Einleitung

Die Europäische Kommission hat am 14. März 2025 Ausgleichszölle (Antisubventionszölle) auf Importe von Aluminium-Strassenrädern (Felgen) aus Marokko verhängt. Damit will die EU ihre heimischen Hersteller schützen und 16.600 Arbeitsplätze vor den Folgen unfairer Handelspraktiken bewahren. Eine Untersuchung ergab nämlich, dass diese importierten Räder unzulässig subventioniert waren – teils durch direkte Beihilfen der marokkanischen Regierung, teils durch chinesische Finanzhilfen im Rahmen der Belt-and-Road-Initiative. Im Folgenden werden die Hintergründe der Entscheidung, die Massnahmen selbst sowie deren Auswirkungen und Reaktionen näher beleuchtet.

Gründe für die Einführung der Zölle

Unfaire Subventionen: Die EU-Untersuchung zeigte, dass Marokko seine Automobilindustrie mit WTO-inkompatiblen Subventionen unterstützt hat. Dazu zählten direkte Zuschüsse, Darlehen zu Vorzugszinsen sowie Steuerbefreiungen/-ermässigungen für Hersteller. Diese Beihilfen verschafften den marokkanischen Felgen-Produzenten erhebliche Kostenvorteile.

Beteiligung Chinas: Ausserdem wurde festgestellt, dass China im Rahmen der Belt-and-Road-Initiative (BRI) direkte finanzielle Beiträge an mindestens einen der marokkanischen Hersteller geleistet hat. Mit anderen Worten: Ein Teil der Subventionierung erfolgte grenzübergreifend durch chinesische Investitionsprogramme. Diese Kombination aus marokkanischen und chinesischen Beihilfen führte dazu, dass die Importware deutlich günstiger auf dem EU-Markt angeboten werden konnte als lokal gefertigte Produkte. Die EU-Kommission kam zu dem Schluss, dass diese unfair subventionierten Importe der EU-Industrie erheblichen Schaden zufügen – beispielsweise durch Preisunterbietung und Verlust von Marktanteilen.

Schutz der EU-Industrie: Angesichts dieser Befunde sah sich die Kommission veranlasst einzugreifen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen („level playing field“) wiederherzustellen. Die Entscheidung steht im Kontext einer allgemein entschlossenen Nutzung von Handelsschutzinstrumenten seitens der EU, um unfaire Handelspraktiken abzuwehren . Kurz gesagt: Die Zölle sollen verhindern, dass durch unrechtmässige Subventionen verzerrte Importe europäische Hersteller aus dem Markt drängen.

Art und Höhe der festgelegten Massnahmen

Ausgleichszölle (Antisubventionszölle): Die EU hat dauerhafte Ausgleichszölle auf die betreffenden Aluminiumräder festgesetzt. Deren Höhe variiert je nach Hersteller und Ausmass der empfänglichen Subventionen. Konkret liegen die Zollsätze bei 5,6 % für den marokkanischen Produzenten, der ausschliesslich von marokkanischen Staatshilfen profitierte, und bei 31,4 % für den Hersteller, der sowohl marokkanische Subventionen als auch chinesische BRI-Finanzhilfen erhielt. Diese Differenzierung spiegelt wider, in welchem Umfang die einzelnen Firmen bevorteilt wurden – ein Unternehmen wurde primär durch marokkanische Unterstützung getragen, während das andere zusätzlich massive chinesische Beihilfen erhielt.

Kumulierung mit Anti-Dumping-Zöllen: Wichtig ist, dass diese neuen Antisubventionszölle zusätzlich zu bereits bestehenden Handelsmassnahmen gelten. Schon im Januar 2023 hatte die EU Anti-Dumping-Zölle auf die gleichen Aluminiumräder aus Marokko eingeführt, in Höhe von 9 % bis 17,5 %. Diese Anti-Dumping-Zölle bleiben in Kraft und werden nun durch die neuen Ausgleichsabgaben ergänzt. Praktisch bedeutet dies, dass marokkanische Felgen beim Import in die EU sowohl mit Anti-Dumping- als auch mit Antisubventionszöllen belegt werden. Zum Vergleich: Auch gegen direkt aus China importierte Aluminiumräder bestehen seit Längerem Anti-Dumping-Zölle (in der Grössenordnung von etwa 22 %). Mit dem jetzigen Schritt stellt die EU sicher, dass auch indirekte Importe über Drittstaaten (wie Marokko), die von chinesischen Subventionen profitieren, erfasst und abgewehrt werden.

Auswirkungen auf europäische Unternehmen und den Arbeitsmarkt

Die verhängten Zölle haben zum Ziel, europäische Hersteller von Aluminiumrädern zu entlasten und ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den subventionierten Importen wiederherzustellen. Laut EU-Kommission trägt die Massnahme dazu bei, 16.600 Arbeitsplätze in der EU zu sichern, die in der Branche direkt oder indirekt beschäftigt sind . Diese Jobs hätten ohne Eingreifen der EU weiter unter Druck geraten können, da PreisDumping durch die billigeren Importprodukte zu Umsatzrückgängen bei EU-Firmen führte. Insbesondere mittelständische Zulieferbetriebe in der Automobilbranche – etwa Felgenhersteller in Ländern wie Deutschland, Italien oder Spanien – sollen durch die Zölle vor existenzbedrohenden Konkurrenzbedingungen geschützt werden.

Für die EU-Unternehmen bedeutet die Entscheidung kurzfristig eine Verbesserung der Marktbedingungen: Sie können ihre Produkte nun zu faireren Konditionen absetzen, ohne mit künstlich verbilligten Importen konkurrieren zu müssen. Das schafft voraussichtlich Planungssicherheit und könnte Investitionen sowie die Auslastung der Produktionskapazitäten in Europa stabilisieren. Langfristig sollen die Zölle somit Industriearbeitsplätze erhalten und verhindern, dass europäisches Know-how durch die Verlagerung der Produktion ins Ausland verloren geht.

Reaktion der betroffenen marokkanischen und chinesischen Hersteller

Die von den Strafzöllen betroffenen Hersteller in Marokko – namentlich zwei Unternehmen, von denen eines chinesische Beteiligung aufweist – stehen vor neuen Herausforderungen. Für sie bedeuten die zusätzlichen Abgaben eine erhebliche Verteuerung ihrer Produkte auf dem EU-Markt, was ihre Wettbewerbsfähigkeit schmälern wird. Voraussichtlich werden diese Firmen die Vorwürfe unrechtmässiger Subventionierung zurückweisen. Aus ihrer Sicht sind die erhaltenen Förderungen Teil der Industriepolitik bzw. internationaler Investitionsprogramme, und sie dürften argumentieren, dass ihre Exporte keinen Schaden an der EU-Industrie verursacht hätten.

Es ist zu erwarten, dass die Hersteller und ihre Anteilseigner entsprechend kritisch auf die EU-Entscheidung reagieren. Mögliche Schritte könnten eine Anfechtung der Massnahme auf juristischem Wege beinhalten – etwa durch Einspruch vor der EU-Gerichtsbarkeit – oder diplomatische Interventionen seitens der marokkanischen Regierung. Das chinesische Unternehmen, das über die BRI in Marokko investiert hat, wird die Zölle vermutlich ebenfalls als protektionistische Hürde betrachten. Da die EU hier explizit chinesische Finanzflüsse ins Visier genommen hat, könnten chinesische Stellen und Investoren die Entscheidung mit Unverständnis und Unmut aufnehmen. In vergangenen Fällen ähnlicher Art (z.B. bei Zöllen auf chinesische Produkte) haben betroffene Firmen und Regierungsoffizielle nicht selten deutlich Protest eingelegt – ein vergleichbares Szenario ist auch hier denkbar. Trotzdem müssen die Hersteller kurzfristig mit der neuen Realität umgehen, was unter Umständen eine Neuausrichtung ihrer Geschäftsstrategie erfordert (z.B. Fokus auf andere Exportmärkte ausserhalb der EU oder Kostensenkungsmassnahmen, um die Zölle auszugleichen).

Erwartete Konsequenzen für den Handel zwischen der EU, Marokko und China

Für die EU: Die Entscheidung unterstreicht die konsequente Linie der EU, unfaire Handelspraktiken abzustrafen, selbst wenn sie aus Partnerländern wie Marokko stammen. Dies dürfte zu einer Stärkung der heimischen Industrie führen, da EU-Hersteller nun weniger Unterbietungsdruck durch subventionierte Importe verspüren. Zugleich sendet Brüssel ein Signal an China, dass selbst indirekte Subsidien (über Drittstaaten) nicht unbeantwortet bleiben – was Teil der grösseren Strategie ist, sich gegen verzerrende Einflüsse Chinas in globalen Lieferketten zu wehren. Insgesamt könnten sich ähnliche Massnahmen auch auf andere Sektoren oder Länder ausweiten, falls dort vergleichbare Probleme festgestellt werden, was die Handelsbeziehungen der EU zunehmend von Wettbewerbsfragen geprägt sein lässt.

Für Marokko: Kurzfristig könnten die Exportchancen Marokkos in die EU im betroffenen Sektor deutlich sinken. Die neuen Zölle machen marokkanische Aluminiumräder für europäische Abnehmer teurer, was diese Exporte unattraktiver macht. Dies ist ein Rückschlag für Marokkos aufstrebenden Automobilsektor, der stark auf ausländische Investitionen und den Zugang zum EU-Markt setzt. Handelspolitisch könnte die Situation zu Spannungen zwischen der EU und Marokko führen – auch wenn beide Seiten generell enge Wirtschaftsbeziehungen pflegen. Marokko dürfte bemüht sein, die Angelegenheit diplomatisch zu lösen oder anzusprechen, um Vertrauensschäden zu vermeiden. Möglicherweise wird das Land seine Förderprogramme überprüfen, um künftig WTO-konforme Industrieanreize zu gestalten und weitere Konflikte mit der EU zu verhindern. Sollte Marokko die Massnahmen als ungerecht empfinden, könnte es im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) ein Streitschlichtungsverfahren gegen die EU in Betracht ziehen. Allerdings ist die betroffene Produktkategorie relativ spezialisiert, sodass ein grosser Handelskonflikt zwischen EU und Marokko eher unwahrscheinlich ist – beide werden ein Interesse daran haben, eine Eskalation zu vermeiden.

Für China: Auch wenn die Zölle formal gegen Importe aus Marokko gerichtet sind, gibt es implizite Auswirkungen auf China. Die EU macht deutlich, dass chinesische Investitionsprogramme wie die BRI nicht dazu genutzt werden können, handelsverzerrende Vorteile auf dem EU-Markt zu erlangen, ohne Gegenmassnahmen zu provozieren. Für China bedeutet dies, dass seine Strategie, Produktionsstätten via BRI in Drittstaaten aufzubauen, um Zollschranken zu umgehen, weniger effektiv sein könnte. Im konkreten Fall trifft es einen chinesisch finanzierten Hersteller in Marokko; zukünftig könnten aber chinesische Unternehmen generell vorsichtiger sein, wenn sie für den EU-Markt produzieren. Die Handelsbeziehungen EU–China, die ohnehin durch mehrere Streitpunkte belastet sind, erhalten dadurch eine weitere spannungsgeladene Komponente. China könnte die EU-Kritik an seinen Auslandsinvestitionen als Eingriff in legitime Wirtschaftstätigkeit werten. In extremis könnte Peking ebenfalls Gegenmassnahmen erwägen oder in internationalen Gremien Position beziehen, um seine Interessen zu wahren. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass China den Vorfall zwar diplomatisch moniert, aber vorerst keine unmittelbaren Vergeltungszölle verhängt, da die Massnahme nicht direkt chinesische Exporte ins Visier nimmt. Nichtsdestotrotz dürfte dieser Fall in China aufmerksam registriert werden – insbesondere als Warnsignal dafür, dass die EU auch in Drittstaaten-Konstellationen streng gegen unangemessene Subventionen vorgeht.

Fazit:

Die Einführung der Ausgleichszölle auf Aluminiumräder aus Marokko ist ein markantes Beispiel für den aktuellen Kurs der EU-Handelspolitik. Unfaire Wettbewerbsverzerrungen – selbst wenn sie durch komplizierte Geflechte staatlicher Unterstützung im In- und Ausland entstehen – will die EU nicht hinnehmen. Europäische Unternehmen und Arbeitnehmer dürften von der Entscheidung profitieren, da sie zu faireren Marktbedingungen beiträgt. Gleichzeitig müssen sowohl Marokko als auch China ihre Strategien überdenken: Marokko im Hinblick auf seine Industrie-Förderpolitik und China bezüglich seiner Investitionsoffensiven im Ausland. Insgesamt werden die Handelsbeziehungen zwischen der EU, Marokko und China durch diesen Schritt neu austariert, mit dem erklärten Ziel, dauerhaft fairere Wettbewerbsbedingungen im Interesse aller Seiten zu schaffen.

Quellen

1. EU-Kommission: Einführung von Ausgleichszöllen auf Aluminium-Rennräder aus Marokko

https://policy.trade.ec.europa.eu/news/commission-imposes-duties-unfairly-subsidised-imports-aluminium-road-wheels-morocco-2025-03-14_en

2. Bericht über die EU-Anti-Dumping-Zölle auf Aluminiumräder aus China und Marokko (Hintergrundinformationen zur bisherigen Handelspolitik)

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A32023R0123

3. Übersicht der EU-Antisubventionsmassnahmen gegen verschiedene Importe, einschliesslich Aluminiumräder

https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2024/february/tradoc_160312.pdf

Diese Quellen bieten offizielle Informationen der EU-Kommission sowie weiterführende Analysen zu den Massnahmen und deren wirtschaftlichen Auswirkungen.