Rückforderung von US-Strafzöllen: Der „Protest“, die Post-Summary Correction und die Bedeutung der Liquidation
Die unter Präsident Trump verhängten Strafzölle auf eine Vielzahl von Waren belasten die internationalen Lieferketten erheblich. Schweizer Unternehmen, die in die USA exportieren, müssen zum Teil massive Mehrkosten tragen. Inzwischen ist die Rechtmässigkeit vieler dieser Zölle vor US-Gerichten umstritten. Mehrere Urteile haben ergeben, dass die Massnahmen unrechtmäßig waren, doch endgültig entschieden ist der Fall noch nicht. Derzeit liegt die Angelegenheit beim Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten (Supreme Court). Sollte dieser die Zölle endgültig für rechtswidrig erklären, eröffnet sich für betroffene Unternehmen die Möglichkeit, bereits gezahlte Abgaben zurückzufordern.
Gerichte – darunter das U.S. Court of International Trade (CIT) und das Bundesberufungsgericht (Federal Circuit) – haben entschieden, dass bestimmte unter dem International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) verhängte Trump-Zölle unrechtmässig waren. Diese Urteile wurden aber ausgesetzt (Stays), sodass die Zölle bis mindestens 14. Oktober 2025 weiterhin gelten. Eine endgültige Entscheidung des Supreme Court steht noch aus.
Allerdings ist dieser Anspruch mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht automatisch gegeben. Unternehmen müssen rechtzeitig und in der richtigen Form sicherstellen, dass ihre Rechte gewahrt bleiben. Die entscheidenden Begriffe in diesem Zusammenhang sind „Protest“, „Post-Summary Correction (PSC)“ und „Liquidation“. Wer sie nicht kennt und korrekt anwendet, riskiert, seine Ansprüche dauerhaft zu verlieren.
Anwendungsfall bei den Trump-Strafzöllen
Da die Trump-Strafzölle teilweise auf rechtlich fragwürdiger Grundlage erhoben wurden, eröffnen sich nach einer möglichen Aufhebung durch den Supreme Court zwei Wege zur Rückerstattung:
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Automatische Rückzahlung durch CBP – eher unwahrscheinlich, da es sich um Milliardenbeträge handelt.
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Rückforderung auf Initiative der Unternehmen – durch fristgerechte Protesteinreichung oder ergänzende Verfahren (z. B. „post-summary correction“ vor der Liquidation).
Nur Unternehmen, die ihre Ansprüche durch Protest oder andere administrative Mittel gewahrt haben, werden aller Voraussicht nach erstattungsberechtigt sein.
Praktische Empfehlungen für Unternehmen
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Dokumentation prüfen: Alle Einfuhren, die von Strafzöllen betroffen waren, sollten vollständig dokumentiert sein (Einfuhrdatum, Zolltarifnummer, Höhe der Abgaben).
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Fristen im Auge behalten: 180-Tage-Frist ab Liquidation ist zwingend. Unternehmen müssen den Protest rechtzeitig einreichen.
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Prozess vorbereiten: Abstimmung mit Zollagenten und Fachanwälten für US-Handelsrecht, um standardisierte Protestverfahren aufzusetzen.
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Strategische Erwägungen: Auch wenn der Supreme Court noch nicht entschieden hat, kann eine vorsorgliche Protesteinreichung notwendig sein, um Rechte zu sichern.
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Branchenlösungen nutzen: Viele Verbände organisieren Sammelaktionen oder Musterklagen, um die Erfolgschancen und Effizienz zu erhöhen.
Der Protest – das zentrale Rechtsmittel im US-Zollrecht
Unter einem „Protest“ versteht man im US-Zollrecht ein formelles Rechtsmittel, das gegen Entscheidungen der U.S. Customs and Border Protection (CBP) eingelegt werden kann. Rechtsgrundlage ist § 514 des Tariff Act of 1930 (19 U.S.C. § 1514).
Ein Protest wird auf einem offiziellen Formular eingereicht (CBP Form 19, „Protest Against Decision of CBP“) und muss innerhalb von 180 Tagen nach der Liquidation erfolgen. Mit einem Protest wird die Entscheidung der Zollbehörden über die Höhe oder Art der erhobenen Abgaben angefochten.
Nur durch einen fristgerecht eingereichten Protest behält ein Importeur das Recht, eine spätere Rückerstattung zu verlangen. Unternehmen, die keinen Protest eingereicht haben, können selbst dann keine Erstattung erwarten, wenn der Supreme Court die Zölle für unrechtmässig erklärt.
Post-Summary Correction (PSC) – Korrektur vor der Liquidation
Neben dem Protest gibt es ein weiteres Instrument: die Post-Summary Correction. Dabei handelt es sich um die Möglichkeit, eine bereits abgegebene Zollanmeldung nachträglich zu korrigieren – allerdings nur, solange der Vorgang noch nicht von CBP „liquidiert“ wurde.
Die Rechtsgrundlage findet sich in den Customs Regulations (19 CFR § 141.61 sowie ergänzende Bestimmungen im CBP-Handbuch). PSCs sind insbesondere dann relevant, wenn sich noch während des laufenden Verfahrens herausstellt, dass Zölle unrechtmäßig erhoben wurden oder ein Fehler in der Zollanmeldung vorliegt.
Sobald die Liquidation erfolgt ist, ist eine PSC ausgeschlossen. Danach bleibt nur noch der Protest.
Liquidation – was genau bedeutet das?
Der Begriff „Liquidation“ hat im US-Zollrecht eine besondere Bedeutung, die sich nicht direkt mit europäischen Verfahren vergleichen lässt.
Mit „Liquidation“ bezeichnet CBP die abschließende Festsetzung der endgültig geschuldeten Abgaben. Dies geschieht in der Regel innerhalb von etwa 314 Tagen nach der Einfuhr. Man kann die Liquidation mit einem rechtskräftigen Steuerbescheid vergleichen: Erst wenn CBP den Vorgang „liquidiert“, ist die Höhe der Abgaben verbindlich festgestellt.
Für Unternehmen ist der Zeitpunkt der Liquidation entscheidend:
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Vor der Liquidation können Änderungen noch über eine Post-Summary Correction eingebracht werden.
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Nach der Liquidation ist nur noch ein Protest möglich. Die Frist dafür beträgt 180 Tage.
Ein Beispiel macht dies deutlich:
Wird eine Ware am 1. Januar 2025 eingeführt und CBP liquidiert den Vorgang am 15. Oktober 2025, so kann der Importeur bis zum 14. Oktober 2025 eine PSC einreichen. Ab dem 15. Oktober 2025 ist nur noch ein Protest möglich, der bis zum 13. April 2026 eingereicht werden muss.
Ohne PSC oder Protest erlischt der Anspruch auf Rückerstattung unwiderruflich – auch wenn sich später herausstellt, dass die Zölle illegal waren.
Weitere Rechtswege: Administrative Refunds und Klagen
Neben Protest und PSC gibt es theoretisch noch weitere Möglichkeiten, Zölle zurückzufordern, diese sind jedoch praktisch weniger relevant:
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Administrative Refunds (§ 1520(a) Tariff Act): CBP kann Abgaben in bestimmten Sonderfällen von Amts wegen oder auf Antrag erstatten. Das betrifft jedoch meist nur offensichtliche Fehler (z. B. Rechenfehler) und nicht politisch motivierte Strafzölle.
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Klage vor dem Court of International Trade (CIT): Unternehmen können nach einem erfolglosen Protest Klage beim CIT erheben. Dieses Gericht ist die zuständige Instanz für Zoll- und Handelsfragen. Ohne vorangegangenen Protest ist eine Klage jedoch in aller Regel unzulässig.
Warum Protest und PSC jetzt entscheidend sind
Das laufende Verfahren vor dem Supreme Court kann sich noch Monate oder sogar Jahre hinziehen. Unternehmen dürfen jedoch nicht abwarten, bis eine endgültige Entscheidung gefallen ist, denn die Fristen für PSC und Protest laufen unabhängig davon weiter.
Wer nicht rechtzeitig aktiv wird, verliert seinen Anspruch. Nur wer entweder vor der Liquidation eine PSC eingereicht oder nach der Liquidation einen Protest erhoben hat, kann später auf Rückerstattung hoffen. Es ist daher dringend geboten, jetzt die eigenen Importvorgänge zu analysieren und gegebenenfalls die notwendigen Schritte einzuleiten.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
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Dokumentation sichern: Alle Einfuhren, bei denen Strafzölle gezahlt wurden, sollten genau dokumentiert werden – inklusive Zolltarifnummer, Ursprungsland, Abgabenhöhe und Datum der Liquidation.
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Fristen überwachen: Unternehmen müssen im Blick haben, wann CBP die einzelnen Vorgänge liquidiert, um die jeweilige Frist für PSC oder Protest nicht zu versäumen.
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Protestverfahren vorbereiten: Bei bereits liquidierten Vorgängen sollte unverzüglich ein Protest über CBP Form 19 eingereicht werden.
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PSC nutzen: Bei noch nicht liquidierten Vorgängen sollte geprüft werden, ob eine Post-Summary Correction sinnvoll ist.
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Zusammenarbeit suchen: Der Austausch mit Zollagenten, Rechtsanwälten und Branchenverbänden ist empfehlenswert, da oft Musterproteste organisiert werden.
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Gerichtsoptionen prüfen: Bei besonders hohen Beträgen kann eine Klage vor dem CIT strategisch sinnvoll sein.
Übersicht der Rechtsinstrumente
Instrument |
Zeitpunkt möglich |
Frist |
Vorteil |
Nachteil |
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Protest (CBP Form 19) |
Nach Liquidation |
180 Tage nach Liquidation |
Voraussetzung für Rückerstattung; klare Rechtsgrundlage |
Anspruch erlischt, wenn Frist versäumt |
Post-Summary Correction |
Vor Liquidation |
Bis zur Liquidation |
Änderungen noch „im System“ möglich |
Nur bis zur Liquidation anwendbar |
§ 1520(a) Refund |
Nach Fehlerfeststellung |
Abhängig vom Einzelfall |
Automatische oder beantragte Erstattung möglich |
Sehr eng begrenzt, selten auf Strafzölle anwendbar |
Klage beim CIT |
Nach Protestverfahren |
Abhängig vom Verfahren |
Gerichtliche Durchsetzung möglich |
Kosten- und zeitintensiv |
Fazit
Die Aufhebung der Trump-Strafzölle könnte Unternehmen erhebliche Rückzahlungen ermöglichen. Doch diese Chance steht mit grösserer Wahrscheinlichkeit nur jenen offen, die ihre Ansprüche form- und fristgerecht geltend gemacht haben.
Die entscheidenden Instrumente sind der Protest und – vor der Liquidation – die Post-Summary Correction. Der Zeitpunkt der Liquidation bestimmt, welches Mittel anzuwenden ist. Unternehmen sollten deshalb ihre Importvorgänge jetzt überprüfen, die relevanten Fristen überwachen und frühzeitig aktiv werden.
Wer abwartet und keine Maßnahmen ergreift, riskiert, trotz eines positiven Supreme-Court-Urteils leer auszugehen.