Die Costco-Klage und weitere Klagen von bekannten US-Importeuren gegen die Trump-Administration offenbart eine unbequeme Wahrheit: Selbst wenn Zölle rechtswidrig sind, erhalten Unternehmen automatisch keine Rückerstattungen. Dieser Bericht analysiert die juristische Strategie, behördliche Zuständigkeiten und kritischen Fristen, die über finanzielle Verluste in Millionenhöhe entscheiden.
Die Klage gegen Trump-IEEPA Zölle zeigt, warum proaktives Handeln über Millionen entscheidet – Ein Leitfaden für Unternehmen
Erklärt am Beispiel Costco vs. US-Regierung: Wie Importeure Zollrückerstattungen strategisch sichern
Die IEEPA-Zölle: Rechtsgrundlage und verfassungsrechtliches Risiko
Der IEEPA von 1977 war nie für Zollregime konzipiert. Ursprünglich sollte dieses Gesetz dem Präsidenten Befugnisse in wirtschaftlichen Notfallsituationen – etwa bei Kriegszuständen oder massiven Sanktionen – einräumen. Die Trump-Administration nutzte IEEPA 2025 erstmals für globale Strafzölle, die teilweise 125 Prozent erreichten. Diese Zölle auf Waren aus China, Mexiko, Kanada und dutzenden weiteren Ländern beruhten auf erklärten nationalen Notständen: Drogenhandel, Grenzkriminalität und Handelsdefizite.Verfassungsrechtliche Problematik
Der Textlaut von IEEPA enthält das Wort „Tariff" oder vergleichbare Begriffe nicht. Das ist juristisch entscheidend. Die Verwaltungsgerichte des ersten Ranges (Court of International Trade) und die berufende Instanz (Federal Circuit) haben 2025 bereits geurteilt, dass diese Interpretation rechtswidrig ist.
Die unsichtbare Behördenlandschaft: Wer entscheidet, wer erfüllt, wer zahlt zurück
Das US-Zollsystem funktioniert nach dem Muster klarer Trennung zwischen politischem Entscheidungsträger, juristischem Architekten und technischem Vollzugsbeamten. Diese Struktur ist für das Verständnis der Costco-Klage zentral.Behördenstruktur und Verantwortlichkeiten
| Behörde | Rolle | Befugnis |
|---|---|---|
| Der Präsident | Politische Entscheidung | Initiator des Regimes, kein Ansprechpartner für Rechtsmittel |
| USTR | Juristischer Architekt | Erlässt Verordnungen, bestimmt Zollsätze, definiert Warenkategorien |
| Finanzministerium (Treasury) | Aufsicht | Überwachung, nicht operative Tätigkeit |
| CBP | Vollzugsbehörde | Zolleinzug, Importverwaltung, Liquidationen, Rückerstattungen |
Liquidation, Protest, Suspension: Die tödliche Chronologie des Zollrechts
Wer das US-Zollrecht nicht versteht, versteht nicht, warum Costco im Dezember 2025 klagen musste. Die Schlüsselbegriffe sind Liquidation, Protest und Suspension of Liquidation. Lesen Sie dazu auch mehr in folgendem Artikel.Phasen des Importvorgangs
Jeder Importvorgang startet mit einer Entry – einer formalen Anmeldung bei CBP. Diese Entry durchläuft verschiedene Phasen. Am Anfang ist sie offen, kann geändert werden, Proteste können eingereicht werden. Nach einer Wartephase liquidiert CBP die Entry. Liquidation ist der abschliessende Verwaltungsakt, bei dem CBP den Zollbetrag final festsetzt und abrechnet. Nach Liquidation gilt: Der Eintrag ist rechtskräftig. Erstattungsansprüche für die liquidierte Höhe erlöschen. Später eingereichte Proteste oder Klagen gegen die Zollhöhe sind unzulässig.Der Instanzenzug: Warum das Costco-Urteil im CIT wichtiger ist als das Supreme-Court-Urteil
Ein häufiges Missverständnis: Das Supreme-Court-Urteil ist das entscheidende Ereignis. Das ist falsch. Für Costco ist das Urteil des Court of International Trade (CIT) mindestens genauso wichtig.Hierarchie der Instanzen
Der Instanzenzug im US-Handelsrecht folgt dieser Hierarchie: Das CIT ist Erstinstanz. Alle Zollklagen gegen CBP oder USTR landen hier. Das CIT ist spezialisiert auf Handelsrecht, sitzt in New York und verfügt über tiefe Expertise. Ein CIT-Urteil kann angefochten werden vor dem Court of Appeals for the Federal Circuit (CAFC). Das CAFC sitzt in Washington D.C. und behandelt Berufungen. Grundsatzfragen gehen schliesslich zum Supreme Court.
Die Costco-Klage: Strategische Architektur einer defensiven Offensive
Costco reichte die Klage am 28. November 2025 im CIT ein – absichtlich vor dem Thanksgiving-Wochenende, um maximale Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das ist psychologisch clever, aber juristisch untergeordnet. Die 17-seitige Beschwerde nennt mehrere beklagte Parteien: CBP und indirekt die Zollpolitik der Trump-Regierung. Der Kernvorwurf ist technisch präzise: CBP habe ohne legale Grundlage Zölle eingezogen und weigere sich, die Liquidation auszusetzen. Das klingt eng, aber Costco zieht damit die Ansprüche auf mehrere Ebenen.Hauptforderungen der Costco-Klage
- Declaratory Judgment: Gerichtliche Feststellung, dass die IEEPA-Zölle rechtswidrig sind. Das ist juristisch die Basis. Ohne diese Feststellung können keine Rückerstattungen folgen. Costco zitiert hier bereits die CIT- und CAFC-Urteile von 2025, die IEEPA als ungeeignete Zollgrundlage einstuften.
- Preliminary Injunction: Einstweilige Verfügung, die CBP anweist, die Liquidation sofort zu stoppen. Das ist das entscheidende Rechtsmittel. Ohne diese Verfügung werden Costcos Einträge bis Mitte Dezember liquidiert und sind dann verloren.
- Refunds: Rückerstattung aller IEEPA-basierten Zölle plus Verzinsung. Das ist der finanzielle Kern.
Das Liquidations-Paradoxon: Warum eine Supreme-Court-Niederlage für Importeure trotzdem ein Sieg sein kann
Hier liegt das zentrale Missverständnis, das Costco zwang zu klagen: Ein Supreme-Court-Urteil gegen die Zölle garantiert nicht automatisch Rückerstattungen. Warum? Weil das US-Zollrecht nach dem Prinzip „Separated Proceedings" funktioniert. Das bedeutet: Eine Feststellung, dass ein Zollregime rechtswidrig ist, ist nicht identisch mit einer Zahlungsanordnung.Drei Szenarien nach der Supreme-Court-Entscheidung
Szenario 1: Direkte Kipfung Der Supreme Court kippt IEEPA als Zollgrundlage. Das Urteil lautet, der Präsident durfte diese Zölle nicht erheben. Das Urteil ist bindend – für zukünftige Zölle. Aber rückwirkende Rückerstattungen? Das ist kompliziert. Nach bestehender Rechtsprechung können Zölle, die unter rechtswidriger Grundlage eingezogen wurden, rückgängig gemacht werden. Aber der Importeur muss das selbst beantragen und nachweisen, dass er zahlte.
Szenario 2: Zu spät geklagt Der Importeur klagt nicht rechtzeitig oder falsch. Seine Entry wird liquidiert. Die Liquidation ist dann rechtskräftig, selbst wenn das Supreme Court die Zölle kippt. Der Importeur kann später argumentieren: „Das Zollregime war rechtswidrig, ich zahlte unter Protest". Aber ohne Klage, ohne offener Entry, ohne Feststellung im CIT – ist eine Rückerstattung praktisch unmöglich.
Szenario 3: Proaktive Strategie Der Importeur, wie Costco, handelt proaktiv. Er klagt im CIT, sichert die Liquidationssuspension, erhält eine einstweilige Verfügung. Seine Einträge bleiben offen. Das Supreme Court kippt die Zölle. Costcos CIT kann dann im Nachgang Rückerstattung anordnen, weil die Einträge offen sind.
Lehren für Importeure: Proaktivität statt Passivität als Überlebensstrategie
Der Costco-Fall ist eine Blaupause für hunderte Unternehmen. Er zeigt, dass im US-Zollrecht nicht Recht automatisch Geld bringt, sondern nur strategisches Handeln. Für europäische Importeure ist das eine kulturelle Schockwelle. Im deutschen oder europäischen Zollrecht gilt meist: Wenn ein Zollregime rechtswidrig ist, erhalten Importeure automatisch Rückerstattungen durch die Behörde. Das US-System kennt diese automatische Vergütung nicht. Hier gilt: Wer nicht selbst klagt, bekommt nichts.Sieben kritische Lektionen
- Dokumentation ist Überlebensversicherung. Jeder Importeur sollte sofort alle Einträge dokumentieren – Entry-Nummern, Daten, HS-Codes, Zollbeträge. Diese Daten sind später der Schlüssel zur Klage.
- Fristverlängerungsanträge müssen proaktiv gestellt werden. Costco bat CBP um Aussetzung der Liquidation. CBP lehnte ab – aber Costko hatte den Antrag. Das ist prozessual relevant. Es zeigt, dass Costco alles Zumutbare getan hat, bevor es klagte.
- Formale Proteste sind nicht umsonst. Ein Protest nach Section 1514 sichert Appell-Rechte und dokumentiert den Widerspruch. Costco hätte ohne Proteste später argumentativ schwächer gestanden.
- Anwälte braucht man früh, nicht spät. Costcos Klage ist juristisch komplex. Die falsche Argumentation im CIT hätte bedeutet: Kein Supreme-Court-Sieg hilft. Deutsche Importeure sollten sofort US-Zollanwälte engagieren – nicht erst, wenn die Klage fällig ist.
- Liquidationen sind Todestag, nicht Werktag. Die Dezember-Frist bei Costco ist nicht zufällig. CBP hat bereits hunderte IEEPA-Einträge liquidiert. Danach ist das Geld weg. Unternehmen, die Januar 2026 warten, haben verloren.
- Die Supreme-Court-Entscheidung ist nicht das Finale, sondern der Auftakt. Nach SCOTUS-Urteil beginnt der echte Kampf im CIT. Das ist anstrengend, kostet Zeit und Geld – aber nur hier entsteht Rückerstattung.
- Einzelne Klagen schützen besser als Erwartung von Sammelrefunds. Costcos Strategie ist: „Ich kümmere mich selbst um meine Fälle." Das ist weniger elegant als eine zentrale Entschädigung, aber vermutlich deutlich effektiver.
Die Stunde der Wahrheit: Warum Costco zum Musterprozess wird
Der Costco-Fall wird zum Präzedenzfall für hunderte Importeure weltweit. Die zentrale Erkenntnis: Im US-Zollrecht schützt nur proaktive Rechtsverfolgung vor endgültigem Vermögensverlust. Unternehmen, die auf automatische Rückerstattungen hoffen, verlieren. Die Liquidationsfrist im Dezember 2025 ist nicht Endpunkt, sondern Startschuss für eine völlig neue Rechtslandschaft.