Nicht-präferenzieller Ursprung nach US-Zollrecht (Substantial Transformation)
Die Begriffe "Substantial Transformation" und "CTC" bilden das Rückgrat der US-Vorschriften. Das Prinzip "substantial transformation" besagt: Eine Ware gilt als aus dem Land stammend, in dem sie zuletzt eine bedeutende Veränderung erfahren hat, die ihr einen neuen Charakter, Namen oder Verwendung verleiht. Die US-Zollbehörde (CBP) beurteilt stets einzelfallabhängig, ob die Bearbeitung ausreichend ist, sehr oft abweichend von EU- oder Schweizer Standards. Präzedenzfälle und Interpretationen der CBP sind bindend.Das Ursprungsland beeinflusst Einfuhrzölle, Handelsrestriktionen und Marktzugang. US-Importvorschriften schreiben vor, wie der Ursprung festlegen ist, es gelten nicht die Bestimmungen der Schweiz.
Anforderungen an Dokumentation und Nachweisführung
- Herkunftsnachweise der Vormaterialien
- Produktionsdokumente
- Handelsrechnungen & Transportpapiere
Besonders kritische Materialien wie Aluminium und Stahl sowie Kupfer werden Ursprungsangaben für alle Vorstufen verlangt. Bei fehlenden Belegen drohen Strafzölle, etwa pauschale 200% Aufschlag bei Aluminium mit "unknown" Ursprungsangabe.
Abgrenzung präferenzieller und nicht-präferenzieller Ursprung
Rechtslage zur Unterscheidung
Es ist insbesondere zu unterscheiden zwischen Swissness, dem präferenziellen Ursprung (relevant bei Freihandelsabkommen) und dem nicht-präferenziellen Ursprung (allgemeiner Handel): Die USA haben EIGENE REGELN, die nicht mit diesen Grundlagen zu verwechseln sind, zudem werden pro Abkommen einzelne Regeln festgelegt. Das macht die Anforderung komplex. Bei komplexen Fällen sind sogenannte Bindung Rules vorteilhaft, wir unterstützen Unternehmen in diesem Prozess.Typischer Fehler: Die Annahme, dass eine Endmontage (z.B. Maschinenbau in der Schweiz mit chinesischen Komponenten) automatisch zu schweizerischem Ursprung führt. Dies ist nur der Fall, wenn in der Schweiz eine "wesentliche Transformation" stattfindet. Wir empfehlen Unternehmen, alle Schritte der Lieferkette zu dokumentieren und regelmässig prüfen, ob Ursprungseigenschaften verändert wurden.
Markierungspflicht & Ursprungsbegriff
Gesetz/Verordnung:
Country-of-Origin Marking nach 19 U.S.C. § 1304 i.V.m. 19 C.F.R. Part 134
https://www.ecfr.gov/current/title-19/chapter-I/part-134
Ursprungsdefinition (19 C.F.R. § 134.1(b)):
Ursprung ist das Land, in dem die Ware vollständig hergestellt wurde oder in dem sie einer wesentlichen Umwandlung (substantial transformation) unterzogen wurde, sodass ein neues und anderes Erzeugnis mit eigenem Namen, Charakter oder Verwendung entsteht.
Der richterrechtliche Massstab (Name-Character-Use-Test) ist historisch geprägt u.a. durch United States v. Gibson-Thomsen (Supreme Court), weitergeführt in der neueren Judikatur. Wichtig: Wertschöpfungsanteile sind keine eigenständige Rechtsvoraussetzung; massgeblich ist die Identitätsänderung (Name/Charakter/Verwendung).
Was regelt 19 CFR § 102.20?
19 CFR § 102.20 definiert detailliert für jede Warengruppe, welche Verarbeitungsschritte als ausreichend gelten, damit ein neues Ursprungsland zugeordnet wird. Part 102 enthält ausschliesslich tariff-shift-Listenregeln für bestimmte Markierungskonstellationen (historisch NAFTA, heute USMCA-Bezug – Waren aus Kanada/Mexiko) sowie für klar bezeichnete Spezialbereiche (u.a. Textilien). Die Tabelle beschreibt unterschiedliche Kriterien – häufig Wechsel in der Zolltarifnummer oder substanzielle Verarbeitungsschritte. Dies bildet für tausende Produkte eine rechtssichere Prüfbasis. Offizielle Quelle (eCFR.gov)Part 102 enthält somit tariff-shift-Listenregeln für bestimmte Markierungskonstellationen (historisch NAFTA, heute USMCA-Bezug – Waren aus Kanada/Mexiko) sowie für klar bezeichnete Spezialbereiche (u.a. Textilien).
Part 102 (Scope): https://www.ecfr.gov/current/title-19/chapter-I/part-102
Für allgemeine (nicht-präferenzielle) Ursprungsfragen ausserhalb USMCA/Textilien (z. B. Waren aus der Schweiz ) gilt jedoch nicht Part 102, sondern der case-by-case-Test der substantial transformation nach Part 134/Lehre und Rechtsprechung:
Federal Register (USMCA-Marking-Kontext): https://www.federalregister.gov/documents/2021/07/06/2021-14265/non-preferential-origin-determinations-for-merchandise-imported-from-canada-or-mexico-for.Schritt-für-Schritt-Vorgehen
1. Anwendungsbereich klärenUSMCA/NAFTA-Kontext (Waren aus Kanada/Mexiko)? Textilien/konkret genannte Bereiche?
→ Dann ggf. Part 102 (tariff shift) prüfen: https://www.ecfr.gov/current/title-19/chapter-I/part-102
Alle anderen Fälle (Schweiz meistens anwendbar):
→ Nicht Part 102, sondern substantial transformation nach Part 134/Case-Law massgebend: https://www.ecfr.gov/current/title-19/chapter-I/part-134
2. Tarifliche Einreihung feststellen
HS-Code der Vormaterialien vs. Endware vergleichen. Hinweis: Ein Positionssprung ist kein zwingendes Kriterium im allgemeinen US-Ursprungsrecht; er kann indiziell helfen, ist aber nicht entscheidend ohne Identitätswandel.
3. Substantial-Transformation-Analyse (Name/Charakter/Verwendung)
Mögliche Leitfragen:
- Name: Entsteht eine Ware mit anderer verkehrsüblicher Bezeichnung?
- Charakter: Ändern sich wesentliche Eigenschaften (Materialstruktur, Geometrie, Funktionalität)?
- Verwendung: Wandelt sich die bestimmungsgemässe Nutzung (neuer Markt-/Einsatzbereich)?
- Nur Veredelung? (Politur, Beschichtung, Schärfen, Härten, Feinbearbeitung) → typischerweise keine wesentliche Umwandlung, wenn die Identität bereits im Teil angelegt ist.
- Gerne unterstützen wir Sie bei der Analyse und geben unsere Empfehlungen ab.
4. Belege sammeln (für eine mögliche Behördenprüfung oder Binding Ruling)
Dazu gehören: Technische Zeichnungen, Prozessbeschreibungen, Testnachweise zur Einsatzfähigkeit der Vormaterialien, Fotos/Muster vor/nach Bearbeitung, Vermarktungsunterlagen.
5. (Optional) Binding Ruling beantragen
Formell nach 19 C.F.R. Part 177 beim CBP Office of Regulations and Rulings zwecks verbindlicher Entscheidung. Gerne unterstützen wir Sie bei diesem Prozess.
Part 177 (allg. zu Rulings): https://www.ecfr.gov/current/title-19/chapter-I/part-177
Massgebliche Rechtsprechung CBP-Rulings – Leitlinien aus der Praxis
Don’ts
- Nicht allein auf Tarif-Positionssprung stützen (kein zwingendes Kriterium im allgemeinen Ursprung)!
- Nicht davon ausgehen, dass Veredelung/Finish automatisch eine neue Ware schafft!
- Nicht Part 102 anwenden, wenn kein USMCA/Textil-Bezug vorliegt!
Beispiel aus der Praxis (aus unserem Repertoire)
Beispiel: Rohlinge aus Metal
Sachverhalt (verkürzt): Rohlinge wurden in UK hergestellt und in der Schweiz endbearbeitet (schleifen, richten, polieren, Wärmebehandlung, Reinigung).
Ergebnis: Es handelt sich in der Schweiz vorgenommenen Arbeitsschritt nicht um eine substantial transformation, Ursprungsland unseres Kundens blieb UK, weil Größe/Form/Zweck des Endprodukts bereits im Rohling voll ausgeprägt waren; die Schritte stellten lediglich Finish-Operationen dar. Das Produkt des Kunden blieb ein EU Produkt, obwohl in der Schweiz Fertigungsschritte stattfanden. Massgebend war eine detaillierte Analyse der Arbeitschritte, die wir entsprechend beurteilt haben.
In anderen Fällen konnten wir belegen, dass die in der Schweiz vorgenommenen Arbeitschritte nur die Leistung verbessern, nicht jedoch Name, Charakter und Verwendung verändert wurde und Identität und Zweck gleich blieben. Insbesondere bei Montage gilt oft, dass die Zusammenfügung vorgeformter Teile ohne wesentliche Umgestaltung i. d. R. nicht zum Ursprungswechsel führt. Wird jedoch der Werkstoffcharakter tiefgreifend geändert, liegt oft eine substantial transformation vor. In allen Fällen ist der stets der Einzelfall zu prüfen.
Empfehlung zur Absicherung
Bei unüblichen Fällen und komplexen Lieferketten empfiehlt sich die Einholung eines Binding Ruling bei CBP (Part 177). Der Antrag sollte technische Details und Vergleichspräzedenz enthalten. Gerne erstellen wir Ihnen eine Vorlage.
Wirtschaftliche Bedeutung und Risiken fehlerhafter Ursprungsnachweise
Sichere Umsetzung in der Praxis
Compliance-Spezialisten sollten im Vorfeld eingebunden werden. Interne Prozesse sind nötig, um Ursprung jeder Komponente zu dokumentieren und Risiken rechtzeitig zu erkennen.