Historischer Rückblick auf den Zollkonflikt
Strafzoll von 39% auf Schweizer Exportgüter wurde im Sommer 2025 unter Präsident Trump verhängt. Hauptbetroffene Branchen: Hochtechnologie, Uhren, Maschinenbau. Die Ausfuhren sanken binnen Wochen um über 14%, begleitet von Arbeitsplatzängsten & Wohlstandsverlust. Diese Belastung wirkte sich auf viele Wirtschaftszweige aus und verstärkte Rezessionsgefahr.
Die Verhandlungsstrategie und der diplomatische Durchbruch
Monatelange intensive Verhandlungsrunden: Treffen Schweizer Wirtschaftsführer mit Präsident Trump, Reisen nach Washington (u.a. Seco-Direktorin Helene Budliger Artieda). Bundesrat Guy Parmelin reiste in den entscheidenden Tagen selbst, was zur Einigung führte in Form einer unverbindliche Absichtserklärung. Trump wies seinen Handelsbeauftragten an, den Deal zu finalisieren. Es wird weitere Verhandlungen geben, um das Abkommen unter Dach und Fach zu bringen.
Handelsbeziehungen Schweiz-USA: Detailanalyse der neuen Zollvereinbarung
Ein neuer Rahmen für den transatlantischen Handel: Am 14. November 2025 gab der Bundesrat eine grundlegende Einigung mit den USA bekannt, die die seit April 2025 geltenden erhöhten Zusatzzölle neu regelt. Diese Detailanalyse fasst die Kernpunkte der Pressekonferenz zusammen, beleuchtet die komplexen Regelungen und zeigt die verbleibenden Unsicherheiten auf.
🎯 Executive Summary: Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick
Die Schweizer Verhandlungsdelegation hat eine signifikante Verbesserung der Handelsbedingungen mit den USA erreicht. Anstelle der bisherigen, teilweise bis zu 39% betragenden Zusatzzölle, tritt ein allgemeiner Zollplafond von 15%. Damit wird die Schweizer Exportwirtschaft mit der Konkurrenz aus der Europäischen Union mindestens gleichgestellt. Im Gegenzug hat sich die Schweizer Privatwirtschaft zu Investitionen in Höhe von 200 Milliarden US-Dollar in den USA bis 2028 verpflichtet. Wichtige Sektoren wie Pharma und Chemie bleiben weiterhin zollbefreit. Die Souveränität der Schweiz in Bereichen wie Sanktionen oder Investitionskontrollen bleibt unangetastet.
"Damit wird unsere Wirtschaft gleichgestellt gegenüber der Konkurrenz aus der Europäischen Union, welche Zusatzzölle von 15 Prozent hat."
| Kernergebnis | Detail | Status |
|---|---|---|
| Zollplafond | Reduktion von bis zu 39% auf maximal 15% | |
| EU-Gleichstellung | Gleiche Bedingungen wie für die EU | Erreicht |
| Investitionen | 200 Mrd. USD durch Privatsektor bis 2028 | Zugesagt |
| Souveränität | Keine Konzessionen bei Sanktionen/Investitionskontrollen | Gewahrt |
| Rechtsstatus | Nicht bindende Absichtserklärung (Joint Statement) | Provisorisch |
1. Die neue Zollstruktur: Ein komplexes System aus vier Kategorien
Die zentrale Errungenschaft ist die Einführung eines allgemeinen Zollplafonds von 15%. Die Regelung ist jedoch komplex und muss in vier Hauptkategorien unterteilt werden, um die genauen Auswirkungen auf verschiedene Produkte zu verstehen. Jede dieser Kategorien unterliegt eigenen Bedingungen und birgt spezifische Unsicherheiten.
Kategorie 1: Standard-Regelung (15% Plafond)
Produkte, die auf keiner Sonderliste stehen, profitieren vom neuen Zollplafond. Ihr Zollsatz sinkt von 39% auf 15%. Dies betrifft einen Grossteil der MEM-Industrie (Maschinen, Elektro, Metall) sowie die Uhrenindustrie.
Kategorie 2: Bestehende Ausnahmen (Annex II)
Hierbei handelt es sich um eine Liste von Produkten, die bereits seit April 2025 von den Zusatzzöllen ausgenommen waren und es auch bleiben (0%). Laut SECO gehören für die Schweiz hierzu insbesondere Pharma, Gold, Chemie und Halbleiter. Obwohl diese Liste bisher stabil war, kann sie von den USA jederzeit angepasst werden.
Kategorie 3: Neue Ausnahmen durch den Deal (Annex III / PTAAP)
Durch die Verhandlungen erhielt die Schweiz Zugang zur sogenannten "Potential Tariff Adjustments for Aligned Partners" (PTAAP) Liste. Produkte auf diesem Annex III (z.B. Flugzeuge, Generika, bestimmte Luftfahrtprodukte) fallen auf den "Meistbegünstigten"-Zollsatz zurück, was in der Regel 0% bedeutet. Dies ist ein grosser Erfolg, doch auch diese Liste ist dynamisch und kann von den USA geändert werden.
Kategorie 4: Sonderfälle (Ursprünglicher Zollsatz)
Für einige Produkte, deren regulärer US-Zollsatz bereits vor der Krise über 15% lag, ändert sich nichts. Sie fallen auf ihren ursprünglichen, höheren Satz zurück. Ein Beispiel ist der Sbrinz-Käse, der von 39% wieder auf seine ursprünglichen 19% fällt, nicht auf 15%.
⚠️ Vorbehalte und Unsicherheiten: Was nicht in Stein gemeisselt ist
Trotz des grossen Erfolgs betonte der Bundesrat, dass die Einigung noch keine endgültige Stabilität garantiert. Folgende Punkte sind entscheidend:
- Dynamische Annex-Listen: Die USA können die Produktlisten in Annex II und Annex III jederzeit einseitig anpassen (Produkte hinzufügen oder entfernen). Die aktuelle Zollfreiheit ist also keine Garantie für die Ewigkeit.
- Laufende Section 232-Verfahren: Die USA führen weiterhin Untersuchungen zur nationalen Sicherheit (Section 232) für Sektoren wie Pharma, Halbleiter und Automobile. Der Deal garantiert zwar einen Plafond von 15%, schliesst aber die Einführung solcher Zölle nicht aus.
- Kein bindendes Abkommen: Das Joint Statement ist eine politische Absichtserklärung. Es muss erst noch in ein rechtsverbindliches Abkommen überführt und von den Parlamenten beider Länder ratifiziert werden.
- Politische Stabilität: Wie Bundesrat Parmelin andeutete, können sich politische Rahmenbedingungen schnell ändern, was die Langlebigkeit solcher Vereinbarungen beeinflusst.
2. Produktspezifische Regelungen und offene Punkte
Während für viele Sektoren eine Lösung gefunden wurde, bleiben für andere wichtige Branchen die Verhandlungen offen. Insbesondere die Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM) sowie die Uhren- und Lebensmittelbranche sind nur teilweise von den Erleichterungen erfasst.
| Sektor | Regelung | Beispiel / Anmerkung |
|---|---|---|
| Maschinenindustrie | Fällt unter den 15%-Plafond (vorher 39%) | Verhandlungen zur weiteren Reduktion nötig |
| Uhrenindustrie | Fällt unter den 15%-Plafond (vorher 39%) | Verhandlungen zur weiteren Reduktion nötig |
| Käse | Komplexe Regelung je nach Sorte | Gruyère: von 39% auf 15% (vorher 10%) Sbrinz: von 39% auf 19% (wie vor April 2025) |
| Stahl & Aluminium | Fällt ggf. unter den 15%-Plafond | Verhandlungen zur weiteren Reduktion nötig - insbesondere Section 232 Bezug |
"Dans ce monde, d'une manière générale, il y a une chose qui est sûre, c'est qu'il n'y a plus de stabilité. [...] Il peut y avoir un accord, d'autres pays ont eu des accords, et puis ces accords sont dénoncés..."
3. Schweizer Konzessionen und Agrarprodukte
Die Schweiz hat ihrerseits ebenfalls Zugeständnisse gemacht, die sich primär auf den Agrarsektor konzentrieren, jedoch laut Bundesrat keine Gefahr für die heimische Landwirtschaft darstellen.
- Industriegüter: Die Schweiz erhebt weiterhin keine Zölle auf US-Industriegüter.
- Zollabbau: Zölle auf Fisch, Meeresfrüchte und bestimmte nicht-sensible Agrarprodukte (z.B. Zitrusfrüchte, Nüsse) werden aufgehoben.
- Zollfreie Kontingente: Für Rindfleisch (500 Tonnen), Bisonfleisch (1'000 Tonnen) und Geflügel (1'500 Tonnen) werden kleine, zollfreie Importkontingente geschaffen. Die Frage, ob dies auch sogenanntes "Chlorhühnchen" umfassen könnte, wurde als Gegenstand zukünftiger Diskussionen bezeichnet.
4. Rechtlicher Rahmen und nächste Schritte
Die erzielte Einigung ist rechtlich noch nicht in Stein gemeisselt. Es handelt sich um eine politische Absichtserklärung ("Joint Statement"), die nun in ein bindendes Abkommen überführt werden muss.
📋 Der Prozess im Detail:
- Umsetzung der Zollsätze: Die vereinbarten Zollsätze werden durch eine Verordnung des Bundesrates und eine entsprechende Anweisung der US-Administration schnellstmöglich umgesetzt. Die technische Implementierung bei den Zollbehörden wird einige Zeit in Anspruch nehmen.
- Verhandlungsmandat: Der Bundesrat wird umgehend ein Mandat für die Aushandlung eines rechtsverbindlichen Abkommens erarbeiten.
- Konsultation: Dieses Mandat wird mit den aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments und den Kantonen konsultiert.
- Verhandlungen: Anschliessend beginnen die formellen Verhandlungen mit den USA.
- Parlamentarische Genehmigung: Das finale Abkommen unterliegt der Genehmigung durch das Parlament.
- Referendum: Wie bei Freihandelsabkommen üblich, untersteht auch dieses Abkommen theoretisch dem fakultativen Referendum.
💡 Fazit und Ausblick
Die Einigung stellt einen wichtigen Schritt zur Stabilisierung der Handelsbeziehungen mit dem zweitwichtigsten Handelspartner der Schweiz dar. Sie beseitigt die grösste Unsicherheit für viele Exportunternehmen und stellt eine Gleichbehandlung mit der EU her. Gleichzeitig bleiben die von uns beleuchteten Herausforderungen bestehen: Die Verhandlungen für ein umfassendes, rechtsverbindliches Abkommen werden komplex und politisch anspruchsvoll. Die Stabilität der Vereinbarung hängt zudem von den politischen Entwicklungen in den USA und der dynamischen Handhabung der Annex-Listen und Section 232-Verfahren ab.
📚 Quellen und weiterführende Links
- Joint Statement on a Framework for a United States – Switzerland – Liechtenstein Agreement (The White House)
- Annex II - Liste der von Reciprocal Tariffs ausgenommenen Produkte (The White House)
- Annex III - Potential Tariff Adjustments for Aligned Partners (PTAAP) (Global Business)
- Section 232 Investigations Übersicht (Bureau of Industry and Security)
- Medienmitteilung des Bundesrates vom 14.11.2025 (admin.ch)
Perspektiven für den Werkplatz Schweiz
Der Zolldeal ist ein wichtiger Fortschritt, aber noch keine vollständige Lösung. Förderung von Innovation und Abschluss moderner Freihandelsabkommen bleiben wichtige Themen. Langfristige Stabilisierung & internationale Wettbewerbsfähigkeit erfordern weitere Reformen.