Im Januar 2025 unterzeichneten die EFTA-Staaten und Thailand ein umfassendes Freihandelsabkommen, das neue Massstäbe für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Europa und Südostasien setzt. Insbesondere für die exportorientierte Schweiz eröffnet dieses Abkommen attraktive Möglichkeiten, stärkt die Rechtssicherheit und verschafft einen Wettbewerbsvorteil auf einem der dynamischsten Märkte der ASEAN-Region. Welche Mechanismen, Chancen und Herausforderungen sich daraus ergeben, analysiert dieser Bericht.
Wie das bilaterale Abkommen den Wirtschaftsraum Schweiz und den Zugang zum thailändischen Markt nachhaltig verändert
Das Freihandelsabkommen EFTA–Thailand: Neue Perspektiven für die Schweizer Wirtschaft

EFTA–Thailand Freihandelsabkommen: Kontext, Struktur und Zukunft

 

EFTA–Thailand: Historischer Kontext und geostrategische Bedeutung

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Thailand sind von jahrzehntelanger Freundschaft und rasantem Wachstum geprägt. Seit den 1930er-Jahren besteht eine enge diplomatische Verbindung, die in den letzten Jahren durch steigende bilaterale Handelszahlen weiter gefestigt wurde. Während Thailand als zweitgrösste Volkswirtschaft Südostasiens mit mehr als 70 Millionen Einwohnern eine wichtige Drehscheibe der asiatischen Märkte bildet, zählt die Schweiz zu den innovativsten und wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaften Europas. Die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens am 23. Januar 2025 im Rahmen des Weltwirtschaftsforums in Davos markiert nicht nur Thailands erstes vergleichbares Abkommen mit europäischen Staaten, sondern unterstreicht das strategische Interesse der EFTA-Staaten, eine Brücke zu den ASEAN-Märkten zu schlagen und ihre Position gegenüber anderen globalen Akteuren wie der EU, China oder den USA zu festigen.

Ziele, Anwendungsbereiche und Struktur des Freihandelsabkommens

Ăśberblick
Das Freihandelsabkommen deckt alle wesentlichen Bereiche ab, die für eine nachhaltige und umfassende Handelsbeziehung relevant sind. Tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse, Dienstleistungen, Investitionen, Schutz des geistigen Eigentums, Wettbewerb, öffentliches Beschaffungswesen sowie nachhaltige Entwicklung werden angesprochen. Eines der Hauptziele ist ein stabiler und diskriminierungsfreier Rahmen für den gegenseitigen Handel, ergänzt um einen institutionalisierten Mechanismus zur Überwachung und Weiterentwicklung des Abkommens. Neu sind Bestimmungen zur Förderung von KMU und technische Zusammenarbeit, um insbesondere neue Marktteilnehmer zu unterstützen.

Handel mit Waren: Zollabbau, Ursprungsregeln und Marktzugang

Für 99,7% der bisherigen Schweizer Exporte nach Thailand werden deutliche Zollsenkungen eingeführt. Viele davon treten sofort oder schrittweise binnen fünf bis fünfzehn Jahren in Kraft. Besonders profitieren klassische Exportbranchen wie Uhren, Pharmazeutika und Maschinen. Auch thailändische Agrarprodukte erhalten Einfuhrvergünstigungen. Das Abkommen modernisiert Ursprungsregeln und integriert internationale Normen für effizientere Zertifizierungen.
Jahresbilateraler Handel Schweiz–Thailand (2023, Mrd. CHF)

Dienstleistungen und Investitionsschutz: Neue Chancen fĂĽr Schweizer Unternehmen

Das Abkommen baut auf den WTO-Standards (GATS) auf, geht jedoch in Schlüsselsektoren darüber hinaus. Schweizer Firmen erhalten verbesserte Bedingungen in Bereichen wie Finanzdienstleistungen, Rückversicherung, Beratung, Ingenieurwesen und Tourismus. Erleichtert wird die temporäre Einreise von Fachkräften; das Investitionskapitel erweitert den Zugang zu thailändischen Industriesektoren und schafft Rechtssicherheit für Investitionen – inklusive Inländerbehandlung und Nichtdiskriminierung.

Intellektuelles Eigentum, Wettbewerb und öffentliches Beschaffungswesen

Beide Seiten heben das Schutzniveau für geistiges Eigentum auf mindestens WTO-Standard (TRIPS) und gehen in Kernbereichen wie Patenten oder Designschutz darüber hinaus. Der Marktzugang für öffentliche Beschaffungen wird transparenter geregelt; Thailand verpflichtet sich, Vorteile für Drittstaaten auch auf EFTA-Länder auszuweiten. Im Wettbewerb wird auf Chancengleichheit geachtet, ohne vollständige Harmonisierung.

Nachhaltige Entwicklung und soziale Standards

Das Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung enthält rechtlich verbindliche Verpflichtungen zu Menschenrechten, Umwelt- und Arbeitsschutz sowie zur Gleichstellung der Geschlechter. Die Parteien beziehen sich ausdrücklich auf die Agenda 2030 und relevante internationale Abkommen. Ein partizipativer Überwachungsmechanismus zur Evaluierung der Umsetzung ist vorgesehen.

Förderung von KMU, technische Zusammenarbeit und Kapazitätsaufbau

Schwerpunkt KMU
Ein eigenes Kapitel für KMU sieht Online-Informationen, technische Unterstützung und Kontaktstellen vor, um neue Marktteilnehmer zu fördern und administrative Barrieren zu senken. Gemeinsame Projekte, etwa in Innovation oder Fischereimanagement, sind für Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und internationalen Organisationen offen.

Institutionelle Regelung, Streitbeilegung und rechtliche Grundlage

Einrichtungen wie ein Gemischter Ausschuss, branchenspezifische Untergruppen und mehrstufige Streitbeilegungsverfahren sorgen für Überwachung, Weiterentwicklung und Konfliktlösung. Die Ratifizierung ist noch ausstehend; der Vertrag tritt nach Inkrafttreten gemäss den rechtlichen Vorgaben der Schweiz und Thailands in Kraft.
 
Fazit: Ein neues Kapitel fĂĽr Handel und Investitionen
Das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Thailand markiert eine strategisch bedeutsame Erweiterung des europäischen Wirtschaftsraums nach Asien. Für Schweizer Unternehmen bietet es nicht nur verbesserten Marktzugang und Rechtssicherheit, sondern positioniert die Schweiz als bevorzugte Handelspartnerin im südostasiatischen Raum. Mit seinen ambitionierten Kapiteln zu Nachhaltigkeit, KMU-Förderung und Investitionsschutz setzt das Abkommen Standards für künftige Wirtschaftsverträge.