Die überraschende Zollformel
Die Wirtschaftswelt wurde im von einer unerwarteten Nachricht erschüttert: US-Präsident Donald Trump verhängte Zölle von 31 Prozent auf Schweizer Produkte. Besonders verblüffend war jedoch die Begründung – Trump behauptete, die Schweiz würde US-Produkte mit Zöllen von 61 Prozent belasten. Eine Behauptung, die Experten sofort stutzig machte, da die Schweiz seit Jahren praktisch keine Industriezölle mehr erhebt.
Nach anfänglichen Spekulationen über mögliche Gründe für diese Berechnung – von angeblicher Währungsmanipulation durch die Schweizerische Nationalbank bis hin zur Einbeziehung der Mehrwertsteuer – stellte sich die tatsächliche Berechnungsmethode als verblüffend simpel heraus.
Die Trump-Administration verwendete eine äusserst rudimentäre Formel: Sie teilte einfach das US-Handelsdefizit mit der Schweiz durch den Gesamtwert der Schweizer Exporte in die USA.
Konkret sieht die Berechnung so aus:
- US-Handelsdefizit mit der Schweiz: 38,5 Milliarden Franken
- Schweizer Exporte in die USA: 63,4 Milliarden Franken
- Berechnung: 38,5 ÷ 63,4 = 0,607 (60,7%)
- Gerundet: 61%
Diese 61 Prozent wurden dann als angebliche Schweizer Zölle auf US-Waren dargestellt. Die tatsächlich verhängten Zölle von 31 Prozent stellte Trump sogar als "gnädig" dar, da sie nur die Hälfte der angeblichen Schweizer Zölle betragen.
Dieselbe Berechnungsmethode wurde offenbar auch bei anderen Ländern angewandt. Bei Japan beispielsweise kam die Trump-Administration auf 46 Prozent angebliche Zölle, woraufhin Strafzölle von 24 Prozent verhängt wurden. Auch für Indonesien und Indien lassen sich die verhängten Zölle mit dieser simplen Formel nachvollziehen.
Wirtschaftswissenschaftliche Einschätzung
Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht ist diese Berechnungsmethode höchst problematisch. Sie setzt ein Handelsdefizit fälschlicherweise mit Zöllen gleich und ignoriert die komplexen Faktoren, die Handelsbilanzen beeinflussen, wie Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität, Verbraucherpräferenzen und komparative Kostenvorteile.
Die Formel bestraft de facto jedes Land, das erfolgreich in die USA exportiert. Sie ignoriert zudem völlig, dass Handelsdefizite nicht per se negativ sind und dass ausgeglichene bilaterale Handelsbilanzen zwischen zwei Ländern wirtschaftlich weder notwendig noch realistisch sind.
Besonders bemerkenswert ist, dass diese Berechnungsmethode keinerlei Bezug zu tatsächlich erhobenen Zöllen hat. Die Schweiz hat ihre Industriezölle weitgehend abgeschafft, was die Behauptung von 61 Prozent Zöllen besonders absurd macht. Die Formel ignoriert auch vollständig die Tatsache, dass die USA selbst Zölle auf bestimmte Produkte erheben.
Die Einfachheit dieser Formel lässt vermuten, dass es Trump weniger um eine fundierte handelspolitische Analyse geht als vielmehr um eine griffige Rechtfertigung für protektionistische Massnahmen, die bei seiner Wählerbasis gut ankommen. Die Methode erlaubt es ihm, beliebige Länder als "unfaire Handelspartner" darzustellen, unabhängig von der tatsächlichen Handelspolitik dieser Länder.
Wirtschaftsexperten weltweit haben diese Berechnungsmethode scharf kritisiert und darauf hingewiesen, dass sie fundamentale ökonomische Prinzipien missachtet und das Risiko eines globalen Handelskriegs erhöht. Die Schweizer Regierung und Wirtschaftsverbände haben die Berechnungsgrundlage als willkürlich und unbegründet zurückgewiesen und auf die langjährige faire Handelsbeziehung zwischen den beiden Ländern verwiesen.
Die Schweiz im Fadenkreuz der US-Handelspolitik
Mit Zöllen von 31 Prozent trifft die Trump-Administration die Schweiz deutlich härter als viele andere Handelspartner. Zum Vergleich: Für die Europäische Union wurden Zölle von 20 Prozent festgelegt. Diese Diskrepanz wirft Fragen auf und verdeutlicht die besondere Position der Schweiz im Visier der aktuellen US-Handelspolitik.
Die Schweiz und die USA unterhalten traditionell enge Wirtschaftsbeziehungen. Die USA sind nach Deutschland der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz und gleichzeitig ihr wichtigster Exportmarkt. Für kein anderes Land produziert die Schweiz so viele Waren wie für die Vereinigten Staaten. Im Jahr exportierte die Schweiz Waren im Wert von rund 63,4 Milliarden Franken in die USA, während sie amerikanische Produkte im Wert von etwa 24,9 Milliarden Franken importierte.
Dieses Ungleichgewicht im Warenhandel – ein Überschuss von 38,5 Milliarden Franken zugunsten der Schweiz – bildet die Grundlage für Trumps Zollberechnung. Besonders absurd erscheint dabei die Behauptung, die Schweiz würde US-Produkte mit Zöllen von 61 Prozent belasten, denn die Realität sieht völlig anders aus: Die Schweiz hat in den letzten Jahren ihre Industriezölle weitgehend abgeschafft und verfolgt traditionell eine liberale Handelspolitik.
Der Schweizer Bundesrat reagierte mit Unverständnis auf die Zollankündigung und betonte die langjährige faire Handelspartnerschaft zwischen den beiden Ländern.
Wirtschaftsminister Guy Parmelin bezeichnete die Zölle als "ungerechtfertigt und kontraproduktiv" und kündigte diplomatische Bemühungen an, um eine Lösung zu finden. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sprach in einer ersten Reaktion von einer "ernsthaften Belastung" und einer "handelspolitischen Eskalation" ohne nachvollziehbare Gründe.
Betroffene Branchen
Besonders besorgniserregend für die Schweiz ist die Struktur ihres Exports in die USA. Zwar ist die Pharmaindustrie, die wichtigste Exportbranche, von den Zöllen ausgenommen, was einen gewissen Schutz bietet. Dennoch wären zahlreiche andere Branchen stark betroffen, darunter die Metallindustrie, der Maschinenbau und die Lebensmittelindustrie. Auch die international renommierte Schweizer Uhrenindustrie, die hochwertige Luxusuhren in die USA exportiert, müsste mit erheblichen Einbussen rechnen.
Die Schweizer Diplomatie hat unmittelbar nach der Ankündigung der Zölle ihre Bemühungen intensiviert. Botschafter in Washington führen Gespräche mit Vertretern der US-Administration und dem Kongress. Parallel dazu sucht die Schweiz die Koordination mit anderen betroffenen Ländern, insbesondere mit der EU, um gemeinsame Strategien zu entwickeln.
Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt ist die Tatsache, dass die Schweiz in den letzten Jahren erhebliche Direktinvestitionen in den USA getätigt hat und dort zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen hat. Schweizer Unternehmen beschäftigen in den USA rund 500.000 Menschen. Diese positive Wirkung auf den US-Arbeitsmarkt wird in Trumps einseitiger Betrachtung des Warenhandels vollständig ignoriert.
Die hohen Zölle könnten auch unbeabsichtigte Folgen für die US-Wirtschaft haben. Viele Schweizer Exporte sind Zwischenprodukte oder Spezialmaschinen, die von amerikanischen Unternehmen für ihre eigene Produktion benötigt werden. Höhere Preise für diese Inputs könnten die Produktionskosten amerikanischer Firmen steigern und letztlich zu höheren Preisen für US-Verbraucher führen.
Die Schweizer Regierung prüft nun verschiedene Optionen, darunter Verhandlungen über Ausnahmeregelungen für bestimmte Produktkategorien, mögliche Gegenmassnahmen im Rahmen der WTO-Regeln und die Intensivierung der diplomatischen Bemühungen. Gleichzeitig bereiten sich Schweizer Unternehmen auf verschiedene Szenarien vor, von der Anpassung ihrer Preisstrategien bis hin zur möglichen Verlagerung von Produktionskapazitäten.
Die wirtschaftlichen Folgen für den Schweizer Export
Die Einführung von 31-prozentigen Zöllen auf Schweizer Exporte in die USA stellt eine massive Herausforderung für die exportorientierte Schweizer Wirtschaft dar. Ersten Schätzungen zufolge könnten diese Zölle jährliche Mehrkosten von etwa 3,2 Milliarden Franken verursachen – eine erhebliche Belastung, die verschiedene Branchen unterschiedlich stark treffen wird.
Obwohl die Pharmaindustrie, die etwa 40 Prozent der Schweizer Exporte in die USA ausmacht, von den Zöllen ausgenommen ist, stehen zahlreiche andere Sektoren vor enormen Herausforderungen. Besonders betroffen sind die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM), die Uhrenindustrie sowie Hersteller von Präzisionsinstrumenten und die Lebensmittelbranche.
Die MEM-Industrie, die hochspezialisierte Maschinen und Komponenten in die USA liefert, muss mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen rechnen. Viele dieser Produkte sind auf spezifische Kundenbedürfnisse zugeschnitten und können nicht ohne Weiteres durch Alternativen ersetzt werden. Dennoch könnten die drastisch erhöhten Preise langfristig dazu führen, dass US-Kunden nach günstigeren Lieferanten aus Ländern mit niedrigeren oder keinen Zöllen suchen.
Für die weltberühmte Schweizer Uhrenindustrie, die Luxusuhren im Wert von mehreren Milliarden Franken in die USA exportiert, stellen die Zölle eine besondere Herausforderung dar.
Marken könnten gezwungen sein, ihre Preise auf dem US-Markt deutlich zu erhöhen, was die Nachfrage spürbar dämpfen könnte. Alternativ müssten sie ihre Margen reduzieren, was wiederum Auswirkungen auf Investitionen und Arbeitsplätze in der Schweiz haben könnte.
Unternehmensstrategien
Schweizer Unternehmen entwickeln bereits verschiedene Strategien, um mit den Zöllen umzugehen. Einige erwägen, einen Teil der Mehrkosten selbst zu tragen, um ihre Marktposition nicht zu gefährden. Andere planen Preiserhöhungen, die jedoch das Risiko bergen, Marktanteile zu verlieren. Grössere Konzerne prüfen auch die Möglichkeit, Teile ihrer Produktion in die USA oder in Drittländer zu verlagern, um die Zölle zu umgehen.
Eine solche Produktionsverlagerung könnte mittelfristig zu einem Verlust von Arbeitsplätzen in der Schweiz führen. Experten schätzen, dass mehrere tausend Stellen gefährdet sein könnten, insbesondere in exportorientierten Regionen wie der Nordwestschweiz, dem Jurabogen und der Ostschweiz. Dies würde nicht nur die direkt betroffenen Unternehmen treffen, sondern auch ihre lokalen Zulieferer und Dienstleister.
Die Umstrukturierung von Lieferketten ist eine weitere Option, die von Schweizer Unternehmen in Betracht gezogen wird. Durch die Verlagerung bestimmter Produktionsschritte in Länder mit niedrigeren oder keinen US-Zöllen könnten die Belastungen teilweise umgangen werden. Allerdings erfordert eine solche Umstrukturierung Zeit und Investitionen und ist mit eigenen Risiken verbunden.
Besonders komplex ist die Situation für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die oft nicht über die Ressourcen verfügen, um ihre Produktion zu verlagern oder komplexe Umgehungsstrategien zu entwickeln. Für viele dieser Unternehmen könnte der US-Markt durch die Zölle faktisch unzugänglich werden, was sie zwingt, sich auf andere Exportmärkte zu konzentrieren oder ihr Geschäftsmodell grundlegend zu überdenken.
Die Zölle könnten auch indirekte Auswirkungen auf Investitionsentscheidungen haben. Unsicherheit über die zukünftige Handelspolitik könnte Unternehmen dazu veranlassen, geplante Investitionen in der Schweiz zu verschieben oder zu reduzieren. Gleichzeitig könnten Direktinvestitionen in den USA attraktiver werden, um Marktzugang zu sichern – was langfristig zu einer Verlagerung von Wertschöpfung aus der Schweiz führen könnte.
Die Wettbewerbsfähigkeit Schweizer Produkte auf dem US-Markt wird durch die Zölle fundamental beeinträchtigt. Eine Preiserhöhung von 31 Prozent macht viele Produkte deutlich teurer als vergleichbare Angebote aus Ländern ohne oder mit niedrigeren Zöllen. Dies könnte zu einer dauerhaften Verschiebung von Marktanteilen führen, die auch nach einer eventuellen Aufhebung der Zölle schwer rückgängig zu machen wäre.
Wirtschaftsverbände und die Schweizer Regierung arbeiten intensiv an Unterstützungsmassnahmen für betroffene Unternehmen. Diese reichen von Beratungsangeboten und Informationsveranstaltungen bis hin zu möglichen finanziellen Hilfen für besonders stark betroffene Branchen. Gleichzeitig werden diplomatische Kanäle genutzt, um Ausnahmeregelungen für bestimmte Produktkategorien zu erwirken.
Der ausgeblendete Dienstleistungssektor
Ein besonders auffälliger Aspekt in Trumps Zollberechnungen ist die vollständige Ausblendung des Dienstleistungssektors. Diese selektive Betrachtung verzerrt das Gesamtbild der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und der Schweiz erheblich und wirft Fragen nach den strategischen Motiven hinter dieser Entscheidung auf.
Während die Schweiz im Warenhandel tatsächlich einen deutlichen Überschuss gegenüber den USA verzeichnet, sieht die Situation im Dienstleistungssektor völlig anders aus. Hier exportieren die USA deutlich mehr in die Schweiz, als sie importieren. Amerikanische Technologieunternehmen wie Meta (ehemals Facebook), Alphabet (Google), Microsoft, Amazon und Apple erwirtschaften erhebliche Umsätze auf dem Schweizer Markt. Diese Dienstleistungsexporte umfassen Cloud-Services, Softwarelizenzen, digitale Werbung, Streaming-Dienste und viele weitere digitale Angebote.
Würde man den Dienstleistungssektor in die Handelsbilanzen einbeziehen, würde sich das Bild der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen deutlich ausgewogener darstellen.
Das Gesamthandelsdefizit der USA mit der Schweiz wäre erheblich geringer als die von Trump fokussierten 38,5 Milliarden Franken im reinen Warenhandel. Folglich wäre auch der daraus berechnete angebliche Zollsatz wesentlich niedriger ausgefallen.
Strategische Motive
Die Ausblendung des Dienstleistungssektors ist kein Zufall, sondern folgt einer klaren wirtschaftspolitischen Strategie. Die Trump-Administration verfolgt eine Politik, die traditionelle Industriesektoren und die Produktion physischer Güter bevorzugt – Bereiche, in denen die USA in den letzten Jahrzehnten Arbeitsplätze verloren haben. Gleichzeitig sind die USA im Dienstleistungssektor, insbesondere bei digitalen Diensten, weltweit führend und erzielen hier erhebliche Handelsüberschüsse.
Durch die selektive Betrachtung nur des Warenhandels kann Trump seine Narrative von "unfairen" Handelsbeziehungen und der "Ausbeutung" der USA durch andere Länder aufrechterhalten. Eine umfassendere Betrachtung, die auch Dienstleistungen einbezieht, würde dieses Narrativ untergraben und die Rechtfertigung für protektionistische Massnahmen schwächen.
Die Rolle der amerikanischen Technologiegiganten in Trumps Wirtschaftspolitik ist dabei besonders interessant. Obwohl er rhetorisch oft gegen diese Unternehmen wettert, profitieren sie indirekt von seiner Handelspolitik. Indem er den Dienstleistungssektor aus den Handelsbilanzen ausklammert, schützt er diese Unternehmen vor möglichen Vergeltungsmassnahmen anderer Länder. Zudem stärkt er ihre globale Position, indem er den Fokus auf traditionelle Industrien lenkt, während die Tech-Giganten weitgehend unbehelligt bleiben.
Besonders bemerkenswert ist, dass die digitale Wirtschaft in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen hat. Der Wert digitaler Dienstleistungen im internationalen Handel wächst exponentiell, während der traditionelle Warenhandel vergleichsweise langsamer zunimmt. Trumps Fokussierung auf den Warenhandel ignoriert diese fundamentale Verschiebung in der globalen Wirtschaft und orientiert sich an einem zunehmend überholten Wirtschaftsmodell.
Die unterschiedlichen Berechnungsmethoden für Handelsbilanzen werden so zu einem politischen Instrument. Je nachdem, welche Sektoren einbezogen oder ausgeschlossen werden, lassen sich völlig unterschiedliche Narrative konstruieren. Trump nutzt diese Flexibilität geschickt, um seine protektionistische Agenda zu rechtfertigen und gleichzeitig die Interessen einflussreicher amerikanischer Technologieunternehmen zu wahren.
Für eine realistische Bewertung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und den USA wäre eine Gesamtbetrachtung notwendig, die Waren, Dienstleistungen und auch Direktinvestitionen umfasst. Schweizer Unternehmen haben erheblich in den USA investiert und schaffen dort Hunderttausende von Arbeitsplätzen – ein weiterer Aspekt, der in Trumps einseitiger Betrachtung völlig ausgeblendet wird.
Die selektive Verwendung von Handelsdaten ist nicht nur wirtschaftswissenschaftlich fragwürdig, sondern auch politisch problematisch. Sie fördert ein verzerrtes Bild internationaler Wirtschaftsbeziehungen und kann zu Fehlentscheidungen führen, die letztlich allen Beteiligten schaden. Eine ausgewogene Handelspolitik müsste die gesamte Bandbreite wirtschaftlicher Interaktionen berücksichtigen – von traditionellen Waren über Dienstleistungen bis hin zu Investitionen und Technologietransfer.
Internationale Handelsspannungen und mögliche Gegenmassnahmen
Die einseitige Verhängung hoher Zölle durch die USA hat weltweit Besorgnis ausgelöst und droht, zu einer Eskalation internationaler Handelsspannungen zu führen. Für die Schweiz und andere betroffene Länder stellt sich nun die drängende Frage nach angemessenen Reaktionen und möglichen Gegenmassnahmen.
Im Rahmen der WTO stehen der Schweiz grundsätzlich rechtliche Mittel zur Verfügung, um gegen die US-Zölle vorzugehen. Ein formelles Streitbeilegungsverfahren könnte eingeleitet werden, bei dem die Schweiz argumentieren würde, dass die Zölle gegen WTO-Grundprinzipien verstossen, insbesondere gegen das Prinzip der Meistbegünstigung und gegen Vereinbarungen über maximale Zollsätze. Allerdings ist das WTO-Streitbeilegungssystem seit Jahren durch die Blockade der Berufungsinstanz durch die USA selbst gelähmt, was die Wirksamkeit dieses Weges einschränkt.
Eine koordinierte Reaktion mit anderen betroffenen Ländern könnte eine stärkere Wirkung entfalten als isolierte Schweizer Massnahmen.
Die Europäische Union, Japan, China und weitere Handelspartner der USA stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Gemeinsame diplomatische Initiativen, abgestimmte WTO-Klagen oder koordinierte Gegenzölle könnten den Druck auf die USA erhöhen, ihre Handelspolitik zu überdenken.
Dilemma der Gegenmassnahmen
Die Schweiz steht vor dem Dilemma, ob sie eigene Vergeltungszölle auf US-Produkte erheben sollte. Solche Gegenmassnahmen könnten zwar politisch ein starkes Signal senden, bergen aber das Risiko einer weiteren Eskalation des Handelskonflikts. Zudem könnten sie der Schweizer Wirtschaft selbst schaden, indem sie Importe verteuern und Lieferketten stören. Der Bundesrat hat bisher betont, dass er eine Verhandlungslösung anstrebt, sich aber alle Optionen offenhält.
Erfahrungen aus Trumps erster Amtszeit (-) zeigen, dass seine Handelspolitik oft von taktischen Überlegungen geprägt ist. Die damals verhängten Zölle auf Stahl und Aluminium führten zu Gegenmassnahmen verschiedener Handelspartner, was teilweise zu Verhandlungen und Kompromissen führte. Die Schweiz konnte damals nach intensiven diplomatischen Bemühungen eine Ausnahmeregelung für bestimmte Stahlprodukte erreichen.
Die aktuelle Situation ist jedoch komplexer und die verhängten Zölle sind deutlich umfassender. Die gestaffelte Einführung – Basiszölle von 10 Prozent bereits in Kraft, höhere Zölle ab – könnte als taktisches Manöver interpretiert werden, um Verhandlungsspielraum zu schaffen. Diese Zeitspanne gibt betroffenen Ländern die Möglichkeit, Zugeständnisse anzubieten, um höhere Zölle abzuwenden.
Für die Schweiz könnten solche Zugeständnisse in verschiedenen Bereichen liegen: verstärkte Investitionen Schweizer Unternehmen in den USA, Zusagen zum Kauf amerikanischer Produkte oder Vereinbarungen in anderen Politikfeldern wie der Finanzregulierung oder der Zusammenarbeit bei Steuerfragen. Allerdings besteht die Gefahr, dass solche Zugeständnisse als Belohnung für eine aggressive Handelspolitik wahrgenommen werden und weitere protektionistische Massnahmen ermutigen könnten.
Die Risiken eines eskalierenden globalen Handelskriegs sind erheblich. Historische Erfahrungen, etwa mit dem Smoot-Hawley-Zollgesetz von , zeigen, dass Handelskriege zu einer Verschärfung wirtschaftlicher Krisen führen können. Gegenseitige Zollerhöhungen verteuern Importe, stören globale Lieferketten, verringern die Produktivität und können letztlich zu einer Rezession beitragen. In der heutigen stark vernetzten Weltwirtschaft wären die Auswirkungen möglicherweise noch gravierender.
Internationale Organisationen wie die WTO, die OECD und der IWF haben wiederholt vor den Gefahren protektionistischer Massnahmen gewarnt. Sie betonen, dass offene Märkte und regelbasierter Handel entscheidend für globales Wirtschaftswachstum und Wohlstand sind. Diese Organisationen könnten eine wichtige Rolle bei der Vermittlung und bei der Suche nach multilateralen Lösungen spielen.
Für die Schweiz als kleine, offene Volkswirtschaft mit starker internationaler Vernetzung ist die Aufrechterhaltung eines funktionierenden, regelbasierten Welthandelssystems von existenzieller Bedeutung. Die aktuelle Herausforderung besteht darin, eine Balance zu finden zwischen der entschlossenen Verteidigung eigener Interessen und dem Beitrag zur Deeskalation der Handelsspannungen.
Die nächsten Monate werden zeigen, ob diplomatische Bemühungen Früchte tragen oder ob sich die Handelskonflikte weiter verschärfen. Für Schweizer Unternehmen bedeutet dies eine Phase erhöhter Unsicherheit, die flexible Strategien und möglicherweise eine Diversifizierung von Exportmärkten erfordert.