Seit Einführung bzw. Ausweitung der US-amerikanischen Section-232-Zölle sind Unternehmen, die Stahl- oder Aluminiumprodukte in die USA exportieren oder importieren, mit zusätzlichen und teils komplexen Melde- und Zollvorschriften konfrontiert. Der folgende Artikel erläutert die wichtigsten Grundlagen und klärt, worin der Unterschied zwischen regulären Stahl-/Aluminiumerzeugnissen (Kapitel 73 bzw. 76 des Zolltarifs) und den sogenannten Derivaten besteht – und wann genau eine Aufteilung der Stahl- oder Aluminiumanteile erforderlich ist.

1. Hintergrund: Section-232-Zölle

  • Section 232 bezieht sich auf Bestimmungen des US-amerikanischen Trade Expansion Act von 1962, die es ermöglichen, aus Gründen der nationalen Sicherheit zusätzliche Einfuhrzölle zu erheben.
  • Diese Zusatzzölle gelten auf Stahl und Aluminium und zwar sowohl für Erzeugnisse, die in den klassischen Kapiteln 73 (Stahl) bzw. 76 (Aluminium) eingereiht sind, als auch für Produkte mit erheblichen Anteilen an Stahl oder Aluminium, aber in anderen Kapiteln (z. B. Maschinen oder Werkzeuge).

2. Kapitel 73 und 76: Wann gilt der volle Wert?

2.1 Kapitel 73 – Eisen- und Stahlwaren

Kapitel 73 des Harmonisierten Systems (HS) umfasst eine breite Palette an Stahlwaren, zum Beispiel:

  • Rohre, Bleche, Profile
  • Schrauben, Muttern, Bolzen
  • Federn
  • Behälter aus Stahl
  • Drahtgeflechte usw.

Bei klassischen Stahlwaren, die eindeutig in Kapitel 73 eingereiht sind, geht der Zoll grundsätzlich davon aus, dass diese vollständig oder weitestgehend aus Stahl bestehen.

  • In diesem Fall wird für die Zusatzverzollung (z. B. 25 % Section-232-Zoll) der gesamte Wert herangezogen.
  • Eine Aufteilung nach Stahlanteil ist nicht erforderlich.

2.2 Kapitel 76 – Aluminium und Waren daraus

Analog dazu gilt für Kapitel 76 (Aluminium) Folgendes:

  • Bänder, Bleche, Profile aus Aluminium
  • Fässer, Dosen usw.
  • Konstruktionsmaterial (z. B. Aluminiumträger)

Auch hier wird i. d. R. der volle Warenwert besteuert, ohne dass eine Anteilsberechnung erfolgt, weil das Produkt als reines Aluminiumgut angesehen wird.

3. Derivate: Stahl/Alu in anderen Kapiteln

3.1 Was sind Derivate?

Unter Derivaten versteht man Stahl- oder Aluminium-Anteile in Waren, die nicht in Kap. 73 oder 76 eingereiht sind, aber dennoch einen wesentlichen Stahl-/Alu-Bestandteil aufweisen. Beispiele:

  • Maschinen und Apparate (Kap. 84) mit stählernem Gehäuse
  • Elektromotoren, Generatoren (Kap. 85) mit einem wesentlichen Aluminiumgehäuse
  • Werkzeuge (Kap. 82), die aus Stahl bestehen
  • Möbel (Kap. 94) mit tragenden Stahlteilen, sofern diese relevant sind

Bei solchen Derivaten können die US-Behörden (z. B. CBP – Customs and Border Protection) verlangen, dass nur der Wertanteil des Stahl- oder Aluminiumgehalts mit dem Section-232-Zollsatz (z. B. 25 %) belastet wird.

Achtung: Ist der genaue Anteil nicht bekannt oder entspricht der Wert des Stahls/Alus in etwa dem Gesamtwert (weil keine andere bedeutsame Komponente vorhanden ist), muss dennoch der gesamte Warenwert für die Zollberechnung verwendet werden.

4. So wird der Stahl-/Aluminiumanteil ermittelt

4.1 Wertbasierte Aufteilung

Die Behörde empfiehlt eine wertmässige Zuordnung. In der Praxis sieht das so aus:

  1. Identifikation aller stahl- oder aluminiumhaltigen Bauteile: Beispielsweise Gehäuse, Wellen, Schrauben, Rahmen.
  2. Ermittlung der Materialkosten dieser Bauteile (nach Lieferantenrechnungen, Stücklisten oder internen Kalkulationen).
  3. Summe bilden und ins Verhältnis zum Gesamtwert des fertigen Produkts setzen (Einkaufspreis, Verkaufspreis oder je nach Zollvorschrift vereinbarter Transaktionswert).

Anteil Stahl/Alu in %=Wert aller stahl-/aluhaltigen KomponentenGesamtwert des Endprodukts×100\text{Anteil Stahl/Alu in \%} = \frac{\text{Wert aller stahl-/aluhaltigen Komponenten}}{\text{Gesamtwert des Endprodukts}} \times 100

Der daraus resultierende Betrag bildet die Bemessungsgrundlage für den 25 %-Zoll (oder den jeweils gültigen Prozentsatz).

4.2 Keine genauen Daten? → Gesamter Wert

Sollten keine ausreichend detaillierten Materialkosten oder -mengen verfügbar sein, lehnen die US-Zollbehörden eine partielle Berechnung ab. Dann gilt:

  • Zoll auf 100 % des Warenwertes
  • Denn es kann nicht nachgewiesen werden, wie hoch der Anteil von Stahl oder Aluminium tatsächlich ist.

5. „Melt and Pour“ bzw. „Smelt and Cast“ Reporting

Unabhängig davon, ob es sich um reine Stahl-/Aluwaren (Kap. 73/76) oder Derivate handelt, verlangen die US-Vorschriften für Section-232-Importe bei Stahl (sowie bei Aluminium) zusätzliche Angaben zum Land, in dem das Metall geschmolzen und vergossen (melted and poured) wurde:

  • Stahl (Melt and Pour):
    • Für klassische Stahlartikel: ISO-Code des Landes, in dem sie ursprünglich geschmolzen und vergossen (poured) wurden.
    • Für Stahl-Derivate: ISO-Code des Schmelz-/Gusslands oder „OTH“, wenn mehrere Länder beteiligt waren und kein eindeutig dominierendes Ursprungsland zugeordnet werden kann.
  • Aluminium (Smelt and Cast):
    • Primäre Schmelz- und Gussland-Angaben.
    • Bei komplexen Lieferketten (Aluminium-Rohmaterial aus Land A, Verarbeitung in Land B usw.) kann der Importeur gezwungen sein, „OTH“ anzugeben, wenn kein einzelnes Land als primärer Ort von Schmelzen und Giessen dominiert.

Diese Angabe erfolgt z. B. über zusätzliche Meldefelder im US-Importsystem (ACE).

6. Beispielablauf zur Deklaration

  1. Zolltarifnummer ermitteln
    • Steht das Produkt in Kap. 73 (Stahl) oder 76 (Alu)? → Volle Wertverzollung.
    • Andernfalls: Besteht es teilweise aus Stahl oder Aluminium und unterliegt Section 232? Dann ggf. Derivat.
  2. Stahl-/Alu-Anteil feststellen (nur bei Derivaten)
    • Stücklisten, Lieferantenangaben etc.
    • Falls nicht möglich: Gesamter Wert.
  3. Zusatzzoll auf den relevanten Wert aufschlagen
    • (Z. B. 25 % für Stahl- und Aluminiumimporte, sofern keine Ausnahmeregel greift.)
  4. Angabe zum Melt and Pour / Smelt and Cast
    • ISO-Code des Schmelz-/Gusslands bzw. „OTH“.
  5. Dokumentation & Nachweispflichten
    • Bei Prüfungen (Audit) kann CBP Nachweise fordern.
    • Auch Schweizer Exporteure sollten sich entsprechend absichern.

7. Hinweise für Schweizer Unternehmen

  • Für Importe in die USA sind jedoch massgeblich die Regeln des CBP.
  • Korrekte Ursprungserklärung: Unabhängig von Section 232 kann es wichtig sein zu klären, ob ein Freihandelsabkommen (z. B. NAFTA/USMCA für Komponenten) greift oder nicht. Section-232 ist eine zusätzliche Massnahme, die losgelöst von Freihandelsabkommen erhoben wird.
  • Lizenzpflicht: Einige Stahlerzeugnisse (z. B. Rohre) verlangen eine Steel Import License vor dem Verladen in die USA.

8. Zusammenfassung und Fazit

  • Produkte, die direkt in Kapitel 73 (Stahlwaren) oder 76 (Aluminiumwaren) eingereiht sind, werden vollständig mit dem Section-232-Zollsatz belegt.
  • Derivate (ausserhalb Kap. 73/76) unterliegen ggf. auch diesen Zöllen, aber nur auf den Wertanteil von Stahl bzw. Aluminium – falls dieser exakt bestimmbar ist.
  • Wenn keine genaue Zuordnung möglich ist, wird ebenfalls der gesamte Warenwert verzollt.
  • Zusätzlich zu den Zollabgaben sind Melt-and-Pour-Angaben (Stahl) bzw. Smelt-and-Cast-Angaben (Aluminium) für den US-Zoll essenziell.

Damit bleiben die Section-232-Regeln komplex, sind aber mit einer sorgfältigen Einreihung und Dokumentation gut handhabbar. Unternehmen, die regelmässig Stahl- und Aluminiumprodukte in die USA liefern, sollten sich frühzeitig mit den Meldepflichten und Kalkulationsgrundlagen auseinandersetzen, um böse Überraschungen (z. B. Nachverzollungen oder Verzögerungen) zu vermeiden.

Weiterführende Informationen & Quellen

(Bitte beachten Sie, dass Links zu US-amerikanischen Zollbehörden ggf. nicht alle Schweizer Besonderheiten abdecken. Stand: April 2025 (berücksichtigt die zum 12. März 2025 erneuerten Zollregeln). Änderungen in Gesetzen und Vorschriften bleiben vorbehalten.