Seit März 2025 setzt Donald Trump erneut auf Zollmassnahmen als aussenpolitisches Instrument. Mit neuen Executive Orders will er nicht nur Importeure venezolanischen und russischen Öls, sondern gezielt Länder wie Indien mit bis zu 100 % Zöllen belegen. Der Artikel analysiert Details, betroffene Branchen, rechtliche Rahmenbedingungen und die strategischen Hintergründe dieser Politik.
Wie Washington mit neuen Zollandrohungen gegen Indien und Importeure russischen und venezolanischen Öls vorgeht – und was das für Handel, Märkte und internationale Beziehungen bedeutet
Trumps neue "Sekundärzölle": US-Aussenhandel als geopolitisches Druckmittel
Sekundärzölle auf Ölimporte: US-Executive-Order, Mechanik, Risiken und globale Folgen
Executive Orders als aussenpolitisches Werkzeug
Mit der Executive Order 14245 läutet die US-Regierung eine neue Ära selektiver Sekundärzölle ein. Im Unterschied zu klassischen Strafzöllen richten sich diese nicht nur gegen das Ursprungsland, sondern auch gegen Drittstaaten, die mit unerwünschten Exportpartnern Geschäfte machen. Ziel ist, geopolitischen Druck auf eine breitere Basis von Ländern auszuüben, um deren Handelsverhalten an US-Interessen auszurichten. Die rechtliche Grundlage bildet regelmässig der International Emergency Economic Powers Act (IEEPA), der dem Präsidenten in Krisen weitreichende Handlungsfreiheit einräumt.
Hintergrund: Zielstaaten und Auslöser der neuen Zölle
Neben Indien stehen Länder wie China, Türkei, Ungarn, die Slowakei und Tschechien im Fokus möglicher Sekundärzölle, sofern sie weiterhin russisches oder venezolanisches Öl kaufen. Der Auslöser: Vorwürfe, dass Einnahmen aus Energieexporten unerwünschte Regime oder Terrororganisationen stärken. Auch die geopolitische Rivalität mit Russland und die Zielsetzung, Indien als strategischen Partner von US-Energieimporten zu überzeugen, spielen eine Rolle. Bislang wurde die Drohung vor allem als Verhandlungspfand eingesetzt, ohne dass bereits alle Zölle faktisch in Kraft sind.
Die Mechanik der Zollerhebung und relevanter Fristen
Eine Besonderheit der jüngsten Massnahmen ist die technische Ausgestaltung der Zollerhebung: Für indische Importe wird ein Aufschub von 21 Tagen gewährt. Entscheidend ist das Verladedatum: Waren, die innerhalb dieser Frist ein US-Schiff erreichen, unterliegen nicht den neuen 25-%-Zöllen. Spätere Lieferungen hingegen werden erfasst, wenn kein Handelsabkommen unterzeichnet wird. Solche Fristsetzungen erhöhen den Druck auf Exportländer und deren Wirtschaft, schnelle politische Zugeständnisse zu machen.
Fristenregelung – Zollerhebung auf indische Importe
Ausnahmen und betroffene Sektoren: Wer zahlt – und wer nicht?
Betroffene und ausgenommene SektorenAusgeschlossen sind u. a. Waren, die bereits nach Section 232 (Stahl, Aluminium) belegt sind, Generika-Medikamente, viele Elektronik- und Autoteile sowie Güter mit universellen Zollbefreiungen (z. B. Kraftstoffe oder Gold). Besonders betroffen sind dagegen Schmuck (v. a. die indische Diamantenindustrie mit über 90 % globalem Marktanteil), sowie Teile der Textil-, Maschinenbau- und Gewürzindustrie.
Indiens Rolle und die strategische Zielsetzung der USA
Indien ist nicht zufällig im Zentrum der Massnahme: Durch die Abhängigkeit von russischer Energie und die Bedeutung indischer Industriegüter als US-Importe reagiert Washington gezielt auf Indiens bisherige Zurückhaltung bei US-Handelswünschen. Es besteht die Hoffnung, dass der Handelsdruck Indien zur Abkehr von russischer Energie und einem US-freundlichen Abkommen bewegen könnte – im Gegenzug zur Aussetzung bzw. Reduktion beiderseitiger Zölle. Dies steht im Kontrast zu China, das trotz ähnlicher Ölbezüge noch von ähnlichen Massnahmen verschont bleibt.
Die Rolle des US-Handels- und Aussenministeriums
Die Implementierung und Definition relevanter Tatbestände obliegen dem Handelsministerium, das die Einfuhr von Waren überwacht und die Klassifizierung trifft. Das Aussenministerium erhält das Recht, weitere Regularien auszuarbeiten und dem Präsidenten weitere Zollländer vorzuschlagen. Damit werden klassische Trennlinien zwischen Handelspolitik und Aussenpolitik weiter aufgehoben und Handelssanktionsentscheidungen bilateral zentralisiert.
Rechtliche Risiken: IEEPA, WTO und nationale Gerichte
Die rechtliche Fundierung der Massnahmen ist nicht unumstritten: Während der IEEPA dem Präsidenten erhebliche Macht einräumt, sind zahlreiche ähnliche Sekundärzölle bereits Gegenstand von Gerichtsverfahren. Auch WTO-konforme Abwägungen stehen im Raum. Nationale und internationale Entscheidungen könnten daher entscheidend sein, ob und wie dauerhaft diese Massnahmen bestehen bleiben – mit entsprechenden Folgen für Rechtssicherheit und Planbarkeit internationaler Lieferketten.
Rechtssicherheit ist entscheidend für internationale Lieferanten.
Internationale Gegenreaktionen und Auswirkungen auf Lieferketten
Unternehmen mit komplexen Beschaffungsnetzwerken – insbesondere in der Textil- und Juwelierbranche – stehen unter Anpassungsdruck. In Europa und Asien werden bereits Alternativrouten und Bezugsquellen geprüft.
Überdies ist die politische Reaktion, etwa Verhandlungen, Ausnahmen oder Gegenzölle, von zentraler Bedeutung für die weitere Dynamik.
Perspektiven auf ein mögliches Handelsabkommen mit Indien
Ob der starke Zoll- und Fristendruck tatsächlich zur Aufnahme eines neuen Handelsabkommens zwischen den USA und Indien führt, ist derzeit offen. Diese neuen Massnahmen könnten Verhandlungsspielräume eröffnen, aber ebenso Widerstände und Innenpolitik in Indien verschärfen. Ein Szenario wäre ein Paket, bei dem Indien stärkere US-Exporte im Energiesektor akzeptiert, im Gegenzug für ein deutliches Nachlassen beim bestehenden oder neu geplanten Zollregime.
Fazit: Geopolitik im Kontext US-amerikanischer Zollpolitik
Die aktuellen US-Zollmassnahmen zeigen, wie wirtschaftliche Interessen, geopolitische Zielsetzungen und rechtliche Instrumente miteinander verflochten werden. Ob die Ladefrist von 21 Tagen tatsächlich zu neuen Handelsabkommen führt oder internationale Lieferketten und Branchen dauerhaft umsteuert, hängt nicht zuletzt vom internationalen Verhandlungsgeschick und der Akzeptanz der US-Vorgaben ab.