Die aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 5. September 2024 zum Import von Teakholz aus Myanmar über Taiwan unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen und durchdachten Strategie im internationalen Handel. Unternehmen, die mit sanktionierten Rohstoffen oder Waren handeln, müssen sicherstellen, dass ihre Lieferketten, Verarbeitungsprozesse und Dokumentationen den geltenden Vorschriften entsprechen, um schwerwiegende Verstösse gegen Embargoregeln zu vermeiden.
Aus meiner Erfahrung in der Zoll- und Handelsberatung weiss ich, dass viele Unternehmen sich der Feinheiten der Embargovorschriften nicht immer bewusst sind – insbesondere, wenn Waren in Drittstaaten weiterverarbeitet werden. Dabei gibt es klare Möglichkeiten, um sowohl rechtssicher als auch wirtschaftlich effizient zu agieren.
1. Embargoverstösse durch gezielte Verarbeitung vermeiden
Das Urteil zeigt, dass der reine Umladevorgang oder eine minimale Bearbeitung in Drittstaaten nicht ausreicht, um den Ursprung einer Ware zu verändern. Unternehmen müssen daher sicherstellen, dass wesentliche Verarbeitungsprozesse stattfinden, die eine rechtlich anerkannte „neue Ware“ schaffen.
Praxisbeispiele für zulässige und unzulässige Verarbeitungsschritte:
- Holzindustrie:
- Zulässig: Zuschnitt zu Endprodukten oder hochwertiges Schnittholz mit spezifischer Weiterverarbeitung (Trocknung, Veredelung).
- Nicht zulässig: Einfaches Zersägen in Rohblöcke („Teak-Squares“) oder Umladen in einem Drittstaat ohne wesentliche Veränderung.
- Metallindustrie:
- Zulässig: Schmelzen und Legieren zur Herstellung eines neuen Materials mit anderen Eigenschaften.
- Nicht zulässig: Reine Neuverpackung oder Neuetikettierung in einem anderen Land.
- Elektronikindustrie:
- Zulässig: Einbau von Software oder Kalibrierung, die den Verwendungszweck des Produkts grundlegend verändert.
- Nicht zulässig: Reine Zusammenstellung von Komponenten ohne funktionale Änderung.
Hier ist es entscheidend, dass Unternehmen genau prüfen, welche Verarbeitungsschritte in ihren Lieferketten stattfinden und ob diese ausreichen, um den Ursprung der Ware zu verändern.
2. Rechtssichere Massnahmen für Unternehmen
Die Anforderungen an den internationalen Handel werden immer komplexer. Unternehmen sollten deshalb gezielt Massnahmen ergreifen, um Embargoverstösse auszuschliessen.
Kernmassnahmen zur Vermeidung von Sanktionsrisiken:
- Lieferketten genau analysieren:
- Woher stammen die Rohstoffe?
- Welche Länder sind in den Bearbeitungsprozess involviert?
- Gibt es risikobehaftete Zwischenstationen?
- „Wesentliche Veränderung“ prüfen:
- Ist die Verarbeitung in einem Drittland ausreichend, um den Ursprung zu ändern?
- Falls nicht, gibt es Alternativen, die eine rechtskonforme Verarbeitung ermöglichen?
- Lückenlose Dokumentation sicherstellen:
- Behörden und Zollämter verlangen oft detaillierte Herkunftsnachweise.
- Verträge mit Lieferanten sollten klare Regelungen zur Verarbeitung und Ursprungsangabe enthalten.
- Interne Compliance-Strukturen stärken:
- Schulung der Mitarbeiter zu aktuellen Sanktionsregeln und rechtlichen Anforderungen.
- Implementierung von Compliance-Tools zur automatisierten Überprüfung von Sanktionslisten.
- Zolltechnologie nutzen:
- Digitale Ursprungsnachweise (z. B. Blockchain-Technologie) zur sicheren Dokumentation.
- Automatisierte Prüfmechanismen zur Erkennung potenzieller Verstösse.
3. Potenziale durch gezielte Verarbeitung in Drittstaaten nutzen
Das Urteil macht auch deutlich, dass Unternehmen durch strategisch kluge Verlagerung von Verarbeitungsschritten weiterhin legale Handelswege nutzen können. Voraussetzung ist, dass in diesen Ländern hochwertige Verarbeitungsprozesse stattfinden, die eine „wesentliche Veränderung“ der Ware bewirken.
Beispielhafte Länder mit branchenspezifischem Potenzial:
- Taiwan: Hochtechnologische Fertigung von Holz-, Halbleiter- und Maschinenbauprodukten.
- Vietnam: Industrielle Kapazitäten für Textilien, Elektronik und Möbel.
- Türkei: Spezialisierung auf Metallverarbeitung und Automobilzulieferer.
- Malaysia: Wichtiger Hub für Chemie, Holzverarbeitung und Halbleiter.
Durch solche Standorte können Unternehmen rechtssichere Produktionsprozesse implementieren, ohne sich dem Risiko eines Embargoverstosses auszusetzen.
4. Fazit: Proaktive Planung ist entscheidend
Das Urteil zum Teakholz-Import zeigt, dass Unternehmen nicht nur reaktive Massnahmen ergreifen sollten, sondern eine proaktive Strategie für Embargokonformität benötigen.
Wichtige Lehren für die Praxis:
- Eine minimale Verarbeitung reicht nicht aus, um Embargobeschränkungen zu umgehen.
- Unternehmen sollten gezielt auf hochwertige Weiterverarbeitung in Drittstaaten setzen.
- Eine starke interne Compliance-Struktur und transparente Lieferketten sind essenziell, um Risiken zu minimieren.
Unternehmen, die frühzeitig rechtssichere Lösungen implementieren, schützen sich nicht nur vor rechtlichen Konsequenzen, sondern können auch strategische Wettbewerbsvorteile erzielen.
Quelle: Bundesgerichtshof – Pressemitteilung Nr. 016/2025 vom 28. Januar 2025
https://www.bundesgerichtshof.de