Beschaffung und Produktion bedarf einer vielseitigen Betrachtung. In diesem Fachbeitrag wenden wir uns den Inhalten zu, den wir in einem CAS einer renommierten Schweizer Universität zum Thema Asia Sourcing vermitteln. Im Fokus von Asia Sourcing fokussieren wir uns auf die Ausgangslage in Asien, weitere stragegischen Themen des Asia Sourcints werden wir in weiteren Beiträgen vertiefen.

Teil 1: Handelsabkommen in Asien, Bedeutung von RCEP, ASEAN und CPTPP

Handelsabkommen sind völkerrechtliche Verträge zwischen Staaten, die Handelsbarrieren abbauen und so den Waren- und Dienstleistungsverkehr erleichtern sollen. Sie gelten als entscheidend für die Förderung internationaler Handelsbeziehungen und die Stärkung der Wirtschaft . In den letzten Jahrzehnten hat die Zahl regionaler Handelsabkommen rasant zugenommen – von weniger als 50 im Jahr 1990 auf über 350 heute . Damit einher geht, dass mittlerweile über die Hälfte des Welthandels im Rahmen solcher Präferenzabkommen stattfindet . Handelsabkommen schreiben Handelsregeln neu, senken Zölle und nichttarifäre Handelskosten und beeinflussen auch Bereiche jenseits des Handels, etwa Investitionen, Migration, Arbeits- und Umweltstandards . In einer Zeit schwächelnder WTO-Multilateralität und wachsender geopolitischer Spannungen gewinnen regionale Mega-Abkommen besondere Bedeutung . Vor diesem Hintergrund rücken in Asien-Pazifik insbesondere drei Abkommen in den Fokus: die regionale Gemeinschaft ASEAN, das neue Mega-Freihandelsabkommen RCEP und das hochambitionierte CPTPP. Diese Analyse beleuchtet deren Entstehung, Inhalte und Auswirkungen. Zunächst wird ein Überblick über ASEAN als wirtschaftliche Region gegeben, gefolgt von einer Untersuchung von RCEP und CPTPP. Anschliessend werden Gemeinsamkeiten, Unterschiede und der Einfluss dieser Abkommen auf die Asien-Pazifik-Region und globale Lieferketten vergleichend dargestellt. Im weiteren Verlauf wird erörtert, welche Auswirkungen sich für den strategischen Einkauf und das „Asia Sourcing“ ergeben – von neuen Chancen bis zu Herausforderungen durch Handelskonflikte, Zölle und Compliance. Abschliessend wird ein Ausblick auf mögliche Erweiterungen oder Veränderungen der Abkommen gegeben und deren Bedeutung für die Zukunft der Globalisierung sowie die Rolle Asiens in der Weltwirtschaft kritisch gewürdigt.

ASEAN (Association of Southeast Asian Nations)

Geschichte, Mitglieder und Ziele: ASEAN wurde 1967 von fünf Staaten Südostasiens (Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur und Thailand) gegründet, um regionale Kooperation zu fördern . In den folgenden Jahrzehnten wuchs die Gemeinschaft auf zehn Mitglieder an: Heute gehören ASEAN Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam an . (Perspektivisch soll auch Timor-Leste als 11. Mitglied aufgenommen werden .) Die in der Gründungserklärung formulierten Ziele sind breit gefächert – sie reichen von der Förderung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Zusammenarbeit bis zur Sicherung von Frieden und Stabilität in der Region . Mit der Zeit gewann insbesondere die wirtschaftliche Kooperation an Gewicht. Bereits 1992 vereinbarten die ASEAN-Staaten die Einrichtung der ASEAN Free Trade Area (AFTA), um schrittweise Zölle abzuschaffen und einen gemeinsamen Markt von damals rund 500 Millionen Menschen zu schaffen . Langfristig strebt ASEAN mit der ASEAN Economic Community (AEC) eine tiefere wirtschaftliche Integration an, die einen freien Fluss von Waren, Dienstleistungen, Investitionen und Fachkräften in der Region vorsieht. Insgesamt diente ASEAN somit als Forum, um die zuvor sehr disparaten Volkswirtschaften Südostasiens näher zusammenzubringen und gemeinsame Entwicklungsziele zu verfolgen.

Wirtschaftliche Bedeutung und Einfluss auf den Handel: Heute zählt ASEAN als Wirtschaftsraum zu den dynamischsten der Welt. Die zehn Länder umfassen zusammen fast 680 Millionen Einwohner – damit ist ASEAN die bevölkerungsreichste Regionalorganisation nach China und Indien – und erwirtschaften ein kombiniertes BIP von rund 3,8 Billionen US-Dollar . Würde man ASEAN als Einheit betrachten, wäre es gemessen am BIP die weltweit viert- oder fünftgrösste Volkswirtschaft . Entsprechend bedeutend ist die Rolle der Region im Welthandel: ASEAN-Mitglieder haben ihren Handel untereinander und mit wichtigen Partnern stark ausgebaut. Intra-ASEAN-Handel macht etwa ein Viertel ihres Aussenhandels aus, während die übrigen Anteile auf Handel mit Grossmächten wie China, den USA, der EU und Japan entfallen. ASEAN unterhält als Block inzwischen sechs Freihandelsabkommen mit externen Wirtschaftspartnern in der Region – darunter Abkommen mit China, Japan, Südkorea, Australien/Neuseeland, Indien und Hongkong. Diese sogenannten ASEAN+1-Abkommen legten den Grundstein dafür, dass ASEAN zum Zentrum eines dichten Netzwerks von Freihandelsbeziehungen in Asien wurde. Gleichzeitig tritt ASEAN auch selbst als wichtiger Handelspartner auf: So ist die Gemeinschaft inzwischen der viertgrösste Handelspartner der USA mit einem bilateralen Handelsvolumen von fast 500 Mrd. USD (2023) . Insgesamt trägt die wirtschaftliche Integration in ASEAN – z.B. durch den Abbau von Zöllen im Rahmen von AFTA/ATIGA und die Vereinheitlichung von Produktstandards – dazu bei, die Region für Investoren und globale Lieferketten attraktiv zu machen. Experten bewerten ASEANs Bemühungen zur Handelsliberalisierung als grossen Erfolg der letzten Jahre . Nicht nur der innerregionale Handel profitiert, sondern ASEAN-Staaten konnten sich auch gemeinsam an Mega-Abkommen wie RCEP beteiligen und so ihre Bedeutung im asiatisch-pazifischen Handelssystem ausbauen .

Herausforderungen und aktuelle Entwicklungen: Trotz der wirtschaftlichen Erfolge sieht sich ASEAN mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Die Mitgliedstaaten sind sehr heterogen – politisch (von Einparteienstaaten bis Demokratien), wirtschaftlich (vom Entwicklungsland Laos bis zum hochindustrialisierten Singapur) und kulturell. Entscheidungen in ASEAN erfolgen im Konsensprinzip, was bei divergierenden Interessen oft zu der Kritik mangelnder Handlungsfähigkeit führt . So fehlte ASEAN bislang eine einheitliche strategische Vision in geopolitischen Fragen. Ein Beispiel ist die Myanmar-Krise: Nach dem Militärputsch 2021 gelang es ASEAN trotz eines vereinbarten „Five-Point Consensus“ nicht, den Konflikt zu entschärfen. Zwei Jahre nach dem Coup musste selbst der indonesische Aussenminister eingestehen, dass keinerlei bedeutende Fortschritte erzielt wurden . Dieses Versagen untergräbt die Glaubwürdigkeit der Gemeinschaft in heiklen politischen Fragen. Ähnlich gespalten ist ASEAN in Territorialstreitigkeiten – etwa gegenüber Chinas Ansprüchen im Südchinesischen Meer, die sich mit den Gebietsansprüchen mehrerer ASEAN-Länder überschneiden. ASEAN konnte hier bislang keine gemeinsame harte Linie finden . Neben solchen politischen Herausforderungen steht die Region vor wirtschaftlichen Aufgaben: Die nachholende Entwicklung der ärmeren Mitglieder (CLMV-Staaten) erfordert weiterhin Anstrengungen, um das Entwicklungsgefälle innerhalb ASEANs zu verringern . Auch die Umsetzung der ASEAN Economic Community ist noch unvollständig – nichttarifäre Handelshemmnisse und unterschiedliche Regulierungen bestehen fort. Aktuell bemüht sich ASEAN um zukunftsweisende Initiativen in Bereichen wie digitaler Wirtschaft und nachhaltiger Entwicklung , um langfristig relevant zu bleiben. 2023 stand Indonesien als ASEAN-Vorsitz unter dem Motto „ASEAN Matters: Epicentrum of Growth“ und priorisierte nachhaltiges Wachstum, die Integration Timor-Lestes und eine aktive Rolle im Indopazifik . Die Ergebnisse blieben zwar gemischt (z.B. kaum Fortschritt beim Verhaltenskodex im Südchinesischen Meer ), doch verdeutlichen die aktuellen Diskussionen, dass ASEAN bestrebt ist, sich in einer Welt im Wandel zu behaupten. Zusammengefasst ist ASEAN trotz interner Probleme ein Schlüsselfaktor für die regionale Wirtschaftskooperation. Als treibende Kraft hinter RCEP und durch eigene Integrationsfortschritte hat ASEAN erheblichen Einfluss auf die Gestaltung der Handelsarchitektur im Asien-Pazifik-Raum.

RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership)

Entstehung, beteiligte Länder und Hauptmerkmale: Das Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP)-Abkommen ist ein Freihandelsabkommen, das am 15. November 2020 nach jahrelangen Verhandlungen von 15 asiatisch-pazifischen Staaten unterzeichnet wurde . Die Verhandlungen waren 2012 unter Federführung der ASEAN-Staaten begonnen worden , mit dem Ziel, die bestehenden ASEAN+1-Handelsabkommen in einem umfassenden Pakt zusammenzuführen. Beteiligt sind alle zehn ASEAN-Mitglieder – Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam – sowie fünf weitere indo-pazifische Staaten: China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland . Indien war ursprünglich ebenfalls in die Gespräche eingebunden, entschied sich jedoch 2019, vor Abschluss auszusteigen . Mit seinen 15 Teilnehmern bildet RCEP nun den grössten Handelsblock der Welt. Er umfasst etwa ein Drittel der Weltbevölkerung (ca. 2,3 Mrd. Menschen) und rund 30 % des globalen BIP – ein Markt, der auch für Unternehmen ausserhalb der Region von enormer Bedeutung ist . Bemerkenswert ist, dass RCEP erstmals die drei grössten Volkswirtschaften Ostasiens – China, Japan und Südkorea – gemeinsam in ein Freihandelsabkommen einbindet . RCEP trat am 1. Januar 2022 in Kraft , nachdem die erforderliche Zahl an Länderparlamenten das Abkommen ratifiziert hatte.

Inhaltlich zielt RCEP darauf ab, Zölle und Handelshemmnisse schrittweise abzubauen und gemeinsame Handelsregeln in der Region festzulegen. Das Abkommen sieht vor, dass innerhalb von 20 Jahren ab Inkrafttreten mindestens 90 % der Zölle auf Waren zwischen den Mitgliedsländern eliminiert werden . Bereits bei Inkrafttreten konnten rund 65 % aller Güter innerhalb der RCEP-Zone zollfrei gehandelt werden; die verbleibenden Zölle werden über zwei Jahrzehnte stufenweise abgebaut . Besonders profitieren werden Konstellationen, in denen zuvor noch keine bilateralen Freihandelsabkommen bestanden – z.B. der Handel zwischen China und Japan oder Japan und Südkorea –, da hier durch RCEP nun erstmals deutliche Zollsenkungen greifen . Über den Warenhandel hinaus umfasst RCEP insgesamt 20 Kapitel, die zahlreiche handelsrelevante Bereiche abdecken . So vereinbart das Abkommen gemeinsame Regeln zu Ursprungsregeln, Zollverfahren und Handelserleichterungen, zum Dienstleistungshandel, Investitionsschutz, geistigen Eigentum und E-Commerce, um nur einige zu nennen . Ein zentrales Element sind die vereinheitlichten Ursprungsregeln: Wenn ein Produkt die RCEP-Ursprungskriterien erfüllt, geniesst es Zollpräferenzen in allen 15 Mitgliedsländern . Dadurch können grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten innerhalb der RCEP-Region deutlich erleichtert organisiert werden, ohne dass bei jeder Zwischenstation der Ursprung und damit der Präferenzzollsatz verloren geht . Erleichterungen im Zollverfahren – etwa schnellere Abfertigungszeiten (i.d.R. binnen 48 Stunden) – tragen zusätzlich dazu bei, den Warenverkehr zu beschleunigen . Im Dienstleistungsbereich einigten sich die Partner auf verbesserten Marktzugang in Branchen wie Finanz-, Telekommunikations- und profes­sionelle Dienstleistungen, wenngleich einige Servicebereiche noch ausgenommen oder in zukünftigen Verhandlungen zu konkretisieren sind . Auch beim Investitionsschutz setzt RCEP gewisse gemeinsame Standards (u.a. Schutz vor Enteignung, freier Transfer von Kapital) und etabliert Mechanismen zur Beilegung von Investoren-Staat-Streitigkeiten – letzteres allerdings noch als „Work in progress“, da ein Investor-Staat-Schiedsverfahren bislang nicht abschliessend geregelt ist . Insgesamt schafft RCEP so einen gemeinsamen Regelrahmen, der bestehende Handelsabkommen in Asien unter einem Dach bündelt und weiterentwickelt.

Wirtschaftliche Auswirkungen und globale Bedeutung: RCEP wird von Beobachtern als Meilenstein für die regionale Integration in Asien gewertet. Durch die schiere Grösse des Abkommens – gemessen an Bevölkerung und Wirtschaftsleistung – handelt es sich um das grösste Freihandelsabkommen der Geschichte . Prognosen zufolge könnte der Anteil der RCEP-Staaten am Welt-BIP bis 2030 auf 50 % anwachsen , was die Verschiebung des globalen Wirtschaftszentrums nach Asien unterstreicht . Während die direkten Handelszuwächse durch RCEP aufgrund bereits bestehender ASEAN+1-Abkommen moderat ausfallen könnten (Schätzungen gehen von langfristigen BIP-Steigerungen im niedrigen einstelligen Prozentbereich aus), liegt die strategische Bedeutung vor allem in der Harmonisierung der Regeln und der politischen Signalwirkung. RCEP setzt ein Zeichen für offenen Handel in einer Zeit zunehmenden Protektionismus. Es vereinfacht grenzüberschreitende Geschäfte erheblich: Ein Hersteller kann nun z.B. Komponenten in mehreren RCEP-Ländern fertigen lassen und das Endprodukt innerhalb der Region zollfrei vertreiben, ohne für jedes Land separate Freihandelsregeln beachten zu müssen. Diese Konvergenz der Handelsregeln dürfte Versorgungsketten robuster machen und Transaktionskosten senken. Studien erwarten, dass durch RCEP neue Handelsmöglichkeiten entstehen und Investitionen angekurbelt werden, was insbesondere nach den pandemiebedingten Verwerfungen den Aufschwung in Asien fördern kann . So schätzt etwa die japanische Regierung, dass RCEP Japans BIP um 2,7 % steigern und über 500.000 Arbeitsplätze schaffen könnte – primär dank des erstmals gesicherten Marktzugangs nach China und Südkorea für zahlreiche Branchen (Elektronik, Maschinenbau, Kfz-Teile u.a.). Auch andere Länder erhoffen sich Vorteile: ASEAN-Staaten wie Vietnam oder Thailand könnten noch mehr ausländische Produktionsinvestitionen anziehen, da Unternehmen die Region als integrativen Produktionsstandort nutzen möchten. Langfristig wird erwartet, dass RCEP das Wirtschaftswachstum und den Wohlstand in der Region insgesamt positiv beeinflusst . Gleichzeitig profitiert die Weltwirtschaft insofern, als RCEP Handelsströme effizienter gestaltet und Asien als Wachstumszentrum stabilisiert – insbesondere in einer Phase, in der die WTO keine grossen Durchbrüche erzielt. Allerdings bleibt RCEP in seiner Ambition auch begrenzt: Kritiker merken an, dass viele Zollsenkungen sehr langfristig angelegt sind und einige empfindliche Sektoren ausgenommen bleiben. So sind zum Beispiel bestimmte Agrarprodukte oder Dienstleistungsbranchen vom vollen Wettbewerb ausgenommen, um schwächere Volkswirtschaften zu schützen. Dennoch: In Summe konsolidiert RCEP die wirtschaftliche Verflechtung im Asien-Pazifik und dürfte die Gewichtungsverlagerung Richtung Asien in der Weltwirtschaft weiter vorantreiben .

Vorteile und Herausforderungen für Unternehmen und Staaten: Für die Unternehmen der Mitgliedstaaten schafft RCEP vielfältige Chancen. Besonders der Mittelstand und exportorientierte Firmen können von einfacheren und kostengünstigeren Exporten profitieren. Durch Zollerleichterungen sinken die Preise exportierter Waren in den Partnerländern, was die Wettbewerbsfähigkeit erhöht. So können etwa japanische Elektronik- und Autoteilehersteller nun ihre Produkte günstiger in China anbieten, während umgekehrt südostasiatische Zulieferer verbilligt Vorprodukte aus Japan beziehen können. Ein zentrales Plus ist die schon erwähnte Kumulation von Ursprungsregeln: Wertschöpfung über mehrere Länder verteilt wird erleichtert, was komplexe regionale Lieferketten begünstigt . Europäische und ausländische Firmen mit Präsenz in Asien können ebenfalls indirekt profitieren. Eine Analyse merkt an, dass verbesserte Handelsbedingungen in RCEP auch europäischen Unternehmen mit Produktionsstandorten in RCEP-Ländern zugutekommen – durchlässigere Grenzen erweitern den Markt und verschärfen zwar den Wettbewerb, erhöhen aber die Effizienz und Skaleneffekte, was letztlich sogar Importpreise senken kann . Unternehmen können strategisch optimierte Lieferketten nutzen, um die Zollerleichterungen maximal auszuschöpfen . Dies schafft Anreize, bestimmte Fertigungsschritte in RCEP-Länder zu verlagern oder neue Partnerschaften in der Region einzugehen. Auf staatlicher Ebene stärkt RCEP insbesondere die kleineren ASEAN-Volkswirtschaften, da sie in ein grösseres Regelwerk eingebettet sind und bevorzugten Zugang zu wichtigen Märkten wie China oder Japan erhalten. Allerdings bringt RCEP auch Herausforderungen mit sich. Zum einen enthält das Abkommen eine Vielzahl von Ausnahmen und längeren Übergangsfristen für einzelne Länder, um diesen die Anpassung zu erleichtern . Diese Flexibilität war politisch nötig, mindert aber in gewissem Umfang die unmittelbare Wirkung der Liberalisierung. Zum anderen kritisieren einige, RCEP sei weniger umfassend und ambitioniert als z.B. das CPTPP – die Standards in Bereichen wie Arbeitsrecht, Umweltschutz oder staatliche Beihilfen seien relativ niedrig . Tatsächlich enthält RCEP keine eigenständigen Kapitel zu Arbeits- und Umweltstandards , ebenso wenig besondere Auflagen für Staatsunternehmen oder Regelungen etwa zum Klimaschutz. Dies mag die Verhandlungen erleichtert haben, wird aber als Qualitätsunterschied zu moderneren „High-Standard“-Abkommen gesehen. Des Weiteren ist die Abhängigkeit von China ein Faktor: RCEP integriert China tiefer in die regionale Wirtschaft – für viele Teilnehmer ein Vorteil, doch es birgt auch das Risiko, dass Chinas Dominanz zunimmt. Länder wie Japan oder Australien haben RCEP zwar mitgetragen, zugleich aber als Gegengewicht auch das CPTPP (ohne China) vorangetrieben. Für Unternehmen bedeutet die enge Verflechtung mit China innerhalb RCEP, dass sie Chancen (grösserer Markt) und Risiken (etwa durch chinesische Überkapazitäten oder politische Einflussnahme) sorgfältig abwägen müssen. Abschliessend ist festzuhalten, dass RCEP vor allem ein wirtschaftlich-strategischer Gewinn für die Region ist, auch wenn es inhaltlich hinter tiefergehenden Abkommen zurückbleibt. Es bietet einen breiten Rahmen für Handel und Investitionen, lässt den Mitgliedstaaten aber zugleich Freiraum, ihren Entwicklungspfad schrittweise anzupassen.

CPTPP (Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership)

Historischer Hintergrund – vom TPP zum CPTPP: Das CPTPP ist ein modernes Freihandelsabkommen im Asien-Pazifik-Raum, das aus der ursprünglich von den USA forcierten Trans-Pacific Partnership (TPP) hervorging. Die TPP war ursprünglich als wirtschaftliches Transpazifik-Abkommen von 12 Staaten geplant, darunter die USA, Japan, Kanada, Australien, Vietnam, Malaysia, Mexiko, Singapur, Peru, Chile, Neuseeland und Brunei. 2016 wurde TPP von diesen zwölf Staaten unterzeichnet, jedoch kam es nie zur Ratifizierung durch die USA. Im Januar 2017 verkündete Präsident Donald Trump den Rückzug der USA aus dem Abkommen . Die verbleibenden elf Länder beschlossen daraufhin, die Vereinbarung ohne die USA weiterzuführen. In intensiven Nachverhandlungen wurden einige Bestimmungen ausgesetzt oder angepasst, und schliesslich unterzeichneten die elf Partner im März 2018 in Santiago de Chile das „Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP)” . Ende 2018 trat das Abkommen in Kraft. Die elf Gründungsmitglieder des CPTPP sind Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam . Durch den Wegfall der amerikanischen Volkswirtschaft reduzierte sich das aggregierte Wirtschaftsgewicht des Pakts erheblich – das weltweite Einkommenspotenzial der Mitgliedsstaaten sank um etwa 70 % gegenüber der ursprünglichen TPP-Konstellation . Dennoch bleibt das CPTPP einer der grössten Freihandelsräume der Welt. Die Mitgliedsländer stehen gemeinsam für etwa 13–14 % des globalen BIP, rund 6–7 % der Weltbevölkerung und ca. 15 % des Welthandels (Stand 2020) . Damit ist CPTPP zwar kleiner als RCEP, aber immer noch ein bedeutender Block im Welthandelssystem. Das Abkommen deckt eine breite geographische Spanne ab – es verbindet Volkswirtschaften in Ost- und Südostasien mit solchen in Nord- und Südamerika (Kanada, Mexiko, Chile, Peru) sowie Ozeanien.

Nach dem Inkrafttreten zeigten weitere Länder Interesse an einem Beitritt zum CPTPP. Bereits 2021 stellte das Vereinigte Königreich als erster Nicht-Pazifikstaat einen Aufnahmeantrag . Die CPTPP-Mitglieder einigten sich 2023 auf die Aufnahme Grossbritanniens; voraussichtlich wird der Beitritt des UK Ende 2023 bzw. Anfang 2024 nach Ratifizierung wirksam . Darüber hinaus haben mehrere weitere Staaten offiziell Interesse oder Anträge eingereicht, darunter China und Taiwan (beide 2021), Ecuador und Costa Rica, sowie potenziell Südkorea, Thailand und die Philippinen . Insbesondere ein möglicher Beitritt Chinas wäre geopolitisch brisant: China signalisierte zwar den Wunsch, dem CPTPP beizutreten, allerdings bestehen erhebliche Hürden in Bereichen wie Arbeitsrecht, Umweltschutz, staatliche Subventionen und digitaler Handel . Die chinesische Wirtschaftspolitik weicht in vielen dieser Punkte deutlich von den hohen CPTPP-Standards ab, sodass Beitrittsverhandlungen Chinas momentan als wenig aussichtsreich gelten . Die Mitglieder würden von China vermutlich tiefgreifende Reformen verlangen, was kurzfristig unwahrscheinlich erscheint. Die USA wiederum haben unter der Biden-Administration bisher keine Schritte unternommen, dem CPTPP (oder einer Neuauflage der TPP) beizutreten . Damit fehlt im CPTPP weiterhin die weltweit grösste Volkswirtschaft – was zwar das wirtschaftliche Gewicht des Abkommens schmälert, zugleich aber die Tür für andere Akteure offen hält, in die Lücke zu stossen. Insgesamt ist das CPTPP ein lebendes Abkommen, das sich perspektivisch erweitern könnte. Neue Mitglieder müssten jedoch einstimmig akzeptiert werden und die bestehenden Regeln voll übernehmen – wodurch die hohen Standards des Abkommens gesichert bleiben sollen.

Unterschiede zu RCEP, beteiligte Länder und Handelsvorteile: Inhaltlich gilt das CPTPP als deutlich anspruchsvoller und tiefgreifender als RCEP. Während RCEP vor allem den Warenhandel liberalisiert und ansonsten relativ flexible Vorgaben macht, erstreckt sich das CPTPP auf eine breite Palette von Themen mit verbindlichen, zum Teil hochstandardisierten Regeln. So verpflichtet das CPTPP seine Mitglieder zur Abschaffung von Zöllen auf nahezu alle Waren: Ein Grossteil der Zolllinien wurde sofort mit Inkrafttreten auf Null gesetzt, und am Ende der Übergangsfristen sollen rund 99 % aller Tarifpositionen zollfrei sein . Zum Vergleich: RCEP liberalisiert nach vollständiger Umsetzung etwa 90 % der Zolllinien und lässt für manche Länder mehr Ausnahmen zu. Über Zölle hinaus enthält das CPTPP umfangreiche Kapitel zu Dienstleistungen und Investitionen, zum Schutz geistigen Eigentums, zum elektronischen Geschäftsverkehr, zu Wettbewerbspolitik und besonders hervorzuheben – zu Arbeits- und Umweltstandards. Diese „horizontale“ Themenvielfalt und -tiefe macht CPTPP zu einem der modernsten Handelsabkommen („WTO-plus“). So gibt es beispielsweise Regeln, die wettbewerbsverzerrende Subventionen für Staatsunternehmen adressieren – ein Bereich, den RCEP ausspart . Auch im digitalen Handel setzt CPTPP Regeln, etwa gegen Datenlokalisierung und für Quellcode-Schutz, sowie zum Verbraucherdatenschutz, während RCEP hier weniger weit geht. Besonders auffällig sind die Sozial- und Nachhaltigkeitsklauseln des CPTPP: Das Abkommen legt verbindliche Mindeststandards für den Arbeitnehmerschutz (z.B. Vereinigungsfreiheit, Abschaffung von Kinderarbeit im Sinne der ILO-Kernnormen) und für umweltgerechtes Wirtschaften fest. Diese strikten Arbeits- und Umweltnormen waren für einige Teilnehmer Neuland und übertrafen die zuvor in manchen Mitgliedstaaten geltenden Regeln deutlich . So mussten bspw. Vietnam und Malaysia im Vorfeld der Ratifizierung Arbeitsrechtsreformen auf den Weg bringen, um CPTPP-konform zu werden. Dass das CPTPP solche ambitionierten Bestimmungen enthält, liegt auch daran, dass die ärmsten Entwicklungsländer der Region (etwa Kambodscha, Laos oder Myanmar) nicht Teil dieses Abkommens sind – ihr Fehlen ermöglichte es, höhere Anforderungen im Bereich nachhaltige Entwicklung und Arbeitsrechte zu verankern . Zwar bedeutet dies für lokale Unternehmen in den CPTPP-Ländern zunächst Anpassungsaufwand, doch langfristig kann es die Nachhaltigkeit und Qualität der Wirtschaftsprozesse verbessern. Europäische Firmen mit Niederlassungen vor Ort sehen hierin teils einen Wettbewerbsvorteil, da sie oft ohnehin bereits höhere Standards bei Arbeitsbedingungen und Umwelt einhalten und daher weniger Nachholbedarf haben . Interessanterweise überschneidet sich die Mitgliedschaft von CPTPP und RCEP in 7 Ländern (Brunei, Malaysia, Singapur, Vietnam, Japan, Australien, Neuseeland) . Diese Überschneidung zeigt, dass die Abkommen komplementär sind: RCEP schafft breite Marktzugänge und erleichtert regionale Massenproduktion, während CPTPP in einem (etwas kleineren) Kreis von handelsoffenen Volkswirtschaften tiefergehende Regeln und Qualitätsstandards etabliert. Staaten wie Vietnam oder Malaysia profitieren doppelt – sie erhalten Zugang zu zwei grossen Freihandelsräumen und können Investoren sowohl mit Marktreichweite (RCEP) als auch mit verlässlichen hochwertigen Regeln (CPTPP) locken. Für die rein im CPTPP vertretenen Länder (etwa Kanada, Mexiko, Peru, Chile) bedeutet das Abkommen vor allem einen erleichterten Zugang zu asiatischen Wachstumsmärkten, ohne auf multilaterale WTO-Prozesse warten zu müssen. Die Handelsvorteile des CPTPP manifestieren sich bereits: Japan etwa konnte im Rahmen des CPTPP seine Agrar- und Lebensmittel­exporte in Partnerländer steigern, Kanada und Australien erhielten besseren Zugang zum jeweils anderen Markt, und für Vietnam fungiert das Abkommen als Katalysator für Exporte in entfernte Märkte Amerikas. Eine kanadische Studie zeigte, dass insbesondere dort, wo CPTPP die Zölle zwischen vorher nicht durch ein FTA verbundenen Ländern senkte, das Handelsvolumen stark anstieg (teilweise zweistellige Zuwächse) . Somit fördert das CPTPP neue Handelsströme über den Pazifik hinweg. Neben Zollpräferenzen bringt das Abkommen auch Rechtssicherheit für Investoren – etwa durch einen modernen Investor-Staat-Streitbeilegungs­mechanismus und Regeln gegen Diskriminierung – was Unternehmen ermutigt, in den CPTPP-Ländern zu investieren. Insgesamt wird das CPTPP aufgrund seines umfassenden Ansatzes als „Goldstandard“ unter den Handelsabkommen bezeichnet . Trotz des Fehlens der USA und Chinas schafft es erhebliche Handels- und Investitionspotenziale und setzt zugleich normative Massstäbe (bei Arbeitsrecht, Umwelt, E-Commerce), die über die Region hinausstrahlen. Einige Experten sehen im CPTPP sogar ein Modell für künftige Handelsregeln, das helfen könnte, global fragmentierte Regelwerke zu harmonisieren – sofern sich weitere Länder anschliessen. Natürlich gibt es auch hier Herausforderungen: Die Umsetzung der hohen Standards wird in einigen Mitgliedstaaten genau beobachtet, und die Einhaltung muss via Dialog und evtl. Streitbeilegung durchgesetzt werden. Doch insgesamt hat das CPTPP trotz seines Namenszusatzes „progressive“ einen eher klassischen Freihandelsfokus mit starkem liberaldemokratischem Wertefundament, der als Gegenmodell zu rein wirtschaftlich orientierten Abkommen (wie RCEP) gesehen werden kann.

Nachhaltigkeits- und Arbeitsrechtsaspekte: Wie angedeutet, sind Nachhaltigkeit und Arbeitsrechte integraler Bestandteil des CPTPP. Das Abkommen verpflichtet alle Mitglieder, zentrale ILO-Arbeitsnormen (z.B. Eliminierung von Zwangsarbeit, Diskriminierungsverbot, Vereinigungsfreiheit) effektiv umzusetzen und auf die Abschwächung von Arbeitsschutzgesetzen zur Exportförderung zu verzichten. Im Umweltkapitel werden die Parteien angehalten, umweltbezogene Gesetze zu vollziehen und nicht zu unterlaufen, z.B. im Klima- und Artenschutz. Diese Kapitel sind im Gegensatz zu vielen älteren Abkommen bindend und streitbeilegungsfähig, was ihnen mehr Gewicht verleiht. In der Praxis hat dies bereits Auswirkungen gezeigt: Vietnam etwa legalisierte unabhängige Gewerkschaften, um seinen CPTPP-Verpflichtungen nachzukommen. Auch Mexiko verabschiedete Arbeitsmarktreformen (im Zusammenhang mit USMCA und CPTPP). Das CPTPP legt damit in vielen Teilnehmerländern strengere Regeln für Arbeitnehmerschutz und Umwelt fest, als dort zuvor galten . Dies sorgt kurzfristig für Anpassungsdruck – viele lokale Firmen müssen z.B. in bessere Arbeitsschutzmassnahmen investieren oder ihre Lieferketten auf Nachhaltigkeit überprüfen. Mittel- bis langfristig könnten die erhöhten Standards jedoch einen Wettbewerbsvorteil bieten: Eine bessere Compliance in den Lieferketten verbessert die Reputation und kann Marktzugangsvoraussetzung in anspruchsvollen Exportmärkten sein . Interessanterweise könnten hier auch europäische Unternehmen indirekt profitieren. Da sie oft schon hohe Arbeits- und Umweltstandards in ihren Auslandsniederlassungen implementiert haben, müssen sie weniger nachbessern und können sogar als Vorbilder dienen . Lokale Unternehmen andererseits erhalten durch die neuen Auflagen einen Anstoss, nachhaltiger zu wirtschaften. So entsteht im CPTPP-Raum ein Level Playing Field mit höheren Baseline-Standards. Auch in puncto Transparenz und Korruptionsbekämpfung enthält das Abkommen Bestimmungen, die gute Regierungsführung fördern (etwa im öffentlichen Beschaffungswesen). In Summe gehen die Nachhaltigkeits- und Arbeitsrechtsaspekte des CPTPP deutlich über das hinaus, was RCEP (und auch viele ältere FTAs) bieten. Sie unterstreichen den progressiven Charakter dieses Abkommens, der über reine Zollreduktion hinaus eine Werteagenda transportiert. Gleichzeitig sind diese Kapitel ein Grund, weshalb der Beitritt etwa für China schwierig wäre – die CPTPP-Standards reflektieren liberale Markt- und Rechtsprinzipien, die nicht alle potenziellen Kandidaten derzeit erfüllen. Für die bestehenden Mitglieder aber stellen die Arbeits- und Umweltauflagen einen wichtigen Pfeiler dar, um wirtschaftliche Öffnung mit sozialer Verantwortung und nachhaltigem Management zu verknüpfen.

Vergleich ASEAN, RCEP und CPTPP

Ähnlichkeiten und Unterschiede: Die drei untersuchten Handelsbündnisse – ASEAN, RCEP und CPTPP – sind zwar miteinander verwoben, unterscheiden sich aber deutlich in Charakter, Mitgliedschaft und Umfang. ASEAN selbst ist kein klassisches Freihandelsabkommen zwischen souveränen Volkswirtschaften, sondern eine regionale Organisation mit breiter Kooperationsagenda, innerhalb derer jedoch ein intensiver wirtschaftlicher Integrationsprozess stattfindet (AFTA/AEC). Die ASEAN Free Trade Area (AFTA) und nachfolgende Vereinbarungen (ATIGA) haben faktisch einen nahezu zollfreien Binnenmarkt unter den zehn ASEAN-Staaten geschaffen. Insofern bildet ASEAN die Plattform und den Kern, von dem aus RCEP entstand. RCEP wiederum ist ein von ASEAN initiiertes Freihandelsabkommen, das ASEAN mit fünf grossen Handelspartnern vereint. Hier stehen Marktzugang und Handelserleichterungen im Vordergrund, mit dem erklärten Ziel, einen Mega-Markt quer über Ost- und Südostasien sowie Ozeanien zu schaffen . CPTPP ist demgegenüber ein interkontinentales Freihandelsabkommen, das Länder in Asien und Amerika entlang des Pazifiks verknüpft – ursprünglich angetrieben von den USA, nun ohne diese umgesetzt. CPTPP ist in gewisser Weise die Antwort liberaler Volkswirtschaften auf regionale Integration: hohe Standards, tiefe Liberalisierung, auch ohne Universalmacht USA (und ohne China).

Betrachtet man die Mitgliedschaft, so überschneiden sich die Kreise nur teilweise. ASEAN umfasst nur südostasiatische Länder. RCEP enthält ganz Ost- und Südostasien (ausser Indien) plus Australien/NZ, jedoch keine Amerika- oder Europa-Staaten. CPTPP enthält wichtige ASEAN-Länder (4 von 10 ASEAN sind dabei: Brunei, Malaysia, Singapur, Vietnam) und wichtige RCEP-Länder (7 von 15 RCEP-Staaten sind CPTPP-Mitglieder) , aber auch Pazifikanrainer in Amerika (Kanada, Mexiko, Chile, Peru), die in RCEP fehlen, während CPTPP China, Südkorea und die meisten ASEAN-Länder nicht umfasst. Damit sind in RCEP alle grossen asiatischen Volkswirtschaften (China, Japan, Korea, ASEAN) vertreten, CPTPP hingegen vereint einen kleineren, ausgewählteren Kreis, dem jedoch mit Japan, Kanada und Australien ebenfalls bedeutende Ökonomien angehören. In Bezug auf die wirtschaftliche Grösse ist RCEP der Gigant (30 %+ Welt-BIP, ~2,3 Mrd. Menschen) , CPTPP deutlich kleiner (etwa 13 % Welt-BIP, ~500 Mio. Menschen) , ASEAN als Region liegt dazwischen (3,8 Bio. $ BIP , ~680 Mio. Menschen).

Bei den Inhalten zeigen sich markante Unterschiede: RCEP und CPTPP teilen die Grundfunktion eines Freihandelsabkommens (Zollabbau, Handelserleichterung), jedoch mit unterschiedlicher Tiefe. RCEP fokussiert klar auf den Güterhandel – Zölle und Ursprungsregeln stehen im Mittelpunkt . Darüber hinausgehende Bereiche (Dienstleistungen, Investitionen, e-Commerce, etc.) werden zwar behandelt, aber teilweise mit weicheren Verpflichtungen oder noch offenen Punkten (z.B. vertagte ISDS-Regelung) . CPTPP hingegen ist umfassend: Es strebt nicht nur nahezu vollständige Zollfreiheit an , sondern integriert auch verbindliche Regeln für Dienstleistungen, Investitionen, geistiges Eigentum, öffentliche Auftragsvergabe, Wettbewerb, Umwelt, Arbeit, u.v.m.. CPTPP setzt damit neue Standards, wo RCEP bewusst abstinente Vereinfachung betreibt. So enthält RCEP keinerlei Kapitel zu Arbeit oder Umwelt, während CPTPP hier anspruchsvolle Kapitel hat . Auch Schutz geistigen Eigentums: CPTPP hat starke IP-Regeln (teilweise ausgesetzt nach US-Rückzug, aber immer noch fortgeschritten gegenüber TRIPS), RCEP übernimmt im Wesentlichen minimale Standards. Wettbewerbsregeln und SOEs: CPTPP geht gegen wettbewerbswidrige Praktiken staatlicher Unternehmen vor, RCEP schweigt dazu. In Summe gilt: CPTPP = weniger Länder, dafür tiefere Integration und höhere Normen; RCEP = breitere Länderbasis, primär traditionelle Handelsliberalisierung.

Eine Gemeinsamkeit besteht darin, dass beide Abkommen das Ziel verfolgen, die asiatisch-pazifischen Volkswirtschaften enger zu verzahnen und globale Lieferketten zu stärken. Beide reduzieren signifikant tarifäre Handelskosten und schaffen durch gemeinsame Regeln ein stabileres Umfeld für die Wirtschaft. Überlappende Mitgliedstaaten (wie Vietnam, Malaysia, Singapur) fungieren dabei als Schnittstellen: Sie können Waren, die im Rahmen von RCEP mit z.B. chinesischen Vorprodukten gefertigt wurden, über CPTPP zollbegünstigt nach Amerika exportieren. Theoretisch liessen sich so komplexe globale Wertschöpfungsketten bauen, die beide Mega-Abkommen ausnutzen – allerdings stets unter Einhaltung der jeweiligen Ursprungsregeln. ASEAN selbst spielt in diesem Gefüge die Rolle des geopolitischen Integrators: ASEAN-Staaten haben RCEP initiiert und etwa die Hälfte von ihnen trägt CPTPP mit. ASEAN vertritt das Prinzip der „offenen Regionalismus“, d.h. es hält seine Plattform für externe Partner offen – sichtbar an RCEP und den ASEAN+1-FTAs. Im Vergleich zu RCEP und CPTPP ist ASEANs eigenes Integrationsniveau (AEC) zwar tiefer als RCEP, aber weniger verbindlich als CPTPP: Die AEC verzichtet z.B. auf supranationale Rechtsdurchsetzung, vieles beruht auf freiwilliger Umsetzung. CPTPP hat dagegen robuste Durchsetzungsmechanismen (Streitbeilegung mit Sanktionsmöglichkeit), RCEP zumindest institutionalisierte Konsultationen.

Einfluss auf Asien-Pazifik-Region und globale Lieferketten

Insgesamt verstärken ASEAN, RCEP und CPTPP den Status der Asien-Pazifik-Region als Drehkreuz der Weltwirtschaft. Durch RCEP entsteht de facto ein riesiger Produktions- und Absatzraum, in dem Zulieferteile und Endprodukte weitgehend zollfrei zirkulieren können. Globale Konzerne können z.B. Teile in Korea fertigen, in Vietnam assemblieren und in China verkaufen, ohne an den Grenzen hohe Abgaben zu zahlen – dies macht asiatische Lieferketten noch wettbewerbsfähiger. CPTPP vernetzt darüber hinaus Asien mit Amerika: Hersteller aus Japan oder Malaysia können über CPTPP privilegiert Märkte wie Kanada oder Mexiko bedienen und umgekehrt. Es bildet sich ein immer dichteres Netz, in dem Warenströme fliessen. Für die globalen Lieferketten bedeutet dies zum einen mehr regionale Integration: Wertschöpfung wird verstärkt innerhalb der RCEP/CPTPP-Zonen stattfinden, weil hier Zollvorteile genutzt werden können. Beispielsweise könnte ein Elektronikkonzern seine Zulieferkette stärker auf CPTPP-Länder verlegen, um sicherzustellen, dass das Endprodukt CPTPP-Ursprung hat und so zollfrei zwischen diesen Ländern gehandelt werden kann. Zum anderen erfordern die Abkommen eine Koordinierung der Produktionsprozesse, damit die jeweiligen Kriterien erfüllt werden – was aber durch die Harmonisierung (v.a. der Ursprungsregeln in RCEP) erleichtert wird. Im Ergebnis steigen die Opportunitätskosten, nicht Teil solcher Abkommen zu sein: Länder ausserhalb (wie die USA bezüglich RCEP/CPTPP, oder die EU bezüglich RCEP) könnten langfristig Handelsumlenkungen spüren, da Investitionen bevorzugt in die grossen Freihandelsblöcke fliessen. Asiatische Volkswirtschaften hingegen rücken noch enger zusammen. So ist bereits ein Trend erkennbar, dass der intra-asiatische Handel wächst, während die Abhängigkeit von europäischen oder nordamerikanischen Märkten relativ abnimmt . Das heisst nicht, dass Europa oder die USA unwichtig würden – aber Asien kann dank RCEP/CPTPP autonomer wirtschaften.

Die Abkommen beeinflussen auch die globale Lieferkettenstruktur: Während bisher „China als Werkbank“ dominierte, fördern RCEP und CPTPP eine breitere Verteilung der Fertigung auf mehrere Standorte (China+1-Strategie). ASEAN-Länder wie Vietnam oder Malaysia, die in beiden Abkommen sind, werden als Fertigungsstandorte noch attraktiver. Unternehmen, die z.B. Teile aus China beziehen, können diese via RCEP zollfrei nach Vietnam liefern und dort fertige Produkte herstellen, die dann über CPTPP z.B. zollfrei nach Japan oder Kanada geliefert werden. Dadurch entstehen mehrstufige Lieferketten quer durch Asien und darüber hinaus. Allerdings ist dies mit administrativer Komplexität verbunden, da die Einhaltung beider Abkommensregime gewährleistet sein muss. Dennoch: Der kombinierte Einfluss von RCEP und CPTPP dürfte die Asien-Pazifik-Region als Produktions- und Lieferketten-Hub weiter stärken. Sie verfügt nun sowohl über die Grösse (RCEP) als auch über hohe gemeinsame Standards (CPTPP), um global eine zentrale Rolle zu spielen. Im grösseren Bild tragen diese Abkommen dazu bei, die weltweiten Handelsströme tendenziell aus dem transatlantischen Fokus hin stärker in den Indo-Pazifik zu verlagern. Für die Globalisierung könnte dies bedeuten, dass wir vermehrt regionale Handelsblöcke als Stützpfeiler sehen, die untereinander – etwa via Unternehmen, die in mehreren Blöcken tätig sind – verbunden sind. Asien-Pazifik nimmt hierbei eine Vorreiterrolle ein, während andere Regionen (z.B. Afrika mit der AfCFTA, Amerika mit USMCA/MERCOSUR) eigene regionale Projekte verfolgen. Letztlich zeigen ASEAN, RCEP und CPTPP gemeinsam, dass Asien sich nicht als passiver Spielball der Grossmächte sieht, sondern aktiv die Handelsordnung mitgestaltet.

Auswirkungen auf den strategischen Einkauf und Asia Sourcing

Die beschriebenen Handelsabkommen haben direkte Implikationen für Unternehmen, insbesondere für deren strategischen Einkauf und globale Beschaffungs- bzw. Lieferkettenstrategie („Asia Sourcing“). Insgesamt eröffnen sich Chancen durch Marktzugangserleichterungen, aber es entstehen auch neue Anforderungen an das Management von Lieferketten und Compliance.

Chancen für Unternehmen und Branchen: Durch RCEP und CPTPP erweitern sich für viele Unternehmen die Einkaufs- und Beschaffungsmöglichkeiten in Asien erheblich. Zollsenkungen führen dazu, dass Vorprodukte, Rohstoffe oder Fertigerzeugnisse aus den Mitgliedsländern zu geringeren Kosten importiert werden können. Für den Einkauf bedeutet dies potentiell günstigere Bezugsquellen: Ein Beschaffungsmanager kann Angebote aus z.B. Vietnam oder Thailand nun attraktiver finden, da die Einfuhrzölle wegfallen. Insbesondere in zollintensiven Branchen – etwa Automobil (wo viele Teile grenzüberschreitend zugeliefert werden) oder Textil/Bekleidung – lassen sich durch das clevere Ausnutzen der Freihandelsabkommen beträchtliche Kosten sparen. Unternehmen können ihre Lieferketten strategisch neu ausrichten, um von den Präferenzzöllen zu profitieren . Ein Beispiel: Ein Elektronikhersteller könnte bestimmte Komponenten statt in einem teureren Drittland nun innerhalb der RCEP-Region beziehen, um sicherzustellen, dass das Endprodukt RCEP-Ursprung hat und im Zielmarkt (etwa Japan) zollfrei bleibt. Solche „Make-or-Buy“- und Standortentscheidungen werden künftig vermehrt die existierenden Handelsabkommen berücksichtigen. RCEP bietet dabei den Vorteil eines grossen integrierten asiatischen Marktes, CPTPP den Zugang sowohl zu Asien als auch zu Amerika – beide eröffnen neue Kombinationsmöglichkeiten.

Darüber hinaus wirken die Abkommen handelsfacilitierend: Einheitliche Regeln und schlankere Zollprozesse reduzieren bürokratischen Aufwand an den Grenzen . Für die Beschaffung bedeutet dies verlässlichere und schnellere Lieferungen (weniger Verzögerungen bei der Einfuhr). Beispielsweise hat RCEP Vereinfachungen wie elektronische Zollabfertigung vorgesehen; CPTPP verpflichtet die Mitglieder zu transparenten und effizienten Zollverfahren. Dies erhöht die Planbarkeit der Supply Chain. Multinationale Unternehmen können nun mit einem Set an Regeln (pro Abkommen) in mehreren Ländern agieren, was die Komplexität verringert. Besonders kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), die oft weniger Ressourcen für aufwändige Zollabwicklung haben, können von standardisierten Verfahren profitieren – etwa indem sie mit einem einzigen Ursprungszeugnis in alle RCEP-Länder exportieren können. Zudem schaffen die Abkommen neue Beschaffungsmärkte: Länder wie Myanmar, Kambodscha oder Laos – bisher abseits vieler Wertschöpfungsketten – werden über RCEP stärker eingebunden. Unternehmen könnten prüfen, ob sich dort Kostenvorteile nutzen lassen, da deren Produkte nun leichter exportierbar sind. Auch die Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie sehen Chancen: CPTPP hat z.B. Japans hohe Agrarzölle teilweise gesenkt, was Lieferanten aus Übersee (z.B. australische Rindfleischproduzenten) neue Möglichkeiten verschafft . Insgesamt erhöht die Integration Asiens den Wettbewerb unter Lieferanten – Einkäufer können aus einem breiteren Feld von Anbietern schöpfen, was tendenziell zu besseren Konditionen führt (Preiswettbewerb, höhere Qualität).

Nicht zuletzt fördern Abkommen wie CPTPP auch höhere Standards in den Lieferketten, was für multinationale Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (CSR) relevant ist. Beispielsweise verlangen CPTPP-Vorschriften die Einhaltung bestimmter Arbeitsstandards entlang der Lieferkette. Für Unternehmen, die global agieren, kann dies die Sicherstellung einheitlicher Mindeststandards erleichtern – man kann sich auf die CPTPP-Regeln berufen und entsprechende Zusicherungen von Zulieferern einfordern. Dieser „Compliance-Schub“ in der Lieferkette kommt letztlich auch den Unternehmen zugute, da er etwaige Reputationsrisiken senkt (Stichwort: keine ausbeuterische Kinderarbeit bei CPTPP-Lieferanten, etc.) . Europäische Firmen, die in CPTPP-Ländern zuliefern lassen, stellen fest, dass viele lokale Partner nun bereit sind, ihre Praktiken anzuheben, weil es die Abkommensregeln verlangen – was die Zusammenarbeit auf ein nachhaltigeres Fundament stellt. Insgesamt ergeben sich also vielfältige Chancen: Kosteneinsparungen, grössere Lieferantenauswahl, Marktausweitung und verbesserte Compliance-Bedingungen. Unternehmen, die diese proaktiv nutzen, können ihre Beschaffungsstrategien optimieren – etwa durch Einrichtung regionaler Beschaffungshubs in ASEAN, um von RCEP aus gesamte Asien-Pazifik-Märkte zu bedienen.

Herausforderungen durch Handelskonflikte, Zollregulierungen und Compliance-Anforderungen

Trotz der genannten Chancen müssen Unternehmen auch eine Reihe von Herausforderungen im neuen Handelsumfeld bewältigen. Erstens erhöht sich durch die parallele Existenz mehrerer Abkommen die Komplexität im Handelsmanagement. Jedes Abkommen hat eigene Regeln zur Ursprungsbestimmung, spezifische Zolltarifstaffeln und Ausnahmelisten. Für Firmen mit globalen Lieferketten bedeutet dies, dass sie sehr genau analysieren müssen, welche Zulieferteile unter welches Abkommen fallen und wie die Rules of Origin optimal erfüllt werden. Es kann vorkommen, dass ein Endprodukt zwar die Kriterien für RCEP-Präferenzen erfüllt, aber nicht für CPTPP und umgekehrt. Strategischer Einkauf muss daher Know-how in Bezug auf präferenzielle Ursprungsregeln aufbauen. Beispielsweise reicht es nicht, einfach billigste Komponenten weltweit einzukaufen – man muss ggf. etwas teurere Komponenten aus dem Abkommensraum beziehen, damit das Endprodukt den Ursprungsstatus erhält und insgesamt (dank Zollersparnis) günstiger wird. Diese Abwägungen verlangen detaillierte Kalkulationen und Trade-Off-Analysen.

Zweitens erfordern die Abkommen strikte Compliance und Dokumentation. Um Zollpräferenzen in Anspruch zu nehmen, müssen Unternehmen nachweisen, dass ihre Produkte die Voraussetzungen erfüllen (z.B. hinreichende regionale Wertschöpfung, korrekte Ursprungserklärung). Die Behörden der Mitgliedsländer überprüfen zunehmend genau die Anspruchsnachweise, da mit den Abkommen auch Verpflichtungen einhergehen, Missbrauch (etwa Umlabeln von Drittlandware) zu verhindern. Dadurch steigt der Prüfdruck auf die Lieferketten. Ein Fachbeitrag warnt, dass die Unternehmenswelt mit steigender behördlicher Kontrolle konfrontiert ist und immer komplexere Vorschriften in mehreren Jurisdiktionen meistern muss – wer die Bedeutung von Compliance unterschätzt, riskiert Gesetzesverstösse, Bussgelder und Reputationsschäden, die bis hin zu Lieferkettenabbrüchen führen können . Insbesondere Firmen, die mehrere FTAs parallel nutzen wollen, stehen vor einer Herkulesaufgabe: Angesichts der Vielzahl der in Asien verfügbaren Freihandelsabkommen und der Vielfalt der Produkte ist es „nahezu unmöglich“, alle entsprechenden Regeln manuell zu beherrschen . Hier kommen oft IT-Lösungen (Trade-Compliance-Software) zum Einsatz, um Zolltarifänderungen, Ursprungsregeln und Dokumentationen automatisiert zu managen . Der strategische Einkauf muss also eng mit Zoll- und Compliance-Abteilungen zusammenarbeiten und ggf. in entsprechende Systeme investieren.

Drittens bleiben Handelskonflikte und geopolitische Risiken ein nicht zu unterschätzender Faktor. Zwar mildern Abkommen wie RCEP einige Konfliktfolgen ab (etwa indem sie Alternativmärkte schaffen, falls ein Land wegen eines Konflikts ausfällt), doch sie lösen diese nicht vollständig. Beispiel: Der Handelskrieg zwischen den USA und China. US-Zölle auf chinesische Waren bestehen weiter, da weder RCEP noch CPTPP die USA einbinden. Viele Unternehmen verfolgen daher eine „China+1“-Strategie – sie verlagern Teile ihrer Produktion aus China in andere asiatische Länder (z.B. Vietnam, Indonesien), um US-Zöllen zu entgehen. RCEP erleichtert diese Verlagerung insofern, als die Produktion in Vietnam immer noch durch günstige Zulieferungen aus China unterstützt werden kann (zollfrei innerhalb RCEP) und das Endprodukt dann in die USA exportiert wird. Dennoch bleibt beim Export in die USA der Zoll bestehen, da die USA nicht Teil des Abkommens sind. Für global operierende Firmen heisst das: Trotz RCEP/CPTPP müssen sie multi-lateral denken und etwaige externe Zölle (US, EU) in ihrer Sourcing-Strategie berücksichtigen. Handelsabkommen bieten zwar „Inseln“ der Zollfreiheit, aber Lieferketten spannen oft über mehrere solcher Inseln. So müssen Unternehmen womöglich auf Ursprungsdiversifizierung setzen – z.B. zwei Varianten eines Produkts herstellen, eine mit RCEP-Ursprung für Asien, eine mit USMCA-Ursprung für Amerika, etc. Dies ist kostspielig und logistisch anspruchsvoll.

Ein weiteres Spannungsfeld ist die Compliance mit unterschiedlichen Regulierungsanforderungen:

CPTPP verlangt, wie erwähnt, die Einhaltung gewisser Arbeits- und Umweltstandards. Für Beschaffungsverantwortliche bedeutet dies, auch nicht-tarifäre Kriterien bei Lieferantenauswahl zu beachten. Ein Fabrikant in einem CPTPP-Land, der z.B. gegen Arbeitsgesetze verstösst, könnte indirekt Probleme für den Abnehmer erzeugen, falls dadurch Streitbeilegungsverfahren oder Sanktionen drohen. Zwar richten sich diese Bestimmungen primär an Staaten, doch der Druck wird an die Unternehmen weitergegeben. Multinationals werden somit verstärkt Lieferantenaudits durchführen (müssen), um CPTPP-Standards zu gewährleisten. Auch Umwelt- und Klimavorgaben könnten wichtiger werden: Wenn etwa CPTPP-Mitglieder ihre Verpflichtungen aus dem Umweltkapitel ernst nehmen, könnten sie von Importeuren Nachweise zu CO₂-Fussabdruck oder umweltfreundlicher Produktion verlangen.

Ein nicht zu vernachlässigendes Thema ist zudem die Compliance mit Exportkontrollen und Sanktionen. Gerade im asiatischen Raum mit sensiblen Tech-Lieferketten (Halbleiter, Telekom) spielen ausserhandelspolitische Faktoren hinein: Die Abkommen beseitigen Zölle, aber nicht alle Handelshemmnisse. Nationale Sicherheitsgesetze (z.B. US-Beschränkungen für Exporte nach China) oder Sanktionsregime können Lieferketten abrupt stören, Abkommen hin oder her. Der strategische Einkauf muss daher neben Zollfragen auch immer die politischen Rahmenbedingungen im Blick haben. So kann es passieren, dass ein RCEP-Land politisch unter Druck gerät und plötzlich ein Boykott droht – siehe etwa Australien-China (Wein-/Kohleboykott 2020 trotz FTA). Solche Unwägbarkeiten fordern flexible Sourcing-Strategien (z.B. Multi-Sourcing aus verschiedenen RCEP-Ländern statt Konzentration auf eines).

Schliesslich seien Compliance-Kosten erwähnt: Die Nutzung von Präferenzabkommen ist nicht automatisch kostenlos – es fallen Verwaltungskosten an (für Ursprungszertifikate, Rechtsberatung, IT-Systeme). Unternehmen müssen kalkulieren, ob die Einsparungen durch Zollfreiheit die zusätzlichen Aufwendungen übersteigen. Bei höheren Volumina ist das meist der Fall, aber bei kleineren Lieferungen könnte der Vorteil gering sein. Auch besteht das Risiko, dass falsche Ursprungserklärungen im Nachhinein Zolleintreibungen nach sich ziehen. Somit ist Sorgfalt bei der Dokumentation essenziell. Viele Unternehmen etablieren hierfür interne Kontrollen oder beauftragen Spezialisten, um die präferenzielle Lieferantenerklärung lückenlos zu gestalten.

Insgesamt kann festgehalten werden: Für den strategischen Einkauf eröffnen ASEAN, RCEP und CPTPP neue Horizonte und Einsparpotentiale, die jedoch nur mit professionellem Management zu realisieren sind. Supply-Chain-Manager werden stärker in Fragen der Handelsstrategie involviert sein müssen („Wo produziere ich was, um welchen Markt zollfrei zu bedienen?“). Unternehmen, die diese Komplexität meistern, können sich einen Wettbewerbsvorteil sichern; diejenigen, die sie unterschätzen, laufen Gefahr, ineffizient zu agieren oder gar rechtliche Verstösse zu begehen. Angesichts der zunehmenden Kontrollintensität im Handels-Compliance-Bereich gilt: ein proaktiver Umgang mit den neuen Spielregeln (inkl. Schulung des Personals, Einsatz von Software, externer Beratung) ist unverzichtbar, um die Vorteile der Asien-Handelsabkommen voll auszuschöpfen und Risiken zu minimieren .

Zukunftsperspektiven und Fazit

Die Handelsabkommen ASEAN, RCEP und CPTPP befinden sich in einem fortlaufenden Entwicklungsprozess und werden die Handelslandschaft im Asien-Pazifik vermutlich noch für Jahre prägen. Potenzielle Erweiterungen oder Veränderungen sind bereits absehbar. Bei ASEAN selbst steht die Aufnahme von Timor-Leste als neuem Mitglied bevor, was die Gemeinschaft vergrössert, aber auch vor die Aufgabe stellt, dieses kleine und weniger entwickelte Land in die wirtschaftliche Integration zu integrieren . Zudem arbeitet ASEAN intern an der Umsetzung der nächsten Integrations-Meilensteine (AEC 2025 Blueprint), die z.B. Dienstleistungen und Investitionen freier fliessen lassen sollen.

Für RCEP gilt es nun vor allem, das Abkommen vollständig umzusetzen – mehrere Mitgliedstaaten (z.B. die Philippinen) ratifizierten erst 2023, und einige Zollabbau-Schritte sind über 20 Jahre gestreckt . In Zukunft könnte Indien – das 2019 ausgestiegen war – doch noch dem RCEP beitreten. Theoretisch bietet das Abkommen diese Möglichkeit, sollte Indien seine Bedenken (vor allem bezüglich chinesischer Importe) überwinden. Ein indischer Beitritt würde RCEP weiter aufwerten und den Block fast die gesamte asiatische Bevölkerung umfassen lassen. Darüber hinaus ist RCEP zwar eine regionale Initiative, aber offen – denkbar wäre langfristig auch ein Beitritt anderer Staaten, die enge Handelsbeziehungen zur Region haben (einige sprechen etwa von der Perspektive Zentralasiens oder der Golfstaaten, obgleich das bislang spekulativ ist). Inhaltlich könnte RCEP in Zukunft ausgebaut werden, wenn die Mitglieder dies wünschen. Momentan ist das Abkommen weniger tief als CPTPP; es wäre möglich, in einigen Jahren über Zusatzprotokolle z.B. Regelungen zu E-Commerce zu vertiefen oder neue Themen (Umwelt?) aufzunehmen, sobald die Entwicklung in den Mitgliedsländern weiter fortgeschritten ist. Allerdings sind solche Schritte mittelfristig unwahrscheinlich, da RCEP bewusst als konsensfähiger Minimalstandard konzipiert wurde.

Das CPTPP befindet sich an einem kritischen Punkt der Expansion. Der Beitritt Grossbritanniens – als erstem europäisch geführten Land – markiert einen Meilenstein hin zu einer transkontinentalen Ausweitung . In den nächsten Jahren wird sich zeigen, wie die Dynamik weiterer Beitrittskandidaten verläuft. Eines der spannendsten Szenarien ist der Umgang mit Chinas Antrag. Sollte China, trotz aller Hürden, ernsthaft seine Politiken anpassen und auf Aufnahme drängen, stünde das CPTPP vor einer geopolitischen Weichenstellung: Eine Aufnahme Chinas würde den Block wirtschaftlich massiv vergrössern, aber auch seinen Charakter verändern (China ist in RCEP, aber in CPTPP gelten strengere Vorgaben – das wäre ein Testfall für Chinas Bereitschaft zu Reformen) . Wahrscheinlicher ist kurzfristig die Aufnahme weiterer mittelgrosser Volkswirtschaften: Taiwan hofft auf Mitgliedschaft (was jedoch politisch heikel ist wegen Chinas Protest), Südkorea hat reges Interesse signalisiert, ebenso Thailand. Diese asiatischen Aspiranten passen vom Profil gut ins CPTPP (marktwirtschaftlich orientiert), müssten aber alle CPTPP-Bestimmungen akzeptieren – was z.B. in Thailand innenpolitisch diskutiert wird (Thema Agrarimporte, Patentschutz etc.). In Lateinamerika könnten nach Mexiko, Peru, Chile auch Ecuador (das beantragt hat) und evtl. Kolumbien hinzukommen, um die pazifische Allianz zu komplettieren. Es ist also denkbar, dass das CPTPP in einigen Jahren auf 15–16 Mitglieder anwächst, was seine Reichweite deutlich steigern würde. Die USA bleiben der grosse Unbekannte: Ein Wiedereinstieg der USA in eine modernisierte TPP (oder CPTPP) würde das Machtgefüge erneut verschieben und dem Abkommen schlagartig ein dominierendes Gewicht verleihen. Allerdings ist die politische Bereitschaft dafür in Washington derzeit gering, sodass Asien-Pazifik ohne die USA weiter integriert. Interessant ist auch die Beziehung EU–Asien: Die EU ist weder in RCEP noch CPTPP vertreten, setzt aber auf bilaterale Abkommen (mit Japan, Vietnam, Singapur usw.). Künftig könnte die Frage aufkommen, ob z.B. ein Beitritt der EU zu CPTPP (als Kollektiv oder durch einzelne Mitgliedstaaten) sinnvoll wäre, um im pazifischen Handel nicht abgehängt zu werden – bislang ist dies jedoch fernere Zukunftsmusik.

Auswirkungen auf die Globalisierung und Asiens Rolle in der Weltwirtschaft

Die beschriebenen Entwicklungen weisen klar darauf hin, dass sich das Gravitationszentrum der Weltwirtschaft weiter nach Osten verschiebt . Asien – angetrieben von China, aber auch von der ASEAN-Region, Japan, Korea und anderen – rückt durch Abkommen wie RCEP und CPTPP noch enger zusammen und tritt geschlossen(er) auf. Dies hat mehrere Implikationen für die Globalisierung: Einerseits fördern die Abkommen natürlich die Globalisierung im Sinne von grenzüberschreitender Vernetzung – in diesem Fall jedoch mit einem regionalen Schwerpunkt. Manche Experten sprechen von einer Ära der „regionalisierten Globalisierung“, in der grosse Binnenblöcke entstehen, die intern stark verflochten sind, während der zwischenregionale Austausch etwas relativiert wird. So könnten Nordamerika, Europa und Asien jeweils intensivere intraregionale Handelsbeziehungen pflegen, aber dennoch über multinationale Konzerne und globale Wertschöpfungsketten miteinander verbunden bleiben. Asien ist in diesem Szenario wohl der am stärksten integrierte und zugleich wachstumsstärkste Raum. Prognosen zufolge wird Asien (inkl. RCEP-Raum) bis 2030 etwa die Hälfte der Weltwirtschaft ausmachen . Damit wird Asien auch die Regeln der Globalisierung stärker mitbestimmen. Bereits jetzt hat man mit CPTPP einen „Regelsetzer“ ohne westliche Dominanz, der hohe Standards implementiert – eine interessante Entwicklung, da bisher oft der Westen solche Standards vorgab. China versucht mit RCEP eher eine offene, aber weniger regelintensive Globalisierung voranzutreiben. Die Koexistenz beider zeigt, dass es unterschiedliche Modelle der Integration gibt. Möglich ist, dass auf lange Sicht eine Annäherung erfolgt: Sollte China z.B. doch CPTPP-Standards übernehmen wollen (für einen Beitritt), hätte das enorme symbolische Strahlkraft und würde die globalen Normen angleichen. Ebenso könnten westliche Staaten sich irgendwann entschliessen, RCEP-ähnliche Abkommen mit Asien zu schmieden, um nicht aussen vor zu bleiben.

In jedem Fall festigt sich Asiens Rolle als „Werkbank und Marktplatz der Welt“. Die Abkommen tragen dazu bei, dass Produktion, Handel und auch Innovation (man denke an den digitalen Handel im CPTPP) in Asien florieren. Gleichzeitig steht Asien aber auch vor der Verantwortung, diese Führungsrolle nachhaltig und fair zu gestalten. Es wird darauf ankommen, inwieweit Fragen der Inklusivität (Teilhabe der ärmeren Länder an den Gewinnen), Nachhaltigkeit (Umweltverträglichkeit des Wachstums) und Stabilität (Vermeidung politischer Konflikte) berücksichtigt werden. Handelsabkommen sind kein Allheilmittel; sie bieten Rahmenbedingungen, die genutzt werden müssen. Die Mitgliedstaaten müssen intern Reformen umsetzen, um das Potenzial auszuschöpfen – sei es Infrastrukturinvestitionen, Bildungsanstrengungen oder Anpassungen von Regulierungen. Zudem dürfen regionale Abkommen nicht zu neuer Ausgrenzung führen: Länder, die nicht Mitglied sind (z.B. ärmere Länder in Südostasien wie Myanmar, das in RCEP zwar ist, aber wenig Kapazität hat, oder Länder in Südasien/Afrika), könnten relativ ins Hintertreffen geraten, wenn sich Handelsströme verlagern. Hier wird die globale Wirtschaftspolitik gefordert sein, Ausgleichsmassnahmen zu finden (etwa über die WTO oder Entwicklungskooperation).

Fazit

Die Handelsabkommen ASEAN, RCEP und CPTPP repräsentieren gemeinsam einen Paradigmenwechsel in der internationalen Handelsordnung. Sie unterstreichen die wachsende ökonomische Bedeutung Asiens und zeigen unterschiedliche Wege auf, Handelspolitik zu gestalten – von regionaler Gemeinschaftsbildung (ASEAN) über breit angelegte Freihandelszone (RCEP) bis zu wertebasiertem Wirtschaftsbündnis (CPTPP). Für die globale Wirtschaft liefern sie einerseits neue Impetus für Wachstum und Integration, andererseits führen sie zu einer Neujustierung von Machtverhältnissen: Asien-Pazifik ist nicht mehr nur eine Werkbank für westliche Märkte, sondern formt eigenständig Handelsregeln und -räume. Unternehmen weltweit müssen sich auf diese Realität einstellen, indem sie ihre Strategien an die in Asien entstehenden Mega-Märkte und -Regeln anpassen. Zugleich bleibt abzuwarten, wie sich die Interaktion zwischen den Abkommen entwickelt – sie könnten sich ergänzen, konkurrieren oder sogar eines Tages zusammengeführt werden. Denkbar wäre langfristig etwa, dass CPTPP und RCEP sich annähern, falls mehr Länder beidem beitreten.

Kurzfristig ist klar: Asien setzt mit RCEP und CPTPP ein Zeichen für Freihandel, während in Teilen der westlichen Welt Tendenzen zu Protektionismus oder handelspolitischer Neuorientierung (z.B. „Friendshoring“) bestehen. Diese Divergenz könnte die Globalisierung verändern – weg von einem universalistischen Ansatz (WTO) hin zu mehreren Knotenpunkten. Doch es besteht auch die Chance, dass diese grossen Abkommen als Best Practice dienen und letztlich doch in den multilateralen Rahmen zurückwirken, indem sie zeigen, dass Handel für alle Seiten Vorteile bringen kann, wenn auch unter fairen Regeln. Abschliessend lässt sich festhalten: ASEAN, RCEP und CPTPP haben Asien in den Mittelpunkt der weltwirtschaftlichen Bühne gerückt. Ihr Erfolg oder Misserfolg wird erheblich beeinflussen, wie die nächste Phase der Globalisierung verläuft. Gelingt es, die Abkommen voll umzusetzen und weiterzuentwickeln, so dürfte Asien seine Rolle als Wachstumsmotor festigen und einen bedeutenden Beitrag zur Gestaltung globaler Handelsnormen leisten. Gleichzeitig müssen die bekannten Herausforderungen – von innerer Kohärenz (ASEAN) über ambitionierte Umsetzung (RCEP) bis zur Ausbalancierung geopolitischer Interessen (CPTPP) – gemeistert werden. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob diese Abkommen nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis Motoren für nachhaltigen, integrativen Wohlstand in der Asien-Pazifik-Region und darüber hinaus sein können. Klar ist schon jetzt, dass ohne Asien die Zukunft der Globalisierung nicht geschrieben werden kann – und die hier analysierten Handelsabkommen sind ein zentraler Teil dieses neuen Kapitels der Weltwirtschaftsgeschichte.

Quellen

• ASEAN, Association of Southeast Asian Nations – Grundlagen, Mitglieder, Wirtschaftsdaten

• CFR (Council on Foreign Relations): What Is ASEAN? – Hintergrund zu ASEANs Zielen, Erfolgen und Problemen

• FPRI: ASEAN in 2023: What to Expect – aktuelle Herausforderungen (Myanmar, Timor-Leste, Indo-Pazifik)

• Rödl & Partner: Asiens Freihandelsabkommen im Fokus: CPTPP, RCEP… – Deutsche Analyse der Abkommen, detailliert zu Mitgliedern, Standards, Auswirkungen

• Wirtschaftsdienst (2021): Das RCEP-Abkommen und dessen Bedeutung für die EU – Umfang und Bedeutung von RCEP (Daten zu BIP, Zollabbau, Inhalte)

• Thomson Reuters Institute (2022): RCEP is transforming trade in Asia Pacific – Einschätzung der Auswirkungen von RCEP (z.B. Japan als Gewinner)

• Asia Society (2024): On U.S.-ASEAN Relations & Trade – Statistiken zur ASEAN-Wirtschaft und Handelsbeziehungen

• IMF (2023): The Rise of Discriminatory Regionalism – Trend der Zunahme regionaler Handelsabkommen weltweit

• USDA/ERS (2012): Reciprocal Trade Agreements… – Anstieg des Anteils von Freihandelsabkommen am Welthandel

• Afronomicslaw (2020): Systemic Implications of the RCEP… – Vergleich: RCEP ohne Arbeits- und Umweltkapitel vs. CPTPP mit hohen Standards

• PIIE/CSIS: Verschiedene Analysen zum Vergleich RCEP vs. CPTPP (CPTPP als „Goldstandard“)

• AEB (2022): Navigating trade compliance obstacles in APAC – Auswirkungen von RCEP auf Trade-Compliance, Herausforderungen für Unternehmen

• WTO/Datenbank: Anzahl der regionalen Handelsabkommen.