Die Europäische Kommission hat überraschend ihre Pläne zur Green Claims Directive – einem Kernstück der europäischen Anti-Greenwashing-Strategie – zurückgezogen. Der Schritt erfolgte kurz vor Abschluss der Verhandlungen mit dem Parlament und dem Rat. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe, Motive, Auswirkungen und bestehende Regulierungen im Kampf gegen irreführende Umweltversprechen.
Warum der Rückzug der "Green Claims Directive" die Nachhaltigkeitspolitik der EU verändert und was dies für Unternehmen, Verbraucher und den Klimaschutz bedeutet
EU-Kommission stoppt Greenwashing-Richtlinie: Folgen und HintergrĂĽnde

Green Claims Directive – Hintergrund, Rückzug und Perspektiven

 

Was ist die Green Claims Directive?

Die Green Claims Directive wurde 2023 als Teil des European Green Deal vorgeschlagen und sollte Unternehmen dazu verpflichten, ihre umweltbezogenen Werbeaussagen durch überprüfbare und dokumentierte Nachweise abzusichern. Ziel war es, Greenwashing europaweit einzudämmen und Transparenz für Verbraucher sicherzustellen. Unternehmen sollten künftig im Vorfeld Nachweise für nachhaltige Aussagen bei nationalen Behörden einreichen und überprüfen lassen. Die Richtlinie bezog sich auf freiwillige Umweltangaben und zielte darauf ab, ehrlichen Wettbewerb und Verbraucherschutz zu stärken.

Politische HintergrĂĽnde des RĂĽckzugs

Gründe für den Rückzug im Juni 2025Der Rückzug der Richtlinie erfolgte nach wachsendem politischen Druck – vor allem aus den Reihen der Europäischen Volkspartei (EVP), der grössten Fraktion im Europaparlament. In einem Schreiben vom 18. Juni 2025 äusserte die EVP erhebliche Bedenken bezüglich des bürokratischen Aufwands für Unternehmen und forderte die Kommission auf, den Vorschlag zu stoppen. Die EVP betonte, dass die geplanten Kontrollen Unternehmen mit zusätzlicher Bürokratie belasten und somit der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft schaden könnten. Auch der Anspruch der EU, Gesetzgebung zu verschlanken, wurde als Argument angeführt.

Ablauf der Gesetzesinitiative bis zum RĂĽckzug

Nach dem Kommissionsvorschlag 2023 verabschiedete das Europäische Parlament am seine Position in erster Lesung. Der Rat der Europäischen Union folgte am . Ein erstes Trilog-Treffen fand am statt, wobei das finale Verhandlungstreffen für den angesetzt war. Einen Tag zuvor zog die Kommission den Vorschlag zurück, was zur Absage der Verhandlungen führte. Offiziell hat die Kommission noch keine detaillierte Begründung veröffentlicht. Laut Europäischem Gerichtshof darf die Kommission Gesetzesvorlagen nach dem ersten Lesungsdurchlauf nicht grundlos zurückziehen, sofern Parlament oder Rat dies nicht explizit unterstützen.

Reaktionen von Parlament und Rat

Die Vorsitzenden der federführenden Ausschüsse im Europäischen Parlament signalisierten ihre Bereitschaft, die Verhandlungen sofort wieder aufzunehmen, sobald die Kommission einen neuen Impuls gibt. Sie kritisierten den Rückzug als Rückschritt für die Nachhaltigkeit und stellen die Notwendigkeit klarer Umweltrichtlinien weiterhin in den Vordergrund. Im Rat überwogen hingegen Stimmen, die eine Entlastung der Wirtschaft begrüssten und betonten, dass ein Übermass an Regulierung Innovationskraft und Investitionen hemmen könne.

Argumente der BefĂĽrworter und Gegner

Pro & Contra zur Green Claims Directive
  • BefĂĽrworter unterstrichen deren Bedeutung zur Bekämpfung von Greenwashing und zum Schutz verantwortungsbewusster Verbraucher. Sie warnen, dass ohne klare Vorgaben weiterhin irrefĂĽhrende Umweltaussagen möglich bleiben und das Vertrauen in den Markt gefährden.
  • Gegner – vor allem aus der Industrie und Teilen der Politik – argumentierten, dass der zusätzliche BĂĽrokratieaufwand insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ĂĽberfordere und zu Wettbewerbsnachteilen fĂĽhre. Sie hielten die bestehenden Regelungen fĂĽr ausreichend, um gegen Greenwashing vorzugehen.

Welche Regelungen gelten weiterhin?

Trotz des Rückzugs der neuen Richtlinie bleibt die rechtliche Basis gegen Greenwashing in der EU bestehen – vor allem durch die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UCPD). Diese verbietet weiterhin irreführende Umweltversprechen im Marketing. Zudem gibt es die Empowering Consumers for the Green Transition Directive, die Verbraucherrechte im Kontext der Nachhaltigkeit stärkt. Verstösse können weiterhin durch Behörden und Verbraucherverbände verfolgt werden. Die geplante Ex-ante-Prüfung durch Behörden entfällt jedoch vorerst, wodurch die Beweislast weiter bei den Konsumenten und zivilgesellschaftlichen Akteuren liegt.

Auswirkungen auf Unternehmen und Verbraucher

Unternehmen sind kurzfristig von aufwändigen Prüfprozessen für Umweltclaims entlastet. Sie müssen jedoch weiterhin belegen können, dass ihre Werbeaussagen nicht irreführend sind. Für Verbraucher bedeutet dies, dass sie sich weiterhin auf Eigeninitiative und die Nachkontrolle durch staatliche Stellen oder NGOs verlassen müssen. Kritiker sehen darin eine Schwächung des Verbraucherschutzes, während Befürworter mehr Flexibilität für innovative Geschäftsmodelle erwarten.

Ausblick: ZukĂĽnftige Regulierung und politische Debatte

Ausblick und PerspektivenDie Diskussion um die richtige Balance zwischen Verbraucherschutz, Bürokratieabbau und unternehmerischer Freiheit ist weiterhin offen. Während die Kommission eine Überarbeitung ihrer Nachhaltigkeitsregulierung prüft, bleibt der Druck von Zivilgesellschaft und Teilen des Parlaments bestehen, einheitliche und überprüfbare Greenwashing-Regeln auf EU-Ebene zu schaffen. Experten gehen davon aus, dass das Thema spätestens im Zuge neuer Gesetzesinitiativen oder bei der Überarbeitung bestehender Richtlinien wieder auf die Agenda kommen wird.

Greenwashing-Problematik: Entwicklungen im Zeitverlauf

Abbildung: Entwicklung der politischen und gesetzlichen Initiativen gegen Greenwashing (2023–2025)
 
Fazit: Zwischen BĂĽrokratieabbau und Verbraucherschutz
Mit dem Rückzug der Green Claims Directive setzt die EU-Kommission ein Zeichen für Bürokratieabbau – zum Preis eines eingeschränkten Verbraucherschutzes gegen Greenwashing. Während der rechtliche Rahmen bestehen bleibt, bleibt die zentrale Herausforderung ungelöst: Wie können echte Nachhaltigkeit und faire Markttransparenz in der EU effizient und glaubwürdig sichergestellt werden?