Im Zentrum einer kontroversen Debatte steht die EU-Verordnung zur Risikobewertung von Entwaldung, die den Handel mit Rohstoffen beeinflusst. Das Europäische Parlament kritisiert massiv die bestehenden Bewertungsmethoden und fordert eine umfassende Überarbeitung. In diesem Artikel werden die Hintergründe, die Kritikpunkte sowie die möglichen Auswirkungen einer Reform auf Umwelt, Handel und internationale Partnerschaften untersucht.
Unzureichende Datenbasis, fragwürdige Risikoklassifizierung und drohende Schlupflöcher gefährden den Kampf gegen Entwaldung
EU-Parlament fordert Reform der Deforestation Risk Regulation: Kritik an Methodik und Transparenz

EUDR: Kritik und Perspektiven der EU-Deforestation Risk Regulation

 

Hintergrund der Deforestation Risk Regulation

Ziel und Motivation
Die EUDR wurde ins Leben gerufen, um den Import von Rohstoffen aus Regionen mit hoher Entwaldungsgefahr zu begrenzen und nachhaltigere Lieferketten zu fördern. Ziel ist es, durch verpflichtende Sorgfaltspflichten und eine länderspezifische Risikoeinstufung den Druck auf Holzeinschlag und Landnutzungsänderungen zu mindern. Trotz ambitionierter Ziele steht die Methodik der Verordnung unter massiver Kritik, insbesondere wegen ihrer Wirkung auf den internationalen Handel und den Schutz der Wälder.

Die umstrittene Risikoklassifizierung

Herzstück der Verordnung ist ein dreistufiges System zur Einteilung von Ländern in die Risikokategorien hoch, standard und niedrig. Jüngste Änderungen führen sogar eine umstrittene 'keine Risiko'-Kategorie ein. Die Einstufung bestimmt, wie streng Produkte aus diesen Ländern geprüft werden. Kritiker warnen, dass diese Herangehensweise Länder mit tatsächlichen Fortschritten nicht ausreichend berücksichtigt und gleichzeitig Rückzugsräume für illegale Praktiken schafft. Zudem werden regionale Unterschiede innerhalb einzelner Staaten kaum abgebildet, was zu Fehlbewertungen führen kann.

Veraltete Daten und fehlende Transparenz

Kritische Punkte der Datengrundlage
Ein Hauptkritikpunkt ist die Nutzung überholter Datensätze – insbesondere von der FAO – für die Risikobewertung. Da viele Staaten in den letzten Jahren erhebliche Massnahmen zum Waldschutz eingeleitet haben, spiegelt die aktuelle Methode diese Entwicklungen kaum wider. Zusätzlich kritisieren Abgeordnete wie NGOs die mangelnde Transparenz: Weder die Kriterien der Einstufung noch Entscheidungsprozesse werden ausreichend offengelegt, was das Vertrauen in das Instrument untergräbt.

Schlupflöcher durch die 'No Risk'-Kategorie

Gefahren für die Regulierung
Die Einführung der 'No Risk'-Kategorie könnte das Regelwerk erheblich schwächen. Denn Produkte aus diesen Ländern würden praktisch keiner regulatorischen Kontrolle mehr unterliegen. Experten und Umweltschützer warnen, dass so 'risikoreiche' Produkte einfach über vermeintliche Niedrigrisikoländer in die EU gelangen könnten. Das würde nicht nur die Glaubwürdigkeit der Regelung beschädigen, sondern auch konkrete Fortschritte im Kampf gegen Entwaldung gefährden.

Politische Debatte und Interessenkonflikte

Im Zentrum der aktuellen Diskussion stehen unterschiedliche Interessen: Während viele Abgeordnete auf den schnellen Vollzug pochen, argumentieren Wirtschaftslobbys und einige Mitgliedstaaten für weniger strenge Kontrollen, um Handelshemmnisse zu vermeiden. Das EU-Parlament warnt indes, dass jeder Aufschub und jedes Schlupfloch massive Rückschläge für den Umweltschutz nach sich zieht. Die scharfen Worte und das Abstimmungsergebnis – insbesondere die Forderung nach kompletter Überarbeitung – verdeutlichen den Ernst der Lage.

Auswirkungen auf internationale Handelsbeziehungen

Ökologische, ökonomische und diplomatische Folgen
Die künftige Ausgestaltung der Verordnung wird nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische und diplomatische Auswirkungen haben. Staaten, die grosse Fortschritte im Waldschutz gemacht haben, fordern faire Behandlung. Gleichzeitig könnten weniger ambitionierte Länder Handelsvorteile aus den neuen Schlupflöchern ziehen. Die Verordnung wird somit zum Lackmustest für die globale Glaubwürdigkeit und Verantwortungsbereitschaft der EU.

Forderungen an die Europäische Kommission

Das Parlament verlangt die Rücknahme der aktuellen Durchführungsverordnung und eine grundlegende Reform der Risikobewertung. Im Mittelpunkt stehen aktuelle, öffentlich überprüfbare Daten und transparente Prozesse. Zusätzlich sollen nachhaltige Forstwirtschaft und internationale Partnerschaften gefördert werden – etwa durch Anreizsysteme für Staaten, die aktiv gegen Entwaldung vorgehen. Nur durch kooperative und evidenzbasierte Ansätze kann die EU ihrer Vorreiterrolle gerecht werden.

Perspektiven für eine nachhaltige EU-Forstpolitik

Neben regulatorischen Reformen braucht es langfristige Ansätze: Förderprogramme für nachhaltige Landnutzung, verstärkte Zusammenarbeit mit betroffenen Ländern sowie Innovationen im Bereich Monitoring und Satellitentechnik. Die Verordnung sollte als Teil eines breiteren Strategiemixes gesehen werden, der sowohl Umwelt-, Handels- als auch Entwicklungsaspekte integriert. Eine echte Trendwende erfordert politische Entschlossenheit, Ressourcen und ein klares Bekenntnis zur Transparenz.
Risikoklassifizierung nach Ländern (fiktive Verteilung)
 
Fazit: Chance für Neuausrichtung
Die aktuelle Kritik des EU-Parlaments offenbart massive Schwächen in der Deforestation Risk Regulation. Eine zeitnahe und transparente Reform ist erforderlich, um den Schutz der Wälder effektiv mit internationalem Handel zu verknüpfen. Nur eine an aktuellen Daten orientierte, glaubwürdige Strategie kann die Balance zwischen ökologischen Zielen und ökonomischen Interessen nachhaltig sichern.