Zukunft des globalen Handels – Neue Perspektiven und Herausforderungen

Geopolitische Spannungen, technologische Fortschritte und neue Handelsabkommen verändern die Spielregeln für Unternehmen weltweit. Vor diesem Hintergrund bot die Fachtagung «Export/Import» eine einmalige Plattform für Fachleute aus dem Aussenhandel, um sich über die neuesten Entwicklungen zu informieren und wertvolle Einblicke in die zukünftige Handelslandschaft zu gewinnen.

An unserer diesjährigen Fachtagung, die am 6. November 2024 in Olten stattfand, nahmen über 110 Teilnehmende sowohl vor Ort als auch hybrid teil. Claudia Feusi, Geschäftsführerin der ZFEB Customs & Trade Consultants und fachliche Leiterin der Tagung, entzündete zum Auftakt charmant das Feuer für die Themen des Aussenhandels und ehrte alle Fachkräfte, die sich in diesem Berufsfeld engagieren. Ihre Worte wurden durch sprühende Tischbomben bekräftigt und sorgten für einen lockeren Start in den Tag.

Ein interaktives Quiz zu stimmte die Teilnehmenden in das erste Thema des Tages ein, den präferenziellen Warenursprung und die dazu notwenigen Ursprungsnachweise.

Neuerungen bei Ursprungsregeln und Freihandelsabkommen der Schweiz

Ralf Aeschbacher, stellvertretender Chef für Freihandels- und Zollabkommen beim Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG), bot in seinem Gespräch mit Claudia Feusi einen Ausblick auf die Neuerungen in den Ursprungsregeln der PEM Zone, das u.a. für Exporte in die EU relevant ist. Er hob die Vorteile des aktualisierten Abkommens für Schweizer Unternehmen hervor und zeigte auf, wie diese Abkommen dazu beiträgt, die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz im internationalen Handel zu sichern.

Aeschbacher erläuterte die neuen Ursprungsregeln, die das digitale EUR.1-Zertifikat umfassen, sowie die „revised rules“ für neu erstellte Nachweise. Hierbei hob er die Möglichkeit der Ursprungskalkulation mittels Durchschnittspreisen und Sonderbestimmungen hervor, die speziell auf die Bedürfnisse der Schweizer Wirtschaft abgestimmt sind, sowie die besonderen Bestimmungen für Agrarprodukte der Zolltarifkapitel 1 – 24. Ein zentraler Punkt seiner Ausführungen betraf die Durchlässigkeit der neuen Regeln ab 2026, wenn ausschliesslich die revidierten Regeln gelten werden sowie die Handhabung in der Übergangsphase. Diese Änderungen erfordern eine Umstellung im Ursprungsmanagement.

Aeschbacher betonte auch die Bedeutung der präferenziellen „Vorbelege“, die aktuell nach unterschiedlichen Regelungen erstellt werden müssen. Dies wird mit der Abschaffung der komplizierten Pan-Euro-Kumulationshinweise mindestens per 2026 wesentlich vereinfacht werden. Ab 2026 wird jeder Wirtschaftsteilnehmer verpflichtet sein, sich an die neuen Ursprungsregelungen zu halten, um die Compliance zu gewährleisten. Aeschbacher gab sich optimistisch, dass die Neuerungen rechtzeitig und flächendeckend greifen werden, was jedoch für Unternehmen eine Anpassung der Strategie und Handhabung bedeuten wird.

Die Rolle der EFTA im globalen Handel

Markus Schlagenhof, Deputy Secretary General der EFTA, beleuchtete die Bedeutung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) im internationalen Kontext und unterstrich die spezielle Rolle der Schweiz innerhalb dieser Organisation. Die EFTA hat eine zentrale Funktion bei der Förderung des freien Handels und der Aushandlung von Handelsabkommen zwischen Europa und der Welt, wobei die Schweiz als Mitglied von besonderer Bedeutung ist. Schlagenhof betonte, dass die Handelsabkommen zunehmend komplexer werden und kontinuierlich neue Regeln hinzukommen, was die Handelspolitik herausfordernd gestaltet. Besonders interessant waren seine Ausführungen als ehemaliger Delegierter des Bundesrats für Handelsabkommen, zur strategischen Ausrichtung der Schweiz und der EFTA in den kommenden Jahren, um die internationalen Handelsbeziehungen weiter zu stärken.

Ein wesentliches Thema war die Digitalisierung, die u.a. die EFTA aktiv vorantreibt, um den Handelsverkehr zu erleichtern. Ein Ziel ist es, Ursprungsnachweise weiter zu digitalisieren, wobei digitale Unterschriften und die Überprüfung ihrer Echtheit noch Hürden darstellen. Zudem wurden die globalen Herausforderungen im Kontext der USA und der EU thematisiert. Während die EU mit ihren speziellen Regularien eine grosse Thematik für sich darstellt, ist die politische Lage in den USA derzeit aufgrund der Wahlen unsicher. Gleichzeitig wächst der Marktanteil Schweizer Unternehmen in den USA massiv, was Chancen eröffnet, sich auf eine neue Art von Handelsabkommen einzustellen, die zunehmend auf sektorielle Themen fokussieren. Die USA ist dabei der wichtigste Exportmarkt der Schweiz, gleich vor Deutschland.

Interessant waren auch Schlagenhofs Ausführungen zu möglichen Kooperationgsstrategien mit CPTPP, der pazifischen Handelskoalition, die bereits Interesse an einer Mitgliedsausweitung signalisiert hat. In puncto Nachhaltigkeit und Regulatorik unterstrich er die Bedeutung des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) der EU, der auch für die Schweiz indirekte Folgen hat. Der Druck auf Schweizer Unternehmen, insbesondere KMU, in Bezug auf Compliance wächst, da sie regulatorische Anforderungen zunehmend erfüllen müssen. Abschliessend wurde auf die Beziehung der EFTA mit dem Vereinigten Königreich eingegangen.

Roundtable IT Projekt Passar und Dazit

Im Roundtable-Gespräch zu den IT-Projekten Passar und Dazit gaben Ingo Strasser von AEB Schweiz, Mario Caccivio von ZFEB Customs & Trade Consultants und Andreas Ott von DSV Einblicke in sehr unterschiedlichen, ersten Praxiserfahrungen und die Fortschritte dieser Projekte. Die Digitalisierung der Zollabwicklung ist ein entscheidender Schritt zur Effizienzsteigerung im internationalen Handel. Die Teilnehmer erhielten einen Überblick über die geplanten Meilensteine bis zur Deadline im Juni 2025. Besonders die praxisnahen Anwendungsbeispiele zeigten eindrucksvoll, wie digitale Lösungen den Zollprozess erleichtern und beschleunigen können.

Neues Zollgesetz: Chancen und Herausforderungen

Ein weiteres zentrales Thema der Fachtagung war das neue Zollgesetz, das in der Schweiz eingeführt werden soll. Karl Strohhammer und Mario Caccivio von ZFEB Customs & Trade Consultants führten durch die Diskussion und beleuchteten die Chancen und Herausforderungen, die sich für Importeure und Exporteure ergeben. Sie gaben einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Änderungen und wie Unternehmen diese nutzen können, um ihre Prozesse zu optimieren und Kosten zu senken. Besonders der Austausch von Erfahrungen und Best Practices zwischen den Teilnehmern machte diese Session zu einer wertvollen Lerngelegenheit.

Supply Chain Management in turbulenten Zeiten

Nach einem Steh-Lunch mit angeregten Gesprächen ging es mit dem Thema Supply Chain Management weiter. Patrick Trachsler von Brugg eConnect erklärte, wie globale Lieferketten in Zeiten von Handelskriegen und geopolitischen Spannungen optimiert werden können. Die Fallstudie von Brugg eConnect verdeutlichte, wie Unternehmen durch gezielte Diversifikation ihre Abhängigkeiten reduzieren und Risiken minimieren können, um gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen besser zu begegnen. Trachsler betonte, dass Diversifikationsstrategien nicht nur positive Auswirkungen haben, sondern auch die internen Prozesse und die Unternehmensstruktur beeinflussen können.

Brugg eConnect fokussiert sich dabei besonders auf spezifische Lösungen für Industrien wie die Windenergie und die E-Mobilität, wo spezialisierte Kabel und Stecker erforderlich sind. Zu den grössten Herausforderungen zählen die Preisvolatilität bei Rohstoffen, die Einführung des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) durch europäische Lieferanten sowie neue Anforderungen durch das Lieferkettengesetz. Brugg eConnect verfolgt eine enge Zusammenarbeit mit Zulieferern, um Innovation und technologische Entwicklung voranzutreiben, vor allem in Bezug auf nachhaltige Materialien und verbesserte Kabel für die E-Mobilität. Nachhaltigkeit ist ein zentrales Anliegen, und das Unternehmen setzt auf eine Kreislaufwirtschaft, bei der verwendete Vormaterialien wieder in den Produktionsprozess integriert werden.

Eine flexible und unabhängige Lieferkettenstrategie, die auf diversifizierten Lieferanten basiert, hilft dem Unternehmen, auf Marktveränderungen schneller reagieren zu können. Durch die gezielte Vernetzung mit Rohstofflieferanten und Innovationen in Zusammenarbeit mit Kunden, etwa Fahrzeugherstellern, strebt Brugg eConnect nach einer noch effizienteren und resilienteren Lieferkette. Andreas Ott von DSV ergänzte mit wertvollen Inputs zu Herausforderungen in der globalen Logistik.

Exportkontrolle aus Schweizer Sicht

Jürgen Böhler, Ressortleiter für Exportkontrolle bei SECO, gab in einem Gespräch ein umfassendes Update zur Exportkontrolle aus Schweizer Sicht. Er beleuchtete sehr praxisnah aktuelle Entwicklungen und neue regulatorische Anforderungen, die für Schweizer Exporteure von Bedeutung sind. Böhler bot wertvolle Empfehlungen, wie Unternehmen ihre Exportprozesse anpassen können, um Compliance sicherzustellen und Risiken zu minimieren und ging insbesondere auf die Handhabung von Verstössen durch SECO ein. Seine praxisorientierten Tipps halfen den Teilnehmern, potenzielle Fallstricke zu erkennen und effiziente Strategien zur Einhaltung der Exportvorschriften zu entwickeln.

VOC in Revision

Silvio Schenk, Customs Consultant bei ZFEB Customs & Trade Consultants, präsentierte ein Update zur Revision der VOC-Abgabe (flüchtige organische Verbindungen). Schenk gab zudem einen Ausblick auf kommende Entwicklungen und zeigte auf, wie Unternehmen sich bereits heute auf die bevorstehenden Änderungen vorbereiten können. Sein Kurzbeitrag bot wertvolle Einblicke für Unternehmen, die ihre VOC-Abgaben und abgabenrelevante, nichtzollrechtliche Erlasse effizienter handhaben möchten.

Aktuelles aus der EU und den USA

Janine Beck, Senior Customs Consultant bei ZFEB Customs & Trade Consultants, beleuchtete die Herausforderungen, die durch die zahrleichen neuen EU-Gesetzgebungen und US-Exportkontrollvorschriften entstehen. Ihr Vortrag „EU-Aktualitäten: Navigieren im Labyrinth der Antidumpingmassnahmen und Zusatzsteuern“ gab wertvolle Einblicke in eine zunehmend komplexe regulatorische Landschaft. Sie erklärte, wie Unternehmen die Betroffenheit durch Strafzölle und Zusatzsteuern, wie die Plastic Tax und den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM), identifizieren und ihren Marktzugang strategisch sichern können, um unerwartete Kosten zu vermeiden.

Besonders relevant für die Praxis waren ihre Empfehlungen zur Handhabung von Antidumpingmassnahmen, die entscheidend für den Zugang zum EU-Markt, aber auch den USA und weiteren Märkten sind. Besonders wichtig für Schweizer Unternehmen waren Becks Hinweise zur EU-Entwaldungsverordnung, Plastikgesetz, CBAM, Lieferkettengesetz, zu neuen Verpackungsrichtlinien und zu den Fallstricken der US-Exportkontrollvorschriften. Beck bot wertvolle Hilfestellungen, um Unternehmen sicher durch das komplexe regulatorische Umfeld zu navigieren.

Erfolgreich in den USA: Praxisbericht

Zum Abschluss der Tagung präsentierte René Walpen, Walpen GmbH, Praxisberichte von erfolgreichen Schweizer Exportunternehmen und zeigte dabei auf, wie diese typische und unerwartete Hürden beim Eintritt in den US-Markt überwunden haben. Seine realen Beispiele boten den Teilnehmern praxisnahe Einblicke in die Risikominimierung und die Einhaltung von Compliance-Vorgaben, insbesondere im Bereich der Produkthaftungsgesetze in den USA.

Ein Schlüssel zum Erfolg lag dabei in einer umfassenden Vorbereitung, bei der Produkte technisch, geschmacklich, ästhetisch, rechtlich und normativ auf den US-Markt abgestimmt werden. Beispielsweise indem spezifische Produkte für die USA konzipiert und produziert werden, um den Erwartungen der amerikanischen Konsumenten gerecht zu werden. Ein Beispiel dafür ist die traditionsreiche Stuhlmanufaktur Horgenglarus: Hier stellte sich heraus, dass der Komfort des Stuhls für die amerikanischen Anforderungen nicht ausreichend war und die Qualität der Produktion durch die notwendige Logistik von der Schweiz in die USA nicht zufriedenstellend gewährleistet werden konnte. Die Hürden für einen erfolgreichen Markteintritt waren in diesem Fall zu hoch.

Im Gegensatz dazu verlief der Markteintritt eines anderen Produkts, einer Slackline für den Heimgebrauch, wesentlich erfolgreicher. Durch eine Partnerschaft mit einem US-amerikanischen Hersteller und Vertriebsnetz – im Fall des Produkts unter der Marke „Gibbon“ – konnte das Unternehmen das Produkt erfolgreich in den USA einführen. Der Ansatz, das Produkt lokal zu produzieren oder zu assemblieren, stellte sich hier als besonders zielführend heraus und ermöglichte eine schnelle Anpassung an den Markt. Diese Beispiele unterstrichen die Wichtigkeit, gezielt und flexibel auf die Marktanforderungen in den USA einzugehen und die jeweiligen Besonderheiten, einschliesslich lokaler Produktion, zu berücksichtigen. Feusi erläuterte zudem die Funktionsweise des US-Importsystems und involvierte Parteien.

Die Fachtagung bot den Teilnehmenden umfassende Einblicke in die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen des globalen Handels. Durch praxisnahe Vorträge, interaktive Diskussionsrunden und den Austausch von Best Practices erhielten die Teilnehmenden wertvolle Anregungen, wie sie ihre Handelsstrategien optimieren und sich auf die zukünftigen Entwicklungen vorbereiten können. Der globale Handel steht vor zahlreichen Veränderungen – und nur wer sich frühzeitig informiert und die richtigen Strategien entwickelt, wird langfristig erfolgreich sein.

Die nächste Fachtagung verspricht bereits jetzt, spannende Themen und neue Entwicklungen im internationalen Handel aufzugreifen. Sie findet am 16. September 2025 in Olten statt.

Save the date:

Nächste Fachtagung Aussenhandel am 23. September 2025 auf der Zuschauerterrasse des Flughafen Zürich wollen.

Zur Bildergalerie der Tagung 2024: https://donovanwyrsch.wixstudio.io/procurech-fachtagung