Seit Sommer 2024 gilt in der EU eine neue Verpflichtung im Rahmen der Russland-Sanktionen: Unternehmen mit Sitz in der EU müssen sich „nach besten Kräften“ bemühen, dass ihre Tochtergesellschaften ausserhalb der EU keine Massnahmen ergreifen, die die Wirkung der Sanktionen unterlaufen. Diese sogenannte Best-Efforts-Pflicht stellt viele Unternehmen vor erhebliche praktische und rechtliche Herausforderungen – auch über die EU hinaus.
Einführung und Neuregelung
Die Best-Efforts-Pflicht wurde im Zuge des 14. Sanktionspakets gegen Russland eingeführt. Sie verpflichtet EU-Unternehmen, aktiv auf ihre im Ausland ansässigen Tochtergesellschaften oder kontrollierten Beteiligungen einzuwirken. Ziel ist, Sanktionsumgehungen über Drittländer wirksam zu verhindern.
Die neue Regelung wurde in Artikel 8a der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 eingefügt. Dort heisst es, Unternehmen und Personen in der EU müssten „nach besten Kräften sicherstellen“, dass Tochtergesellschaften ausserhalb der Union keine Massnahmen ergreifen, die die EU-Sanktionen untergraben.
Was bedeutet „Best Efforts“?
Die Pflicht umfasst nicht eine Erfolgsgarantie, sondern eine nachweisbare Sorgfaltspflicht. Unternehmen müssen alle angemessenen, zumutbaren und realisierbaren Massnahmen treffen, um Verstösse durch ihre Auslandstöchter zu verhindern. Was konkret zumutbar ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab – etwa vom Einflussgrad auf die Tochtergesellschaft, der Risikolage des Drittlandes oder der Geschäftstätigkeit der Tochter.
Beispielhafte Massnahmen können sein:
- Interne Weisungen und Richtlinien zur Sanktionsbefolgung
- Vertragsklauseln mit Sanktionsbezug
- Schulungen und Sensibilisierung
- Melde- und Kontrollsysteme
- Regelmässige Risikoanalysen
Herausforderungen für Unternehmen
Die Umsetzung dieser Pflicht ist in der Praxis anspruchsvoll. Insbesondere Unternehmen mit Tochtergesellschaften in Staaten wie Russland, China oder den Vereinigten Arabischen Emiraten stehen vor einem Dilemma. Einerseits verlangen die EU-Regeln aktives Handeln, andererseits erschweren lokale Gesetze oder politische Rahmenbedingungen die Einwirkung auf Auslandstöchter.
Ein besonderes Risiko besteht, wenn lokale Gesetze Massnahmen verbieten, die zur Einhaltung der EU-Sanktionen notwendig wären. In solchen Fällen erkennt die EU an, dass die Pflicht nur im Rahmen des Möglichen gilt – fordert aber auch, dass Unternehmen sich nicht sehenden Auges in unkontrollierbare Konstellationen begeben.
Zudem ist die Grenze zwischen „nicht gewusst“ und „nicht wissen wollen“ relevant: Wer Hinweise auf problematische Aktivitäten ignoriert, kann sich nicht auf Unwissenheit berufen. Unternehmen müssen dokumentieren, dass sie sich aktiv um Aufklärung und Prävention bemüht haben.
Handlungsempfehlungen
Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, sollten Unternehmen mit EU-Bezug:
- Ihre Tochtergesellschaften systematisch erfassen und hinsichtlich ihrer Sanktionsrelevanz bewerten
- Sanktions-Compliance konzernweit verbindlich regeln
- Verträge mit entsprechenden Klauseln versehen
- Schulungen für alle relevanten Stellen einführen
- Melde- und Eskalationsmechanismen etablieren
- Massnahmen dokumentieren
Für viele Unternehmen empfiehlt sich zudem die Einholung externer Rechtsberatung, insbesondere wenn Beteiligungen in Drittstaaten mit restriktiven Gesetzen bestehen.
Ausblick
Die Best-Efforts-Pflicht wird voraussichtlich auch in andere Sanktionsregelungen der EU integriert. Schon heute enthält auch die Belarus-Sanktionsverordnung eine entsprechende Vorschrift. Für Unternehmen bedeutet dies: Sanktions-Compliance wird zunehmend global und vorausschauend. Wer frühzeitig klare Strukturen schafft, ist besser gewappnet – nicht nur zur Risikominimierung, sondern auch zur Vermeidung von Haftung und Reputationsschäden.
Quellen:
- Verordnung (EU) 2024/1745 des Rates vom 24. Juni 2024 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014
- Verordnung (EU) Nr. 833/2014 in konsolidierter Fassung
- FAQ der Europäischen Kommission zur Best-Efforts-Pflicht, Stand 22. November 2024
- Mitteilung der Europäischen Kommission zum 14. Sanktionspaket vom 24. Juni 2024