Die Europäische Union steht vor einem historischen Schritt: Erstmals als Zollunion könnten Exportzölle auf Aluminiumschrott eingeführt werden. Angesichts steigender globaler Nachfrage und hoher Preise droht ein Engpass für EU-Produzenten, die den Schrott für Produktion und Dekarbonisierung benötigen. Die Kommission hat Konsultationen gestartet, um Quoten oder Zölle zu prüfen.
Die Kommission prüft restriktive Massnahmen, um den Abfluss wertvoller Rohstoffe zu stoppen – Chancen und Risiken im Überblick
EU plant erste Exportzölle auf Aluminiumschrott: Schutz der Kreislaufwirtschaft vor globalem Druck
Historischer Schritt der EU-Zollunion
Die Europäische Union, seit Jahrzehnten als Zollunion etabliert, plant nun erstmals Exportzölle – ein Paradigmenwechsel in der Handelspolitik. Bisher fokussierte sich die EU primär auf Importbarrieren, doch der anhaltende Abfluss von Aluminiumschrott zwingt zu neuen Wegen. Im Rahmen des Aktionsplans für Stahl und Metalle leitet die Generaldirektion Handel (DG TRADE) vorbereitende Arbeiten ein. Ziel ist es, die Verfügbarkeit heimischer Rohstoffe zu gewährleisten. Dies markiert einen Shift von freiem Handel hin zu strategischem Ressourcenschutz, getrieben durch wirtschaftliche und ökologische Notwendigkeiten.Die Massnahmen zielen speziell auf Aluminiumschrott ab, der für die EU-Industrie unverzichtbar ist. Ohne Interventionen könnte der Sektor dauerhaft geschwächt werden. Experten sehen hierin eine Reaktion auf globale Marktdruckfaktoren, die europäische Produzenten benachteiligen.
Dramatischer Anstieg der EU-Exporte
In den letzten zehn Jahren haben EU-Exporte von Aluminiumschrott Rekordwerte erreicht. 2024 beliefen sie sich auf 1,26 Millionen Tonnen – ein Plus von rund 50 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Der Grossteil ging nach Asien, wo Nachfrage und Preise explodiert sind. Schrottpreise nähern sich nun dem Niveau von Primäraluminium an, was Exporteure anzieht. Dieser Trend verschärft sich durch US-Zölle: Während Primäraluminium mit 50 Prozent belegt wird, unterliegt Schrott nur 15 Prozent. Dadurch sinken US-Exporte, asiatische Käufer wenden sich der EU zu. Folglich fehlt es in Europa an Schrott für die eigene Produktion. Fabriken schliessen, Investitionen in Recycling verzögern sich. Die Kommission warnt vor Risiken für Wirtschaftswachstum und Klimaziele.Druck auf Produzenten und Dekarbonisierung
EU-Aluminiumhersteller sind auf Schrott angewiesen: Recycling spart bis zu 95 Prozent Energie im Vergleich zur Primärproduktion. Hohe Exporte und Preise bedrohen jedoch die Versorgung. Bereits jetzt melden Unternehmen Engpässe, die zu Stillständen und Schliessungen führen.[3][5]Paul Voss von European Aluminium betont: Europäische Produzenten zahlen den Preis für globale Ungleichgewichte.
Dies untergräbt nicht nur die wirtschaftliche Resilienz, sondern auch Umweltambitionen. Die EU strebt eine kreislauffähige Wirtschaft an, doch ohne Schrott stocken Dekarbonisierungsprojekte. Asiatische Importeure profitieren von niedrigeren Standards und Subventionen, was europäische Firmen im Wettbewerb zurückwirft.Rob van Gils von Aluminium Deutschland warnt vor katastrophalen Folgen: Ohne Restriktionen droht langfristiger Rohstoffverlust.
Konsultationen und geplante Massnahmen
DG TRADE hat eine breite Konsultation eingeleitet, die bis 31. Januar 2026 läuft. Beteiligt sind Akteure der gesamten Wertschöpfungskette: Schrottsammler, Recycler, Produzenten, Händler, Logistiker und Nutzer. Diskutiert werden exportrestriktive Optionen wie Zölle um 30 Prozent oder Quoten. Die Kommission überwache seit Juli 2025 Exporte von Stahl-, Aluminium- und Kupferschrott. Bis Ende Q3 2025 prüft sie gezielte Handelsmassnahmen. Ein Gesetzesvorschlag ist für Q2 2026 vorgesehen. EU-Handelskommissar Maros Sefcovic verspricht ausgewogene Regelungen, die alle Interessen berücksichtigen. European Aluminium und Eurofer plädieren für Exportgebühren als 'notwendiges Instrument'. Dies soll Schrott in Europa halten und Märkte stabilisieren.Widerspruch aus der Recyclingbranche
Nicht alle stimmen zu: Der Europäische Verband der Recyclingindustrie (Euric) lehnt Exportzölle ab. Solche Massnahmen würden die Kreislaufwirtschaft untergraben und den Recyclingsektor schwächen. Euric bestreitet zudem steigende Exporte: Im ersten Halbjahr 2025 sanken sie um 4 Prozent auf 638.000 Tonnen. Kritiker argumentieren, Zölle könnten Innovationen behindern und Preise künstlich senken. Stattdessen fordern sie Investitionen in Sammlung und Verarbeitung. Dieser Interessenkonflikt spiegelt Spannungen zwischen Primärproduzenten und Recyclern wider.Globale Implikationen und Alternativen
Exportzölle könnten Handelskonflikte provozieren, insbesondere mit Asien. Dennoch rechtfertigt die Kommission sie mit wirtschaftlicher Sicherheit und Green Deal-Zielen. Alternativen umfassen Subventionen für Recycling, strengere Sammlungsquoten oder bilaterale Abkommen. US-Zölle unter Trump haben den Trend befeuert: Niedrige Schrottabgaben lenken Flüsse um. Eine EU-Antwort könnte symmetrisch wirken, birgt aber Eskalationsrisiken. Langfristig braucht Europa Diversifizierung: Mehr Inlandssammlung, Tech-Innovationen und Partnerschaften. Ohne Handeln droht Abhängigkeit von Importen, was Klimaneutralität gefährdet.Auswirkungen auf Lieferketten und Wirtschaft
Der Schrottmangel betrifft nachgelagerte Branchen: Automobil, Bauwesen, Verpackung. Höhere Kosten durch Primäraluminium schwächen Wettbewerbsfähigkeit. Investitionen in grüne Technologien stocken, Arbeitsplätze gefährdet. Positive Effekte von Restriktionen: Stabilere Preise, Boost für Recycler, CO2-Einsparungen. Negativ: Höhere Exportpreise könnten Sammler entmutigen. Empfehlung: Hybride Ansätze mit Quoten und Anreizen. Die Konsultation bietet Chance für Konsens. Bis 2026 wird sich zeigen, ob die EU ihr Modell der offenen Wirtschaft anpasst.Ausblick: Entscheidender Wendepunkt für EU-Rohstoffsicherheit
Die geplanten Exportmassnahmen könnten die Versorgungssicherheit der EU-Aluminiumbranche stärken und Dekarbonisierungsziele sichern, bergen jedoch Konflikte mit Recyclinginteressen. Bis zum zweiten Quartal 2026 wird ein Vorschlag erwartet. Eine ausgewogene Lösung ist essenziell, um Wettbewerbsfähigkeit, Umweltschutz und globale Handelsbeziehungen zu wahren.