Mit dem 1. Juli 2025 tritt die überarbeitete Richtlinie 09 Mineralölsteuer und CO₂-Abgabe (R-09) in der Schweiz in Kraft. Sie vereint bislang sieben Einzeldokumente und deren Anhänge in einem schlanken Werk und bringt zahlreiche inhaltliche Neuerungen. Zentral sind das neue Meldesystem für erneuerbare Energieträger ab 2025, ein reformiertes Verfahren für diplomatische und konsularische Ausnahmen ab 2026 sowie die Integration bisheriger Merkblätter zur Steuererstattung. Das bringt Transparenz, Effizienz und neue Kontrollmechanismen in die Branche.
Wie die neue R-09 die Besteuerung von Mineralölen, erneuerbaren Energien und diplomatische Sonderregelungen grundlegend modernisiert
Richtlinie 09: Die überarbeitete Schweizer Mineralölsteuer und CO₂-Abgabe ab 2025
Richtlinie 09 des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG)
Einführung, Steuer- und Abgabesystem sowie Neuerungen für erneuerbare Energien in der SchweizHintergrund, Zielsetzung und rechtliche Grundlagen
Die Richtlinie 09 des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) regelt Ausführung und Vollzug der Mineralölsteuer sowie der CO₂-Abgabe in der Schweiz. Sie basiert auf mehreren Gesetzen, darunter das Mineralölsteuergesetz (MinöStG) und das CO₂-Gesetz. Ziel ist die einheitliche Anwendung des Steuerrechts bei Herstellung, Import, Lagerung, Transport, Verkauf und Verwendung von Mineralölprodukten und erneuerbaren Brenn- und Treibstoffen. Die Richtlinie hat keine über das Gesetz hinausgehende Wirkung, stellt aber die behördliche Interpretation und Umsetzung dar. Mit der Neuordnung entfallen die früheren Einzeldokumente R-09-01 bis R-09-07; nunmehr sind sämtliche Inhalte und Anhänge zentral zugänglich, was die Rechtsanwendung und Recherche vereinfacht.
Grundzüge des Steuer- und Abgabesystems
Die Mineralölsteuer ist als spezielle Verbrauchssteuer ein entscheidendes Element der schweizerischen Energiepolitik. Sie wird einphasig erhoben und gilt für sowohl im Inland als auch aus dem Ausland eingeführte Erdölerzeugnisse, Erdgas, Treibstoffe und verwandte Produkte. Ein Mineralölsteuerzuschlag wird nur auf Treibstoffe erhoben. Das System sorgt für steuerliche Gleichbehandlung von Import- und Inlandsware. Die Steuer wird meist an der Handelsstufe fällig, der Endverbraucher trägt sie über den Produktpreis. Lagerfirmen, Importeure und zugelassene Lagerinhaber sind die primären Steuersubjekte. Die Bemessung erfolgt volumen- oder gewichtsbezogen je nach Produkt, wobei die Steuersätze an den aktuellen Zolltarif und nationale Normen gekoppelt sind. Die CO₂-Abgabe kommt auf fossile Brennstoffe zur Anwendung – mit speziellen Rückerstattungsoptionen für bestimmte industrielle oder nicht energetische Nutzungen.
Modernes Meldesystem für erneuerbare Brenn- und Treibstoffe (HKN-System eTS/eBS)
Einen Kernpunkt der Reform bildet das zum 1. Januar 2025 eingeführte Herkunftsnachweissystem (HKN-System eTS/eBS) für erneuerbare Brenn- und Treibstoffe. Es ersetzt das bisherige Meldesystem und zielt auf mehr Transparenz, Nachverfolgbarkeit und Kontrolle bei Herstellung, Import und Einsatz nachhaltiger Energieträger. Über das digitale System melden alle Hersteller und Importeure fortlaufend ihre Produktions-, Lager- und Verbrauchsdaten direkt an die Plattform Pronovo. Dort werden ökologische und soziale Kriterien überprüft, um Steuererleichterungen zu gewähren. Für Betreiber ergibt sich dadurch mehr Bürokratie, aber auch bessere Planbarkeit, während für den Staat ein vollständiges Monitoring des Sektors sowie eine gezieltere Förderung ökologischer Energie möglich wird. Die Pflicht zur periodischen Meldung und Steueranmeldung mit digitaler Übermittlung ist für alle Marktakteure im Bereich erneuerbarer Energieträger verbindlich.
Herstellung, Lagerung und Genehmigungsverfahren – Anforderungen und Kontrollen
Die Richtlinie definiert umfassende Auflagen für Lager, Raffinerien und Herstellungsbetriebe. Zugelassene Lager dienen als zentrale Knotenpunkte im Warenfluss von unversteuerten Mineralölprodukten. Sie müssen strenge bauliche, technische und organisatorische Anforderungen erfüllen – vom separaten Leitungssystem über Mess- und Additivierungsanlagen bis zu umfangreichen Buchhaltungsvorgaben. Jeder Lagerinhaber oder Auftragnehmer muss eine digitale Warenbuchhaltung führen und Monat für Monat sämtliche Zu- und Abgänge, Lagerstände und relevante Bewegungen melden. Änderungen an Anlagen, Prozessen oder Lagerverhältnissen müssen dem BAZG vorab angezeigt werden. Die Steuerbehörden führen unangemeldete Kontrollen und Probenahmen durch, um Missbrauch zu verhindern. Farb- und Kennzeichnungspflichten, insbesondere bei Heizöl und deren Beimischungen, gewährleisten die steuerliche Unterscheidbarkeit im Markt.
Warenverkehr, Einfuhr- und Exportprozesse
Der Warenverkehr unterliegt klaren zoll- und steuerrechtlichen Vorgaben. Bei der Einfuhr von Mineralölprodukten ist die definitive oder provisorische Steueranmeldung Pflicht, abhängig von der Bewilligung des Importeurs. Unversteuerte Waren bewegen sich im Inland nur nach Ausstellung eines Begleitscheins und unterliegen strikten Fristen (30 Tage bzw. 3 Monate bei diplomatischen Lieferungen). Für erneuerbare und fossile Treibstoffe mit Beimischung ist eine detaillierte Deklaration der Anteile in der Einfuhrzollanmeldung vorgeschrieben. Bei Exporten gelten besondere Exportcodes, welche die exakten Warenströme nach Ziel und Verwendungszweck differenzieren. Die CO₂-Abgabe wird auf fossile Brennstoffe erhoben, kann aber bei nicht energetischer Verwendung oder für befreite Unternehmen über Rückerstattung geltend gemacht werden. Letztlich sorgt dieses System für präzise Steuerung sämtlicher Warenbewegungen – von der Produktion bis zum Endverbrauch oder Export.
Sonderregelungen: Diplomatischer und konsularischer Warenverkehr
Ab 1. Januar 2026 gilt ein reformiertes Verfahren für die steuerfreie Lieferung von Treib- und Brennstoffen im Rahmen diplomatischer und konsularischer Beziehungen. Künftig können berechtigte Dienststellen und Personen steuerfreien Treibstoff nur noch über besonders gekennzeichnete Bezugsmittel (z. B. Tankkarten) bei zertifizierten Treibstoffhändlern beziehen. Der Berechtigungsnachweis erfolgt elektronisch über das ePortal des BAZG. Grenzwerte für Tages- und Monatsbezüge (90 Liter pro Tag, 500 Liter pro Monat) sowie strengere Rückerstattungs- und Kontrollprozesse sollen Missbrauch verhindern. Für steuerfreien Luftfahrzeug-Treibstoff oder Brennstoffe für Dienstgebäude gelten analoge Antrags- und Nachweisverfahren. Die Rückerstattungsanträge erfolgen über den Online-Service Taxas, Sammelkontrollen und Prüfungen durch das BAZG erhöhen die Sicherheit weiter. Die bisherigen lokal ausgestellten Karten verlieren mit Ende der Übergangsfrist 2026 ihre Gültigkeit.
Erleichterte und differenzierte Steuerregelungen für erneuerbare Energien
Ein zentrales Element der Neufassung ist die differenzierte steuerliche Behandlung erneuerbarer Brenn- und Treibstoffe. Steuererleichterungen werden gewährt, wenn die Treibstoffe nachweislich ökologische und soziale Anforderungen erfüllen – insbesondere 40 % weniger Treibhausgasemissionen als fossiles Benzin sowie hohe Standards beim Rohstoffanbau und der Produktion. Die Nachweise werden über eigenständige Antragsformulare erbracht und vom BAFU sowie dem SECO geprüft. Für biogene Abfälle oder Produktionsrückstände gilt ein vereinfachter Nachweisweg. Mischungen aus erneuerbaren und fossilen Treibstoffen werden anteilsmässig besteuert. Komplexe Verfahren für Vorschüsse und deren Rückforderung bei Export oder nachträglicher Steuerbefreiung sorgen für steuerliche Korrektheit. Reine erneuerbare Brennstoffe, die zu technischen Zwecken eingesetzt werden, sind von der Mineralölsteuer und CO₂-Abgabe befreit.
Steuerbegünstigungen, Rückerstattung und Verfahren zur Steuererleichterung
Die R-09 unterscheidet klar zwischen Regelfällen der Steuererhebung und expliziten Steuerbegünstigungen. Letztere können in Form ermässigter Steuersätze oder über Rückerstattungsverfahren geltend gemacht werden. Beispiele sind der Einsatz von Treibstoffen im öffentlichen Verkehr, in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, in Pistenfahrzeugen, Natursteinabbau oder als stationärer Brennstoff zur Stromerzeugung oder in Wärmepumpen. Ansprüche müssen über den Online-Dienst Taxas geltend gemacht und mit detaillierten Verbrauchsnachweisen (Buchhaltungen, Betriebsdaten) belegt werden. Strenge Fristen, Mindestbeträge und Gebührenregelungen gelten ebenso wie eine fünfjährige Aufbewahrungspflicht der Unterlagen. Für Betriebe mit speziellen Anforderungen (z. B. Forstwirtschaft, Landwirtschaft) gibt es normierte Rückerstattungssätze und standardisierte Verbrauchsberechnungen.
Überwachung, Statistik und weitere Neuerungen in der Verwaltungspraxis
Das BAZG hat seine Überwachungs- und Kontrollmechanismen mit der neuen R-09 massiv ausgeweitet. Sämtliche periodischen Meldedaten, Steueranmeldungen und Warenbewegungen werden elektronisch geprüft, Plausibilitätskontrollen und Abgleichungen mit den Buchhaltungen der Unternehmen durchgeführt. Besonders im Fokus stehen Anlagen für erneuerbare Treibstoffe, Mischbetriebe und der diplomatische Treibstoffbezug. Verstösse, Unregelmässigkeiten oder Meldeversäumnisse werden als Verletzungen der Aufzeichnungs- und Meldepflicht geahndet und können zu Ordnungsbussen, Nachbesteuerung und Entzug der Bewilligungen führen. Neben der rein fiskalischen Kontrolle dienen die Daten auch der Erstellung volkswirtschaftlicher Statistiken, die Entwicklungstrends und internationale Vergleiche ermöglichen und intern als Entscheidungsgrundlage für budgetpolitische Massnahmen fungieren.
Fazit: Eine Richtlinie für die Energiezukunft der Schweiz
Mit der R-09 schafft die Schweiz ein einheitliches, klar reguliertes und digitalisiertes System für die Besteuerung von Mineralöl- und erneuerbaren Energieträgern. Die Reform liefert mehr Transparenz, fördert gezielt nachhaltige Energieträger und beugt Missbrauch durch präzise Kontrollmechanismen vor. Wer die neuen Prozesse kennt und nutzt, profitiert von administrativer Entlastung und Rechtssicherheit. Für die Energiewende bleibt die R-09 ein zentrales Steuerungsinstrument.