Substantial Transformation im US-Zollrecht: Wie wir bei Douana® den Ursprung beurteilen
Von Team Douana®– Spezialist:innen für Zoll und Warenursprung
Einleitung
Wer Waren in die USA exportiert, steht häufig vor einer komplexen Aufgabe: die Bestimmung des Ursprungslandes nach US-Zollrecht.
Im Gegensatz zur EU und der Schweiz, wo der Ursprung meist über den letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Verarbeitungsschritt sowie eindeutige Regeln bestimmt wird, verlangt das US-Recht eine tiefere qualitative Prüfung: die sogenannte „substantial transformation“.
Diese Beurteilung entscheidet darüber, welches Land als Ursprung gilt – und sie ist massgeblich für Kennzeichnung, Präferenzbehandlung und Zollabwicklung.
Wir bei Douana analysieren solche Fälle regelmässig und möchten in diesem Beitrag zeigen, wie wir systematisch vorgehen, wenn die Frage lautet:
„Was ist der Ursprung des Produkts nach US-Recht?“
Der rechtliche Rahmen
Nach 19 CFR §134.1(b) gilt ein Produkt als im Ursprungsland hergestellt, wenn es dort einer substantial transformation unterzogen wurde.
Das heisst: Das Produkt muss durch die Verarbeitung einen neuen Namen, eine neue Charakteristik oder eine neue Verwendung erhalten haben – kurz:
new name, character or use.
Die Bewertung erfolgt qualitativ, nicht quantitativ.
Es gibt keine feste Wertgrenze, sondern eine Betrachtung des gesamten Verarbeitungsvorgangs im Hinblick auf die wirtschaftliche und funktionale Veränderung.
Unser Prüfschema: Drei Leitfragen
Für jede Beurteilung stützen wir uns auf drei zentrale Leitfragen. Diese Struktur hilft uns, selbst komplexe Sachverhalte klar einzuordnen:
- Hat sich der Name geändert?
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Wird das Endprodukt im Handel unter einem neuen Namen geführt?
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Beispiel: Aus „Steel Sheet“ wird „Car Door Panel“.
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Eine reine Umbenennung reicht aber nicht – sie muss den neuen Charakter widerspiegeln.
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- Hat sich der Charakter geändert?
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Hat sich die physische oder chemische Struktur so verändert, dass ein anderes Produkt entstanden ist?
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Beispiel: Aus Rohöl wird Benzin – eindeutig ein neues Erzeugnis.
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Anders bei einer Montage, bei der Komponenten ihren ursprünglichen Charakter behalten – hier fehlt oft die substanzielle Veränderung.
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- Hat sich die Verwendung geändert?
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Dient das Endprodukt einem anderen Zweck als die Ausgangsstoffe oder Teile?
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Beispiel: Elektronische Bauteile werden zu einer funktionalen Steuerplatine montiert – klare neue Verwendung.
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Wir betrachten alle drei Kriterien im Zusammenspiel. Wenn mindestens eines davon deutlich erfüllt ist, insbesondere bei einer neuen Funktion oder chemischen Veränderung, ist eine substantial transformation wahrscheinlich.
Unser Vorgehen in der Praxis
In der täglichen Beratung folgen wir einem festen Ablauf, um unsere Einschätzung fundiert zu begründen:
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Produktanalyse:
Wir erfassen Ausgangs- und Endprodukt detailliert – Material, Funktion, Handelsbezeichnung, HS-Code.
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Prozessbeschreibung:
Wir dokumentieren die durchgeführten Verarbeitungsschritte – Montage, Mischung, chemische Reaktion oder Bearbeitung.
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Prüfung der Kriterien (Name, Charakter, Verwendung):
Jedes Kriterium wird einzeln bewertet. Wir ziehen Parallelen zu US Customs Rulings (CBP Decisions) und analysieren die Argumentation.
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Vergleich mit Präzedenzfällen:
Über die CROSS-Datenbank der US Customs and Border Protection prüfen wir ähnliche Fälle.
Beispiel: Ruling HQ 734050 – Montage elektronischer Komponenten wurde nicht als substantial transformation anerkannt.
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Begründung und Dokumentation:
Wir formulieren unsere Schlussfolgerung klar und nachvollziehbar – inklusive Verweis auf einschlägige Entscheidungen.
Praxisbeispiel
Ein klassischer Fall aus unserer Beratungspraxis:
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Ausgangsmaterial: Elektronische Einzelteile aus China
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Verarbeitung: Montage zu einem funktionierenden Steuerungsmodul in Deutschland
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Ergebnis: Das Modul erhält eine neue Funktion und Verwendung – die einzelnen Komponenten sind nicht mehr identifizierbar.
→ Ergebnis: substantial transformation in Deutschland → Ursprung Deutschland nach US-Recht.
Anders verhält es sich bei einfachen Montagearbeiten (z. B. Zusammenbau ohne neue Funktion).
Hier bleibt der Ursprung meist im Land der Komponenten, da keine substanzielle Veränderung vorliegt.
Fazit
Die Beurteilung der substantial transformation ist immer eine qualitative Wertung – kein Rechenexempel.
Unsere Aufgabe als Douana-Team ist es, die Veränderung von Name, Charakter und Verwendung sachlich, nachvollziehbar und rechtskonform zu analysieren und die Argumentation mit US-Präzedenzfällen zu untermauern.
Unser Grundsatz:
Substantial Transformation liegt dort vor, wo ein erkennbar neues Produkt mit eigener Identität entsteht.
Mit dieser Vorgehensweise schaffen wir Klarheit und Sicherheit – sowohl für Unternehmen als auch für die Zollpraxis.
Weiterführende Quellen
- https://douana.ch/substantial-transformation-warenursprung-im-us-zollrecht/
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19 CFR §134.1(b) – Definition of Country of Origin
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US Customs and Border Protection (CBP) CROSS Database: https://rulings.cbp.gov
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CBP Headquarters Rulings zu „Substantial Transformation“
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USMCA / NAFTA Interpretationen zu Ursprungsfragen