Ausgangslage: Konsolidierte Einfuhr in ein EU-Zollager

In vielen grenzüberschreitenden Lieferketten nutzen Schweizer Unternehmen die Möglichkeit, Waren aus präferenzberechtigten Drittstaaten gebündelt in ein Zollager innerhalb der Europäischen Union (EU) zu verbringen. Die Ware wird dort nicht sofort verzollt, sondern unter zollamtlicher Überwachung zwischengelagert. Anschließend erfolgt die Verzollung separat durch unterschiedliche Endempfänger in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten.

Häufig liegt der ursprünglichen Warensendung ein Warenverkehrszeugnis EUR.1 bei, das die Präferenzursprungs-Eigenschaft dokumentiert. In diesem Fall stellt sich die Frage: Wie kann die Ursprungseigenschaft auf die einzelnen Teilsendungen korrekt übertragen werden, wenn der ursprüngliche Präferenznachweis nur auf die Gesamtsendung ausgestellt wurde?

Die Antwort liegt im Verfahren der Ersatz-Präferenznachweise, das unter bestimmten Bedingungen innerhalb der EU zulässig ist.

Ersatz-Präferenznachweise (EUR.1) bei Umschlag innerhalb der EU: Voraussetzungen und Verfahren

Der internationale Warenhandel unterliegt komplexen Ursprungs- und Präferenzregelungen. Ein zentrales Instrument zur Inanspruchnahme von Zollbegünstigungen in der Europäischen Union (EU) ist das Warenverkehrszeugnis EUR.1, welches bei der Einfuhr von Waren aus präferenzberechtigten Drittstaaten zum Einsatz kommt. In bestimmten Logistikszenarien – etwa bei zentralem Wareneingang mit anschliessendem Weitervertrieb an verschiedene Empfänger in der EU – kann es erforderlich sein, ein ursprüngliches EUR.1-Dokument aufzuteilen. Hierfür sieht das Zollrecht die Ausstellung sogenannter Ersatz-Präferenznachweise vor.

Was ist ein Ersatz-EUR.1?

Ein Ersatz-EUR.1 ist ein neuer Präferenznachweis, der auf Grundlage eines bestehenden (ursprünglichen) EUR.1 ausgestellt wird. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn eine Warensendung innerhalb der EU weiterverteilt oder aufgeteilt wird, bevor die Einfuhr in den zollrechtlich freien Verkehr erfolgt. Dadurch können mehrere neue Präferenznachweise für Teilmengen ausgestellt werden, ohne dass die ursprüngliche Präferenz verloren geht.

Zulässigkeit und Rechtsgrundlage

Die rechtliche Grundlage für Ersatz-Präferenznachweise findet sich in der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 zur Durchführung des Unionszollkodex (UZK), insbesondere in Artikel 69. Demnach ist die Ausstellung eines Ersatznachweises innerhalb der EU zulässig, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ersatz-EUR.1

Damit ein Ersatz-EUR.1 rechtlich zulässig und wirksam ist, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Die Ware muss sich noch unter zollamtlicher Überwachung befinden. Die Ausstellung eines Ersatzdokuments ist nur möglich, solange die Ware nicht in den zollrechtlich freien Verkehr überführt wurde.
  2. Die ursprüngliche Präferenz muss nachgewiesen werden. Das ursprüngliche EUR.1 oder eine Ursprungserklärung muss dem zuständigen Zollamt vorgelegt werden.
  3. Die Ausstellung erfolgt durch befugte Stellen. Ein Ersatznachweis darf nur von:
    • einem Zollamt innerhalb der EU oder
    • einem ermächtigten Ausführer (mit entsprechender Bewilligung durch die Zollverwaltung) ausgestellt werden.
  4. Angabe des Ursprungsdokuments im Ersatznachweis. Das neue EUR.1 muss klar auf das ursprüngliche Dokument verweisen und in der Regel den Vermerk „Ersatz“ („Replacement certificate“) enthalten.

Verfahren in der Praxis

In der Praxis erfolgt die Ausstellung eines Ersatz-EUR.1 typischerweise wie folgt:

  • Nach Ankunft der Waren in einem EU-Hafen oder Zolllager wird die Ware unter zollamtlicher Überwachung gelagert.
  • Der ursprüngliche Präferenznachweis wird dem Zollamt vorgelegt.
  • Die Sendung wird auf mehrere EU-Empfänger aufgeteilt.
  • Für jede Teilsendung kann durch das zuständige Zollamt ein eigener Ersatz-EUR.1 ausgestellt werden.

Wichtig: Die blosse Aufteilung oder Umlagerung durch einen Logistikdienstleister oder Lagerhalter reicht nicht aus, um rechtsgültige Ersatznachweise zu generieren. Diese müssen durch Zollstellen oder autorisierte Ausführer erfolgen.

Fazit

Die Ausstellung von Ersatz-EUR.1 innerhalb der EU ist ein wirksames Instrument zur Wahrung von Präferenzursprüngen bei komplexen Lieferketten. Sie unterliegt jedoch klar definierten rechtlichen Anforderungen und darf ausschließlich durch befugte Stellen durchgeführt werden. Unternehmen, die zentrale Logistikdrehscheiben für EU-weiten Vertrieb nutzen, sollten dieses Verfahren mit ihren Zollberatern oder den zuständigen Behörden im Vorfeld abstimmen, um die Präferenzvorteile rechtskonform weiterzugeben.