die Dokumentationspflicht bei der Anwendung der Kumulation ist hoch. Unternehmen müssen für alle verwendeten Vormaterialien, insbesondere aus kumulationsberechtigten Ländern , einen anerkannten  Präferenzursprungsnachweis (zum Beispiel EUR.1 oder eine gültige Rechnungserkerklärung) – vorweisen. Eine lückenlose Rückverfolgbarkeit der Lieferkette ist dabei erforderlich. Ebenso muss der Nachweis erbracht werden, dass die erforderliche Wertschöpfung bzw. angemessene Bearbeitung in der Schweiz erbracht wurde. Versäumnisse und Unsauberkeiten in der Dokumentation gefährden Zollpräferenzen, was für Unternehmen schwerwiegende finanzielle Konsequenzen hat und Compliance-Prozesse in den Mittelpunkt rückt.

Kumulation und Marktzugang: Chancen und Herausforderungen

Der Einsatz von Kumulation eröffnet Schweizer Firmen spezifische Chancen wie niedrigere Exportzölle und eine Flexibilisierung der Zulieferketten. Dies gestattet es, beispielsweise preislich oder technologisch attraktive Komponenten aus möglichen Kumulationszonen zu beschaffen und dennoch Präferenzbehandlungen im EU-Markt zu sichern. Gleichzeitig erhöhen sich jedoch die Anforderungen an die administrative Abwicklung. Gerade im internationalen Wettbewerb kann der souveräne Umgang mit den Ursprungsregeln ein entscheidender Erfolgsfaktor sein – vorausgesetzt, die Unternehmen investieren in Know-how, IT-Systeme und rechtliche Beratung.
Beispielvisualisierung Marktzugang
 

Kumulation mit CN-Vormaterialien: Restriktionen und Strategien

Vormaterialien chinesischen Ursprungs (CN) geniessen im Export in die EU trotz bestehendem Freihandelsabkommen der Schweiz mit China keine Kumulationsberechtigung – sie werden als Drittlandsware eingestuft. Für Unternehmen mit Exportmarkt EU bedeutet das, dass sie die Beschaffung aus China gezielt abwägen müssen. Oftmals entsteht ein Zielkonflikt zwischen Kostenvorteil und dem Wunsch nach Präferenzzöllen beim Export in die EU. Strategische Einkaufsentscheidungen und eine sorgfältige Analyse der Ursprungsregeln sind daher unerlässlich.

Der Einfluss neuer Handelsabkommen und Digitalisierung

Die Entwicklung neuer Freihandels- und Kooperationsabkommen treibt die Möglichkeit zur Kumulation weiter voran. Insbesondere die fortschreitende Digitalisierung der Nachweisverfahren – z. B. der digitale Nachweis von Präferenzursprungspapieren – trägt dazu bei, administrative Prozesse zu beschleunigen und Fehlerquellen zu minimieren. Trotzdem bleibt die Herausforderung, mit laufenden Änderungen der Ursprungsregeln Schritt zu halten. Unternehmen, die in digitale Schnittstellen, Weiterbildung ihrer Teams und proaktive Überwachung der regulatorischen Entwicklung investieren, sichern sich dauerhafte Wettbewerbsvorteile im globalen Handel.
 
 
Schlussfolgerungen und Ausblick
Die Kumulation eröffnet Unternehmen mit Sitz in der Schweiz bedeutende Chancen für den internationalen Handel. Sie erfordert jedoch ein tiefes Verständnis der Ursprungsregeln und eine akkurate Dokumentation. Der gezielte Einsatz von Vorleistungen aus Partnerländern kann Kosten senken und Marktzugänge erleichtern, verlangt aber ein stringentes Compliance-Management. Gerne unterstützen wir Sie dabei. 

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