CARNET ATA: ATA-System und Istanbuler Konvention (Istanbul Convention)

Im Folgenden findest du eine Erklärungder rechtlichen Rahmenbedingungen der beiden eng verknüpften Themen ATA-System und Istanbuler Konvention. Dabei werden Funktionsweise, Vorteile, Geltungsbereich sowie die Rolle der Zollbehörden und Handelskammern erläutert.


1. Hintergrund und Entstehung

1.1 Ursprung des ATA-Systems

  • Bedeutung der Abkürzung: „ATA“ steht für die französischen Wörter „Admission Temporaire“ und die englischen Wörter „Temporary Admission“.
  • Entwicklung: Das ATA-System entstand, um den internationalen Handel zu erleichtern und grenzüberschreitende Formalitäten bei der vorübergehenden Einfuhr von Waren in ein anderes Zollgebiet zu vereinfachen.
  • Erste Rechtsgrundlagen: Ausgangspunkt war das sogenannte ATA-Übereinkommen (Customs Convention on the ATA Carnet for the Temporary Admission of Goods) von 1961. Dieses wurde später durch weitere internationale Abkommen ergänzt und schliesslich in der Istanbuler Konvention von 1990 gebündelt.

1.2 Die Istanbuler Konvention

  • Vollständiger Name: „Übereinkommen über das vorübergehende Verbringen von Waren“ (Convention on Temporary Admission). Verabschiedet wurde es 1990 unter der Schirmherrschaft der Weltzollorganisation (WCO, World Customs Organization) in Istanbul.
  • Ziel: Die Istanbuler Konvention fasst verschiedene vorherige Übereinkommen zur vorübergehenden Einfuhr zusammen und bietet einen einheitlichen Rechtsrahmen.
  • Umsetzung: Die Vertragsparteien, zu denen viele Länder weltweit (darunter auch die Schweiz) gehören, verpflichten sich, die in der Konvention festgelegten Verfahren anzuwenden und zu vereinfachen.

2. Funktionsweise und Vorteile des ATA-Systems

2.1 Wesen des ATA-Carnets

  • Zentrales Dokument: Das ATA-Carnet dient als Zolldokument zur vorübergehenden zoll- und abgabenfreien Einfuhr von Waren in ein oder mehrere Mitgliedsländer der ATA-Kette.
  • Einsatzbereiche:
    • Muster und Warenmuster (z.B. für Messen und Ausstellungen)
    • Berufsausrüstung (z.B. Werkzeuge, Kameras, Messgeräte, sonstige Ausrüstung von Fachleuten)
    • Ausstellungs-, Messe- und Vorführwaren
  • Gültigkeit: In der Regel bis zu einem Jahr. Innerhalb dieses Zeitraums können Waren mehrfach in verschiedene Länder ein- und wieder ausgeführt werden, sofern alle beteiligten Zollstellen das Carnet ordnungsgemäss abstempeln.

2.2 Internationale Garantiekette

  • Sicherungsprinzip: Da beim temporären Verbringen keine Zollabgaben erhoben werden, verlangen die Zollbehörden eine Sicherheit, falls die Waren doch im Land verbleiben.
  • Garantie durch Handelskammern: In jedem teilnehmenden Land gibt es anerkannte nationale Verbände (oft Handels- und Industriekammern), die das Carnet ausstellen und für eventuelle Abgaben bürgen.
  • ICC/WCF: Die ICC World Chambers Federation (Weltkammerverband der Internationalen Handelskammer) koordiniert die internationale Garantiekette.

2.3 Vorteile für Wirtschaft und Handel

  • Vereinfachung der Zollformalitäten: Das ATA-Carnet ersetzt umfangreiche Zollanmeldungen für Aus-, Durch- und Einfuhr.
  • Kosteneinsparung: Keine Hinterlegung von Zollsicherheiten und häufig weniger Zollgebühren (bzw. keine temporären Einfuhrabgaben).
  • Zeitersparnis: Schnelle Abfertigung an der Grenze und kein wiederholtes Ausfüllen weiterer Einfuhrdokumente.
  • Internationale Gültigkeit: Das Carnet wird in über 80 Ländern anerkannt (je nach Beitritt zu den ATA-/Istanbul-Abkommen).

3. Rechtlicher Rahmen: ATA und Istanbul Convention

3.1 Konsolidierung durch die Istanbuler Konvention

Die Istanbuler Konvention (1990) führt mehrere ältere Übereinkommen zur vorübergehenden Einfuhr zusammen. Sie besteht aus einem Hauptteil und verschiedenen Anhängen, die jeweils bestimmte Warengruppen oder Verfahren regeln, beispielsweise:

  • Anhang über gewerbliche Muster und Musterkollektionen
  • Anhang über Berufsausrüstung
  • Anhang über Waren für Ausstellungen und Messen
  • Weitere Anhänge, die spezifische Ausnahmen oder Verfahren definieren

Ziel ist, dass die Vertragsparteien mit dem Beitritt die entsprechenden Anhänge akzeptieren, um ein möglichst breites Spektrum an temporären Warenbewegungen unter vereinfachten Bedingungen zu ermöglichen.

3.2 Vertragsparteien und Zuständigkeiten

  • Weltzollorganisation (WCO): Hüterin des Übereinkommens und zuständig für Aktualisierungen, Auslegungsfragen sowie die Förderung des Systems.
  • Nationale Zollbehörden (z. B. in der Schweiz das BAZG, Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit, früher EZV): Verantwortlich für die Umsetzung, Überwachung und Freigabe von Carnets im eigenen Land.
  • Chambers of Commerce / Industrie- und Handelskammern: Nationale Stellen, die das Carnet an berechtigte Personen oder Unternehmen ausstellen und für die Garantien einstehen.

4. Verfahren und praktische Anwendung

4.1 Beantragung des ATA-Carnets

  1. Kontaktaufnahme mit der nationalen ausstellenden Stelle
    In der Schweiz sind die regionalen Handelskammern (z. B. Handelskammer beider Basel, Handelskammer Zürich etc.) zuständig.
  2. Angaben zu den Waren
    • Beschreibung der Waren (ggf. Seriennummer, Wert, Anzahl, Gewicht)
    • Angaben zum geplanten Reiseziel / den Reisezielen
    • Zweck (Messe, Ausstellungsobjekt, Berufsausrüstung etc.)
  3. Garantiegebühr / Kaution
    • Die ausstellende Stelle erhebt in der Regel eine Gebühr.
    • Damit wird auch das finanzielle Risiko für den Fall abgedeckt, dass Waren nicht wieder ausgeführt werden.

4.2 Ablauf bei der Ein- und Ausreise

  • Ausfuhr im Inland: Das Carnet muss vor der Ausreise im Heimatland beim Zoll abgestempelt werden.
  • Einfuhr im Zielland: Vorlage des Carnets bei der Zollstelle des Ziellandes. Hier wird es erneut abgestempelt, die vorübergehende Einfuhr ist abgabenfrei.
  • Wiederholtes Verbringen: Ist das Carnet für mehrere Einreisen in unterschiedliche Länder gültig, wird jedes Mal analog verfahren (auch bei Transit).
  • Rückführung: Bei Rückkehr ins Heimatland muss das Carnet beim Zoll als „wieder eingeführt“ abgestempelt werden, damit keine Zollabgaben im Ursprungsland anfallen und das Carnet ordnungsgemäss abgeschlossen werden kann.

4.3 Laufzeit und Verlängerungsmöglichkeiten

  • Standard-Gültigkeit: Meist 12 Monate.
  • Verlängerung: In bestimmten Fällen kann die Gültigkeitsdauer vor Ort bei den Zollbehörden des Einfuhrlandes verlängert werden. Manchmal ist hierfür ein Ersatz-Carnet nötig (sog. Replacement Carnet).

5. Besondere Aspekte in der Schweiz

5.1 Zuständige Behörde

  • In der Schweiz regelt das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) (vormals Eidgenössische Zollverwaltung) das Zollverfahren.
  • Praktische Informationen: www.bazg.admin.ch

5.2 Zuständige Stelle für die Ausstellung

  • Die Ausstellung von ATA-Carnets in der Schweiz erfolgt durch die regional zuständigen Handelskammern.
  • Auf den Websites der verschiedenen kantonalen oder regionalen Handelskammern finden sich Informationen, Gebühren und Online-Bestellmöglichkeiten für ATA-Carnets.

5.3 Gängige Praxis

  • Schweizer Unternehmen, die beispielsweise an einer internationalen Messe teilnehmen oder Material für Filmaufnahmen im Ausland benötigen, nutzen häufig das ATA-Carnet.
  • Bei Rückfragen und speziellen Fällen (z. B. sehr hochwertige Waren, unsichere Reiseländer) sollte man vorab mit der zuständigen Handelskammer bzw. dem BAZG Rücksprache halten.

6. Aktuelle Entwicklungen und Quellen

6.1 Digitalisierung

  • Einige Länder arbeiten an elektronischen ATA-Carnets (eATA), um das Verfahren weiter zu beschleunigen.
  • Pilotprojekte und Initiativen unter Federführung der Weltzollorganisation und der ICC World Chambers Federation.

6.2 Offizielle Informationen und weiterführende Links

  1. Weltzollorganisation (WCO):
    • www.wcoomd.org (Informationen zur Istanbuler Konvention, Zollstandards, eATA-Pilotprojekte)
  2. ICC World Chambers Federation:
    • www.iccwbo.org → Themenbereich ATA Carnet und internationale Garantiekette
  3. Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) – Schweiz:
    • www.bazg.admin.ch (aktuelle Schweizer Zollinformationen, Ratgeber zur vorübergehenden Einfuhr)
  4. Regionale Handelskammern in der Schweiz

7. Zusammenfassung

Das ATA-System ermöglicht durch das ATA-Carnet die vorübergehende Einfuhr von Waren in zahlreiche Länder ohne sofortige Zoll- oder Steuerabgaben. Grundlage ist ein internationales Garantienetz, in dem nationale Handelskammern als Bürgen auftreten. Diese Systematik ist in der Istanbuler Konvention von 1990 rechtlich verankert und dient der Vereinheitlichung und Vereinfachung der Zollverfahren weltweit.

Für Unternehmen bedeutet dies eine erhebliche Zeit- und Kostenersparnis, sofern sie Waren nur temporär ins Ausland verbringen und wieder zurückführen möchten (z. B. Messegüter, Berufsausrüstungen).

In der Schweiz ist für das Verfahren das BAZG zuständig, während die Ausstellung der Carnets über die regionalen Handelskammern erfolgt. Aktuelle Informationen zum konkreten Ablauf, den Gebühren oder auch möglichen Einschränkungen finden sich auf den Websites der entsprechenden Organisationen (BAZG und Handelskammern).


Hinweis:
Bitte überprüfe stets die aktuellen Bestimmungen im Zielland und informiere dich, ob es besondere Regeln gibt (z. B. Einschränkungen pro Bestimmungsland für vorgesehende Verwendungszwecke, Formvorschriften, usw) . Auch im Zusammenhang mit der fortschreitenden Digitalisierung sind Optimierungen geplant.