Die Europäische Union hat im Frühjahr 2025 eine tiefgreifende Reform ihrer Mehrwertsteuerregelungen für Einfuhrfernverkäufe auf den Weg gebracht. Ziel ist es, Steuerverluste bei Onlinebestellungen aus Drittländern zu reduzieren und ein faires Wettbewerbsumfeld für europäische Händler zu schaffen. Die Neuerungen betreffen vor allem Nicht-EU-Versender und Plattformen, die Waren an Endverbraucher in der EU liefern.
Ausgangslage: Digitalisierung, E-Commerce und steuerliche LĂĽcken
Der grenzüberschreitende Onlinehandel boomt – insbesondere aus Drittstaaten wie China, der Schweiz, den USA und dem Vereinigten Königreich. Seit Einführung des Import-One-Stop-Shop (IOSS) im Jahr 2021 war die Hoffnung groß, dass Steuerverluste durch vereinfachte digitale Meldeverfahren eingedämmt werden. Die Realität zeigte jedoch: Viele Anbieter nutzen IOSS nicht. Sendungen unter 150 Euro profitierten bis dato zudem von vereinfachten Zoll- und Steuerverfahren – oder wurden gar nicht ordnungsgemäß besteuert.
Kerninhalte der neuen Richtlinie (Stand Mai 2025)
Die EU-Mitgliedstaaten einigten sich im Rat am 13. Mai 2025 auf folgende Eckpunkte einer neuen Richtlinie:
1. Pflicht zur Mehrwertsteuererhebung durch Plattformen
Online-Marktplätze, die den Verkauf und Versand an Verbraucher in der EU organisieren, werden künftig verpflichtend für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer verantwortlich gemacht – unabhängig davon, ob der Verkäufer IOSS nutzt.
2. Abschaffung der 150-Euro-Zollfreigrenze
Die Freigrenze für Kleinsendungen (bis 150 EUR), die bislang von der Zollpflicht ausgenommen waren, wird vollständig gestrichen. Jede Einfuhr soll nun auch bei geringem Wert korrekt besteuert werden. Die Umsetzung soll bis spätestens Anfang 2026 erfolgen.
3. Stärkung des IOSS
Der IOSS bleibt als zentraler Erhebungsmechanismus bestehen. Die EU will jedoch den Anwendungsbereich ausweiten und technische Vereinfachungen vornehmen (z. B. automatisierte Validierung von IOSS-Nummern an Zollgrenzen).
4. Einführung von vereinfachten Verfahren für Post- und Kurierdienste
Transportunternehmen sollen ein digitales Sammelverfahren („bulk clearance“) für Mehrwertsteuerabrechnungen nutzen können. Ziel ist die Entlastung von Zollbehörden und eine beschleunigte Abfertigung.
5. Vereinheitlichung der Zuständigkeiten
Geplant ist ein neues zentrales EU-Portal, über das Drittlandsunternehmen ihre Mehrwertsteuer-Registrierungen und Zahlungen einreichen können – mit einheitlicher Schnittstelle zu den Mitgliedstaaten.
Zeitplan und weiteres Verfahren
Die Richtlinie wird im sogenannten besonderen Gesetzgebungsverfahren behandelt, da sie steuerpolitische Fragen betrifft. Daher ist die Einstimmigkeit im Rat erforderlich, das Europäische Parlament wird lediglich konsultiert.
Nach dem Beschluss im Rat erfolgt die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU, die Umsetzung in nationales Recht ist für spätestens Mitte 2026 vorgesehen.
Bedeutung fĂĽr Unternehmen und Verbraucher
FĂĽr Unternehmen:
- Plattformbetreiber und Drittlandsversender mĂĽssen ihre Systeme und steuerliche Compliance anpassen.
- Schweizer und britische Händler, die regelmässig an EU-Endverbraucher liefern, sind direkt betroffen.
- Eine Registrierung ĂĽber IOSS oder das neue EU-Portal wird faktisch zur Pflicht, wenn man Steuerprobleme vermeiden will.
FĂĽr Verbraucher:
- Die Preise von Billigimporten – insbesondere von Marktplätzen wie AliExpress, Temu oder Wish – könnten steigen, da keine Steuervermeidung mehr möglich ist.
- Gleichzeitig werden Versand und Zustellung voraussichtlich transparenter und einheitlicher abgewickelt.
Fazit von Douana
Die EU macht ernst mit der Steuertransparenz im digitalen Handel. Die Reform bringt Klarheit, erhöht die Steuerdisziplin bei Einfuhren und schafft gerechtere Marktbedingungen für europäische Unternehmen. Gleichzeitig bedeutet sie einen erheblichen Anpassungsdruck für Drittlandsanbieter – auch aus der Schweiz.
Offizielle Quellen:
- Rat der Europäischen Union:
🔗 https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2025/05/13/vat-rules-council-agrees-position-on-directive-simplifying-tax-collection-for-imports/ - Europäische Kommission – Generaldirektion TAXUD:
đź”— https://taxation-customs.ec.europa.eu/news/new-approach-vat-e-commerce-imports-simplify-trade-and-compliance-2025-05-15_en