Es klingt eigentlich verlockend: Alle Länder in drei Kategorien einteilen („geringer Zoll“, „mittlerer Zoll“ und „wir machen’s extra kompliziert“), fertig ist die Handelsstrategie. Doch wie so oft entscheidet man sich in Washington für den anspruchsvollen Weg: Jede Nation einzeln, jeder Tarif einzeln. Willkommen im Zoll-Paradies oder Alptraum, je nach Blickwinkel.

Und als wäre das nicht schon komplex genug, gesellt sich eine weitere Wundertüte hinzu: die EU-Mehrwertsteuer (VAT). Aus Sicht der Trump-Administration ist diese nämlich ein versteckter Grund für Ungerechtigkeiten, die sogar die nationale Sicherheit der USA gefährden sollen.

1. Das kleine 1×1 der Zolllisten Die USA handeln mit rund 190 Ländern weltweit, wobei rund 80 davon den Grossteil der Handelsaktivitäten ausmachen. Damit wären Zollunterschiede vermutlich noch zu überblicken, wenn nicht um die 20.000 teils hochdetaillierte Zolltarifnummern (HTS-Codes) existierten. Auch wenn nicht alle Codes überall volle 10 Stellen aufweisen, handelt es sich leicht um über 1,6 Millionen mögliche Kombinationen von Land, Code und Zollgebühr. Und das Ganze soll – man höre und staune – bis zum 2. April analysiert und unterschriftsreif in Washington vorgelegt werden.

Das ist bereits eine ziemliche Herausforderung. Analyse-Profis, bitte zur ersten Kaffeepause vortreten!

2. Warum Trump die europäische Mehrwertsteuer im Visier hat Nun kommt die VAT-Debatte ins Spiel. Robert Lighthizer, ehemaliger Handelsberater, verweist darauf, dass europäische Exporteure ihre MwSt (VAT) erstattet bekommen, sobald die Produkte das EU-Gebiet verlassen. So können EU-Firmen ihre Waren im Ausland günstiger anbieten. Ein „indirektes Subventionsmodell“, das US-Produzenten angeblich benachteiligt. Peter Navarro, hochrangiger Berater im Weissen Haus, bezeichnet dies sogar als „Triple Whammy“:

  1. Ausländische Exporte in die USA werden von der eigenen MwSt befreit (Preisvorteil).
  2. US-Exporte in Länder mit VAT müssen diese MwSt zahlen.
  3. US-Exporteure erhalten zu Hause keine entsprechenden Steuererleichterungen.

3. Die Gegenargumente aus Europa Kritiker im EU-Raum entgegnen, dass auch die USA in 45 Bundesstaaten (plus D.C.) ihre Sales Tax auf Exporte nicht erheben. Zudem gilt im EU-Binnenmarkt ein einfacher Grundsatz: Gleiche MwSt-Saetze für alle – ob ausländisches oder heimisches Produkt, sobald es in der EU verkauft wird, zahlt es denselben Satz. Auch US-Unternehmen werden laut WTO-Regelwerk nicht benachteiligt.

Ausserdem gibt es auf europäischer Seite ebenfalls keine „Befreiung“ von Unternehmenssteuern bei Exporten, womit ein Grossteil der US-Vorwürfe nach Meinung vieler Experten ins Leere läuft.

4. Showdown am 2. April? Während der eine Teil des Weissen Hauses lieber von simplen Lösungen träumt, jagt der andere jede mögliche „versteckte“ Handelsverzerrung – so auch die EU-VAT. Donald Trump hat den 2. April als Stichtag genannt, an dem neue Zölle auf EU-Waren in Kraft treten könnten. Ob dabei die Mehrwertsteuer offiziell als Begründung auftaucht oder eher als Zündstoff im Hintergrund wirkt, werden wir sehen.

Fazit Zwischen 20.000 Tarifpositionen, globalen MwSt-Systemen und Deadlines, die klingen wie ein schlechter Scherz, steckt eine Menge Zündstoff. Während Amerika (wieder einmal) versucht, die Handelswelt nach eigenen Vorstellungen neu zu ordnen, bleibt unklar, ob die Kritik an der europäischen MwSt wirklich berechtigt ist oder nur ein weiterer Hebel im grossen Zoll-Poker.

Eines ist sicher: Wer nach dem 2. April noch den Überblick über alle Zollsätze, MwSt-Sätze und Ausnahme-Regelungen behält, hat entweder Nerven aus Stahl oder eine Kaffeemaschine mit Dauerbetrieb. Ob sich die Mühe am Ende lohnt oder doch nur für neue internationale Spannungen sorgt, bleibt vorerst offen. Fest steht: Für Langeweile sorgt dieser transatlantische Schlagabtausch ganz bestimmt nicht.

Fachbeitrag powered by ZFEB+ Customs & Trade Consultants | Profiwissen für Export, Zoll und Warenursprung , Claudia Feusi, 18.03.2025