Die Schweizer Wirtschaft steht 2026 an einem Wendepunkt. Während US-Zölle und globale Handelskonflikte das Geschäftsumfeld prägen, suchen Unternehmen nach neuen Chancen durch diversifizierte Lieferketten und strategische Märkte. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Herausforderungen und Strategien der Schweizer Exportwirtschaft.
Wie Schweizer Unternehmen mit US-Zöllen, EU-Beziehungen und neuen Märkten umgehen
Aussenhandel Schweiz 2026: Chancen und Herausforderungen in unsicheren Zeiten
Aussenhandel Schweiz 2026: Chancen und Herausforderungen in unsicheren Zeiten
Ein umfassender Überblick über die handelspolitischen Turbulenzen und wirtschaftlichen Perspektiven der SchweizDas Zollregime als wirtschaftlicher Gamechanger
Die Vereinigten Staaten unter neuer Führung haben das globale Handelssystem fundamental verändert.Für die Schweiz bedeutet dies eine besondere Belastung: Während die Europäische Union mit durchschnittlichen Zollsätzen von 15 Prozent rechnet, treffen Schweizer Exporte mit durchschnittlich 39 Prozent deutlich höhere Abgaben. Diese Diskrepanz ist kein Zufall, sondern das Resultat erfolgreicher EU-Verhandlungen. Die Schweiz, als kleinere Handelsnation ohne äquivalente Verhandlungsmasse, konnte solche Konzessionen nicht erreichen.
Sektorale Auswirkungen der Zölle
Besonders hart trifft es die klassischen Schweizer Exportbranchen: Uhren verzeichnen Rückgänge von bis zu 40 Prozent bei Edelmetallgehäusen, während Präzisionsinstrumente und metallverarbeitende Industrien unter deutlich erhöhten Stahlzöllen leiden.Wirtschaftswachstum unter Druck: Die Prognosen werden nach unten korrigiert
Die wirtschaftliche Dynamik der Schweiz verliert an Fahrt. Die ZKB-Ökonomen haben ihre Prognosen für 2025 massiv nach unten korrigiert: Statt erwarteter 1,4 Prozent BIP-Wachstum rechnet man nun nur noch mit 0,7 Prozent. Dies ist eine dramatische Anpassung, die die Realität der US-Zollpolitik widerspiegelt. Für 2026 werden 1,3 Prozent Wachstum erwartet, 2027 sollen es wieder 1,5 Prozent sein. Der Grund für diese Schwäche liegt in mehreren Faktoren gleichzeitig. Erstens bremsten Vorzieheffekte im Frühjahr 2025 das Wachstum vorläufig, die Wirtschaft kühlte sich aber im weiteren Jahresverlauf merklich ab. Zweitens bleibt die makroökonomische Umgebung herausfordernd: trotz Verhandlungen mit Washington sind die US-Zölle weiterhin beträchtlich. Drittens wirken ein gedämpftes globales Wachstum und der hartnäckig starke Schweizer Franken als zusätzliche Bremsen. Welthandel verlangsamt sich von 2 Prozent im Jahr 2025 auf nur noch 0,6 Prozent im Jahr 2026. Weltweit verschiebt sich die Handelsdynamik: US-Warenimporte aus China fielen von Mai bis Juli 2025 um 44,1 Milliarden US-Dollar. Teile dieser Lücke füllen andere asiatische Länder, nicht aber die Schweiz in erforderlichem Umfang. Der Kreditversicherer Allianz Trade prognostiziert, dass der weltweite Waren- und Dienstleistungshandel 2026 um etwa zwei Drittel langsamer wachsen wird als 2025. Für Investitionen bedeutet diese Unsicherheit Zurükhaltung. Unternehmen verschieben Entscheidungen, Konsum verliert an Dynamik, und Ausrüstungsinvestitionen bleiben schwach. Die Binnenkonjunktur zeigt damit erste Ermattungserscheinungen.Schweizer Strategie: Diversifizierung statt Passivität
Während die Prognosemacher die Wirtschaft realistisch einschätzen, zeigen Schweizer Unternehmen Handlungsfähigkeit. Das Raiffeisen „Chancenreport Schweiz 2026" offenbart eine faszinierende Dualität: Zwar erkennen Unternehmen die Risiken, doch sie identifizieren gleichzeitig konkrete Chancen in der Krise. Grössere Unternehmen reagieren besonders flexibel. Sie diversifizieren ihre Märkte aktiv, passen Lieferketten an und nutzen geopolitische Verschiebungen strategisch. 40,6 Prozent der befragten Unternehmen erwarten überhaupt keine Einbussen durch das neue Zollregime. 37,5 Prozent rechnen zwar mit Umsatzrückgängen, halten diese aber mit einem bis fünf Prozent für verkraftbar. Die konkrete Strategie? Diversifizierte Lieferketten und die Erschliessung neuer Märkte. Hier zeigt sich der Pragmatismus: 64,1 Prozent der befragten Unternehmensvertreter wünschen sich neue oder erweiterte Freihandelsabkommen, insbesondere mit Regionen wie Asien und dem Pazifik-Raum. Indien und die asiatische Region werden als relevante zukünftige Märkte genannt, allerdings mit weitem Abstand zur EU. Grundsätzlich bleibt die Europäische Union der Gravitationszentrum: 62,5 Prozent der Unternehmensvertreter befürworten eine stärkere Annäherung an die EU, um stabile Rahmenbedingungen zu sichern und die wirtschaftliche Bedeutung Europas abzusichern. Diese Orientierung ist kein Rückzug, sondern eine realpolitische Einschätzung der Machtverhältnisse in der globalen Wirtschaft.Das Regulierungsdilemma: Staat versus Markt
Ein faszinierender Widerspruch offenbart sich in den Unternehmenserwartungen. Einerseits bewerten 55,1 Prozent der Unternehmen staatliche Eingriffe als hohes oder sehr hohes Risiko. Die Forderung nach weniger Regulierung ist laut und deutlich.Die Botschaft der Unternehmen ist eindeutig: Sie wollen Planungssicherheit, stabile Beziehungen und weniger Regulierung, statt mehr staatliche Eingriffe.Anderseits gibt es einen klaren Wunsch nach gezielten Massnahmen. 64,1 Prozent wünschen sich neue oder erweiterte Freihandelsabkommen, 62,5 Prozent befürworten eine engere Anbindung an die EU. Dies ist kein Widerspruch, sondern eine differenzierte Position: Unternehmen lehnen willkürliche oder zu komplexe Regulierungen ab, fordern aber aktive wirtschaftspolitische Gestaltung durch strategische Handelsvereinbarungen. Diese Haltung reflektiert die Ernüchterung über die Regulierungswildnis in vielen Sektoren. Die EU plant etwa ihre Grenzausgleichssteuer und Lieferkettenregeln für 2026 weiter umzusetzen, obwohl absehbar ist, dass dies neue Konflikte mit den USA programmiert. Für Schweizer Unternehmen bedeutet dies doppelte Belastung: Sie müssen sich gleichzeitig an EU-Standards anpassen und mit US-Zöllen umgehen. Die Botschaft der Wirtschaft an die Politik ist daher unmissverständlich: Schafft den Rahmen für stabiles Geschäft durch bilaterale Vereinbarungen, statt Löcher in die Regulierungslandschaft zu bohren.
Die EU als wirtschaftliche Konstante in unsicheren Zeiten
Während die Welt um die Schweiz herum in handelspolitische Turbulenzen gerät, bleibt die Europäische Union das Anker für die Schweizer Wirtschaft. Das ist weniger eine emotionale Bindung als vielmehr eine ökonomische Zwangsläufigkeit. Deutschland beispielsweise bleibt trotz rückläufiger Warenhandelsvolumina der wichtigste Beschaffungsmarkt für Schweizer Unternehmen. Besonders der Dienstleistungshandel zwischen Schweiz und EU nimmt kontinuierlich zu, während Warenhandel in US-Dollar gemessen seit 2022 langsam rückläufig ist.Warum die EU-Fokussierung rational ist
Dies erklärt, warum die Forderung nach stärkerer Annäherung an die EU nicht aus idealistischen, sondern aus pragmatischen Gründen laut wird. Die EU ist geografisch nah, wirtschaftliche Verflechtung tief, und die Regelwerke sind bekannt. Zwar bringen EU-Vorgaben eigene Anforderungen mit sich, doch sie bieten auch Vorhersehbarkeit.Neue Märkte als strategische Notwendigkeit und Chance
Allerdings wäre es falsch, aus der EU-Fokussierung zu schlussfolgern, dass neue Märkte nicht wichtig sind. Im Gegenteil: Die Schweizer Wirtschaft schaut bewusst nach Asien und in den Pazifik-Raum, allerdings mit realistischen Erwartungen. Indien und die Region Asien/Pazifik werden als „relevante Märkte" genannt, doch „mit weitem Abstand zur EU". Dies ist eine wichtige Differenzierung. Es geht nicht darum, die EU zu ersetzen, sondern um Risikoverteilung. Wenn 64,1 Prozent der Unternehmen neue Freihandelsabkommen mit diesen Regionen anstreben, dann aus dem Verständnis heraus, dass die Abhängigkeit von einem Markt – besonders in unsicheren Zeiten – gefährlich ist. Asien bietet Potenziale: Es ist der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft. Allerdings sind die Einstiegshürden höher. Andere Regulierungen, andere Geschäftskultur, ganz andere Lieferkettennetzwerke.[5] Der US-Zollstreit selbst zeigt, wie China durch höhere Zölle verdrängt wird, während andere Asiaten die Lücken füllen. Für Schweizer Unternehmen ist das ein Signal: Es lohnt sich, diese Märkte genauer zu analysieren und strategisch zu bearbeiten. Die Pharmabranche könnte hier Vorreiter sein. Sie ist bereits global diversifiziert und weniger von Zöllen betroffen. Dass sie derzeit als „Stabilitätsanker" der Schweizer Konjunktur fungiert, zeigt die Kraft von Export-Excellence in modernen, wissensintensiven Bereichen. Andere Branchen sollten dieser Logik folgen: Spezialisierung, Innovation und geografische Diversifizierung, statt Volumenspiele in gesättigten Märkten.Ausblick 2026: Resilienz statt Pessimismus
Wie wird 2026 konkret aussehen? Die Prognosen sind differenziert. Das Wachstum wird gedämpft, die Exporte unter Druck, und die Unsicherheit hoch. Doch es gibt auch stabilisierende Faktoren. Zum einen wirkt die Pharmabranche als Stabilitätsanker – solange keine neuen US-Zölle auf diese Branche kommen, was derzeit ausgeschlossen erscheint. Zum anderen beweist die Schweizer Wirtschaft Anpassungsfähigkeit. 40 Prozent der Unternehmen erwarten keine Einbussen, und bei den anderen handelt es sich oft um moderate Rückgänge. 2026 ist kein Krisenjahr in traditionellem Sinn – es ist ein Strukturwandel-Jahr. Zum dritten könnte ein „positives Szenario" eintreten: Falls die Schweiz ab Oktober 2026 die gleichen Zollsätze wie die EU erhalten würde (15 Prozent statt 39 Prozent), würde die Belastung deutlich sinken. Dies ist zwar nicht die Basishypothese, aber nicht völlig unrealistisch angesichts der Verhandlungsdynamik. Für die langfristige Positionierung bedeutet 2026 ein Lernlabor. Welche Unternehmen profitieren von Diversifizierung? Welche neuen Märkte entwickeln sich? Wie verändern sich Lieferketten nachhaltig? Die Antworten auf diese Fragen werden die Schweizer Exportwirtschaft der 2030er Jahre prägen. Abschliessend lässt sich sagen: Die alte Ordnung des freien Welthandels wird neu definiert, und die Schweiz muss sich repositionieren. Die guten Nachrichten sind, dass Schweizer Unternehmen das erkannt haben und bereits handeln.Planungssicherheit statt Regulierungswildnis
Die Schweizer Wirtschaft navigiert 2026 in volatilen Gewässern. Trotz Unsicherheit durch US-Zölle und globale Handelsspannungen zeigen Unternehmen Resilienz durch Lieferketten-Diversifizierung. Der klare Aufruf der Wirtschaft an die Politik: stabile bilaterale Beziehungen zur EU und neue Freihandelsabkommen schaffen, statt weitere Regulierungen einzuführen.